Ein Bibel-Fußball-Witz, der keiner ist

jACK Two flickr
(Bild: jACK TWO/flickr.com unter cc-by-sa)

Es gibt einige Witze, die unter bibelaffinen Leuten bekannt sein dürften. Zum Beispiel der hier:

Welchen Beruf Jesus hatte Jesus? Student natürlich – bis dreißig daheim gewohnt und wenn er was getan hat, war’s ein Wunder.

Und jetzt, da während der WM, werden sicher auch folgende Kracher ab und an zum Besten gegeben (nicht selten sicher in Predigten):

Wer war der erste Torhüter? Noah! Gott sprach: Noah, geh in den Kasten, ich lass es stürmen.

Und:

Wer war die erste Fußballmannschaft? Jesus und seine Jünger, denn in der Bibel steht: „Jesus stand im Tor von Nazareth und seine Jünger standen abseits.“

Während ich beim ersten und zweiten Schmunzeln musste, kam ich beim dritten ins Stutzen. Denn zu gern hätte ich gewusst: Wo steht das denn? Auf zahlreichen (ja, wirklich vielen) Webseiten findet man diesen „Witz“, aber nirgendwo eine Quellenangabe.  Das allein ist schon ziemlich merkwürdig. Denn: dieser „Witz“ beruht ja (anders als die ersten beiden) tatsächlich darauf, dass es genau so in der Bibel (oder zumindest in einer Übersetzung) steht. Ist das nicht der Fall, fehlt die Pointe. Und das Ganze wäre, im wahrsten Sinne des Wortes: witzlos.

Ich fände es schade, würde diese Welt einen Witz verlieren. Also ab an die Recherche. Irgendwo muss doch sowas stehen! Aber leider gestaltet sich die Suche schwierig, auch dank modernster Software. Suchen nach „Jesus“ und „Nazareth“ im selben Vers waren nicht zielführend. Von dem Witz kursieren aber noch andere Versionen (ganz ohne Ortsangabe oder „Jerusalem“ statt „Nazareth“). Doch auch ohne Ortsangabe, etwa mit der Suche nach „Jesus“ und „Tor“ im gleichen Vers: nichts. Und ohne diese beiden Bestandteile kommt der „Witz“ ja nicht aus.

Dennoch bemühe ich noch eine lemmatisierte Suche nach den möglichen griechischen Worten für „Tor“ (das ein Stadt- oder Gebäudetor meinen muss): πύλη, πυλών, θύρα. Natürlich werden mir einige Verse angezeigt, aber keiner, der auch nur annähernd passen würde.

Ein Fake – und nicht mehr

Und so kommt es, wie es kommen muss: Dieser Witz scheint tatsächlich keiner zu sein. Was ich schon bei der fehlenden Quellenangabe vermutet habe: Nein, Jesus und seine Jünger waren nicht die erste Fußballmannschaft, wie man es dreht und wendet. Egal, wie viel Wortwitz man hier anwendet. Dieser „Witz“ ist ein einfacher Fake, der ganz offenbar davon lebt, dass man eine solche Sprache mit einer (älteren) Bibelübersetzung verbindet.

Nein, ich habe nichts gegen Witze. Erst recht nicht gegen solche, die aus der Bibel stammen oder mit ihr „spielen“. Das Problem ist nur, dass dieser völlig sinnlos ist, wenn ein solcher Vers (oder zumindest ein stark ähnlicher)  nicht in der Bibel steht.

Und deswegen: Vergesst diesen „Witz“, erzählt ihn nicht. Wie witzig er tatsächlich ist, kann man sich leicht verdeutlichen. Korrekt müsste er nämlich lauten:

Wer war die erste Fußballmannschaft? Jesus und seine Jünger, denn in der Bibel könnte stehen: „Jesus stand im Tor von Nazareth und seine Jünger standen abseits.“

Haha.  Erzählt lieber sowas hier:

Moses kam vom Berg herab, um den Wartenden Gottes Botschaft zu verkünden: „Also Leute, es gibt gute und schlechte Nachrichten. Die gute ist: Ich hab Ihn runter auf zehn. Die schlechte ist: Ehebruch ist immer noch dabei!
(geklaut von Matthias Jung, da gibt’s noch deutlich mehr)

Und wir beten (wieder) zum Fußballgott!

Morgen beginnt die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien. Und natürlich gibt es auch wieder diverse WM-Songs, die zum mitfeiern und mitgrölen einladen. Welche Stimmungsmacher sich am Ende auf den Fanmeilen durchsetzen, werden wir sehen. Aber aus Theopop-Perspektive kann es eigentlich nur ein Lied geben: „Fußballgott“ von der HipHop-Gruppe „Fettes Brot“.

 

 

Er lässt die ganze Meute singen
denn er macht, dass wir heut gewinnen
zu ihm beten wir am Häufigsten
denn er macht ihn rein in der 90.!

Zwischen Fußball und Religion werden sehr häufig Parallelen gezogen – auch hier bei Theopop war dies schon oft Thema (s.u.). Und noch während der WM wird an dieser Stelle ein Artikel erscheinen, der sich damit noch einmal genauer befasst (bisherige Arbeitsthese: Hoch lebe die „Fußball-Religion“!).

Bitte, bitte, bitte – mach ihn rein!

Ganz offensichtlich sind es nicht nur Theologen, die diese Ähnlichkeiten sehen. „Fettes Brot“ hat der Sache nun ein eigenes Lied gewidmet. Nur: Wer verbirgt sich hinter diesem „Fußballgott“, den wir nun – den Hip-Hoppern zufolge – alle anbeten? Wem gelten die verzweifelten Hilfeschreie beim Stand von 1:2 in der 89.? Für den einen sind es die Spieler selbst, die „Götter“ auf dem Feld, denen man mittels Kollektiv-Telepathie offenbar Ansporn zukommen lassen will. Für den anderen ist es vielleicht transzendentes „Etwas“, das alle zwei Jahre (pünktlich zu EM und WM, vielleicht noch zu wichtigen Vereinspartien), die Geschicke auf dem Rasen wundersam zu lenken vermag. Ein echter Fußballgott eben. Wieder für andere ist es der gleiche Gott, der auch sonst so schaltet und waltet. Wer die Sonne anhalten und Meere teilen kann, wird ja wohl keine Probleme mit so einem popeligen Ball haben!

Doch ein Problem hat die Sache. Denn der Fußballgott, wer auch immer er nun sein mag, wird stets am Ergebnis gemessen. Entsprechend werden dann (auch medial – wollen wir wetten?) die Attribute verteilt: zornig, gnädig, wohlgesonnen – und dergleichen mehr. Gelingt der Coup zum 2:2  in der 90. und schließlich der Sieg in der Verlängerung, ist er toll. Fangen wir uns aber sogar noch das 1:3, hat er versagt. Ein solches Leistungsprinzip ist fast unumgänglich, wenn „Gott“ auf den Bereich des Fußballs beschränkt wird. Der Fußballgott ist also, egal was er nun für den Einzelnen genau ist, sicher eines: Ein Leistungsgott. Und ein Gott, der der sich so schimpfen lassen muss – ist der letztlich mehr als ein Mensch?

Mehr zum Thema

Zum Schluss ein Hinweis in eigener Sache: Theopop ist in dieser Woche zwei Jahre alt! Angefangen hat alles mit der Europameisterschaft 2012 – seither sind einige Artikel zum Thema Fußball erschienen. Wer also weiterlesen möchte, bitteschön:

Eine Nonne rockt Italien

Wenn eine Nonne auf der Bühne steht, ist plötzlich alles anders. Castingshows gibt es zuhauf, und eigentlich bekommen wir – wenn wir nicht gezielt danach suchen – nicht mit, was in anderen Ländern da so passiert: Wer welche „Superstar“-Staffel gewinnt oder welche Stimme die „Voice“ des jeweiligen Landes wird. Anders bei Schwester Cristina. Die Nonne hat gestern die italienische Ausgabe von „The Voice“ gewonnen. Und deutsche Medien berichten darüber ausführlich.

Wenn man Schwester Cristina da auf der Bühne tanzen und singen sieht, wirkt ihr Outfit wie eine Verkleidung: Ihre schwarze Ordenstracht, ihre klobigen Schuhe, ein dickes Kreuz um den Hals. Aber es ist keine Verkleidung, sondern – vielleicht ähnlich wie bei Punks, Rockern, Gothics auch – ein Ausdruck ihrer Lebensform. Nur ist ihre Lebensform eine, die in unserer Gesellschaft so selten geworden ist, dass sie vielen sehr befremdlich erscheint. Vielleicht ist eine rockende Nonne deshalb so viel ungewöhnlicher und überraschender, als wenn da ein Punk auf der Bühne steht.

Dazu kommt freilich noch: Das, was Schwester Cristina auf der Bühne tut, wird in der Gesellschaft nicht mit dem identifiziert, was ihre Lebensform angeblich ausmacht. Nonnen sind doch still, brav, sie beten viel, leben zurückgezogen und abstinent. Solche Bilder fände man sicher in viele Köpfen, wenn man einmal eine Straßenumfrage machen würde. Wie kann man da Freude am Leben haben?

Und dann kommt diese Nonne daher. Ihre Kleidung entspricht genau jenen Vorurteilen, passt so gar nicht in unsere Norm, schreit der „Spaßgesellschaft“ die Ablehnung quasi ins Gesicht. Schwester Cristina legt los. Sie tanzt, singt (gut), und vor allem: Sie hat einen tierischen Spaß. Die Lebensfreude steht ihr ins Gesicht geschrieben (viel mehr sieht man von ihr nicht).

Ich sage: Danke, Cristina. Ein solcher Auftritt hilft, Vorurteile abzubauen – weit über die „kirchliche Subkultur“ hinaus. Wenn eine Ordensschwester eine Castingshow im Fernsehen gewinnt, kann das zum Nachdenken anregen. Was für Bilder haben wir von Menschen, die sich in bestimmten „Subkulturen“ bewegen? Welche Vorurteile hegen wir – und warum? Welchen Lebensweisen stehen wir skeptisch gegenüber – und mit welcher Begründung?

Auch ganz ohne Nachdenken lohnt es sich aber, sich die rockende Nonne einfach anzuschauen:

 

https://www.youtube.com/watch?v=ySc16v1elDs

War Jesus hässlich?

(Bild: pixsellr/flickr.com unter cc.by-sa 2.0)
(Bild: pixsellr/flickr.com unter cc.by-sa 2.0)

Jesus war eine Schönheit. Das zumindest könnte man annehmen, wenn man diversen Jesus-Darstellungen heutiger Popkultur Glauben schenkt. Lange, braune Haare, gepflegter Bart – egal ob „Jesus liebt mich“ oder „Die Passion“ – selten bis nie wird in solchen Darstellungen ernsthaft hinterfragt, wie Jesus tatsächlich aussah. Warum auch. Jesus soll darin meist Sympathieträger sein, also muss er auch irgendwie unseren heutigen Schönheitsidealen entsprechen.

Doch auch in der (westlichen) Kirchengeschichte überwiegt ein solches Bild von Jesus – da muss man sich nur einmal diverse Kruzifixe über die Zeit hinweg anschauen. Oder etwa das „Turiner Grabtuch“. Jesus, der schlanke, gut gebaute Typ, der durch Galiläa zog. Natürlich: All dies sind, wie auch in der heutigen (Pop-)Kultur, Kunstdarstellungen. Irgendwie muss man Jesus ja abbilden. Das ist auch alles nicht weiter schlimm – solange man sich bewusst darüber ist, dass diese Vorstellungen einem jeweiligen kulturellen Kontext entspringen. Folgerichtig bedeutet das, dass Jesus auch in anderen Kulturen den Vorstellungen der jeweiligen Umfeldes entsprechend dargestellt wird. Ob afrikanisch, chinesisch, indonesisch, koreanisch, indisch. (Einen kleinen Eindruck bekommt man zum Beispiel hier.) All diese Darstellungen Jesu haben ihre Berechtigung – und sind (mindestens) genauso zutreffend wie unsere europäischen.

Es gab freilich auch ernsthafte Versuche von Forschern, anhand der Gegebenheiten zu Jesu Zeiten und etwa durch Rekonstruktion mit Hilfe eines Schädels eines (ungefähren) Zeitgenossen Jesu,  Anhaltspunkte für ein mögliches Aussehen Jesu zu rekonstruieren. Sie schlussfolgerten: Orientalischer Typ, kurze Haare, Vollbart.

Origenes: Jesus war „hässlich“

Alle diese Darstellungen haben eines gemeinsam: Sie stellen Jesus als einen „schönen“ oder zumindest „durchschnittlichen“ Typen dar (wie auch immer sich dies im jeweiligen Kontext definiert). Doch wer sagt überhaupt, dass dem so war? Es wirkt schon fast anmaßend, zu fragen: Was, wenn Jesus „hässlich“ war?((„Hässlich“ steht bewusst in Anführungszeichen, der Titel dieses Posts ist ebenso bewusst provokant gewählt. Es wäre eine eigene Diskussion, zu fragen: Was ist eigentlich „schön“ und „hässlich“? Können diese Attribute überhaupt auf Menschen angewendet werden?)) Es gab Theologen, die sind genau davon ausgegangen. Origenes zum Beispiel, der in seiner Erwiderung gegen den antiken Philosophen Celsus seinem Widersacher in einem Punkt recht gibt:

Übereinstimmend also ist aufgezeichnet, dass der Körper Jesu „missgestaltet“ gewesen sei.Contra Celsum 6, 75

Celsus vermutet zudem, Jesus sei besonders klein gewesen. Dem kann Origenes nicht uneingeschränkt zustimmen, denn: es wird „nicht klar und bestimmt berichtet, dass er ‚klein‘ war.“ (Ebd.) Im weiteren Verlauf spricht Origenes davon, dass Jesus den Schlechten „hässlich“ erscheine, den Guten aber „schön“. Auch unter einigen Heiligen und frühen Kirchenvätern (Irenäus, Justin) scheint die Vorstellung, dass Jesus nicht gerade eine Schönheit war, nicht abwegig gewesen zu sein (direkte Quellen dazu konnte ich im Internet nicht finden, ich berufe mich hierauf).

Wie aber kommt man auf den Gedanken, dass Jesus hässlich war? Die Berichte im Neuen Testament geben über das Aussehen Jesu keine Auskunft. Dafür aber gibt es einen Text im Alten Testament, der in der christlichen Tradition auf Jesus hin gedeutet wird – eines der sogenannten „Gottesknechtslieder“. Und da, im vierten, steht:

Wie sich viele über ihn entsetzten, weil seine Gestalt hässlicher war als die anderer Leute und sein Aussehen als das der Menschenkinder Jes 52,14

[…]

Er hatte keine Gestalt und Hoheit. Wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte. Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet. Jes 53,2.3

Aus diesen Stellen schlossen manche offenbar recht drastisch auf das Aussehen Jesu. Der Gottessohn musste ihrem Verständnis nach „hässlicher“ sein als andere Leute.

Woher kommt eigentlich unser Jesusbild?

Die älteste uns bekannte Darstellung Jesu ist übrigens eine Karikatur: Ein Graffito aus dem 2. Jahrhundert. Ein Mann, der einen anderen Mann mit Eselskopf am Kreuz anbetet. Darunter steht: "Alexamenos betet seinen Gott an". (Bild: Digitale Nachzeichnung, Public Domain)
Die älteste uns bekannte Darstellung Jesu ist übrigens eine Karikatur: ein Graffito aus dem 2. Jahrhundert. Es zeigt einen Mann, der einen anderen Mann mit Eselskopf am Kreuz anbetet. Darunter steht: „Alexamenos betet seinen Gott an“. (Bild: Digitale Nachzeichnung, Public Domain)

Ein Bild von Jesus zu zeichnen, das wäre Origenes aber vermutlich nicht in den Sinn gekommen. Die frühe Christenheit hatte keine religiösen Abbildungen: Das Bilderverbot (Jesus fiel als „Gott“ darunter) und die Abgrenzung zum heidnischen (bilderreichen) Kult waren die entscheidenden Motivationen, auf solche Abbildungen zu verzichten.

Ab dem 4. Jahrhundert kamen mehr und mehr Zeichnungen und Malereien auf. Zunächst von Märtyrern oder biblischen Protagonisten, dann auch von Jesus selbst. Theologisch fanden sich Befürworter wie Gegner, doch in der Volksfrömmigkeit verbreitete sich diese Praxis. Das Ganze gipfelte im sogenannten „Bilderstreit“ (726-843) – dies nun genauer auszuführen, wäre zu viel. Nur so viel: 787 wurde in einem Konzil in Nizäa festgelegt, dass eine Verehrung von Bildern in Ordnung sei, solange sie von der Anbetung Gottes deutlich unterschieden werde. (( Wer zu diesen ganzen Streitigkeiten ein wenig mehr lesen will, kann das zum Beispiel hier tun: Ohme, Heinz: Art. Bilderkult (VI. Christentum), in: RGG4, Bd 1, 2008, 1571-1574 und Hausschild, Wolf-Dieter: Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte, Bd. 1, Alte Kirche und Mittelalter, 2007, 208-212.))

Warum aber haben die Künstler nun – durch alle Zeiten hinweg – Jesus so gezeichnet, wie sie ihn gezeichnet haben? Da es keine überlieferten Beschreibungen über Jesu Aussehen gibt, blieb wohl nichts anderes übrig, als auf die Phantasie zurückzugreifen. Und so gilt, was ich oben schon ausgeführt habe: Die Vorstellungen waren schon immer entscheidend durch das jeweilige kulturelle und historische Umfeld geprägt. Eine besondere Bedeutung spielten dabei sicher Wunderbilder, sogenannte Acheiropoieta. Denn sie galten (v.a. in der Volksfrömmigkeit) als „nicht von Menschen geschaffen“.

Ach, eigentlich …

Was bleibt nun nach diesem kleinen Exkurs? Natürlich sollte eigentlich jedem klar sein: Wir wissen nicht, wie Jesus aussah. Vermutlich liefert die oben genannte wissenschaftliche Rekonstruktion einige Anhaltspunkte. Mehr aber auch nicht.

In der Bibel wird über das Aussehen Jesu an keiner Stelle gesprochen (wenn man Origenes nicht folgt – und dafür gibt es gute Gründe). Das Schweigen könnte man insoweit interpretieren, dass vermutlich nichts an ihm besonders auffällig war. Aber auch das ist Interpretation. Ganz sicher aber ist das Schweigen ein Hinweis darauf, dass den biblischen Autoren nichts daran lag, etwas über Äußerlichkeiten weiterzugeben.

Und so sollten wir es auch halten. Ob Jesus ein Schönling war oder nicht, kann uns eigentlich herzlich egal sein.

 

5 interessante Fakten über Blogger

(Bild:  Mike Licht, NotionsCapital.com/flickr.com unter cc-by-sa 2.0)
(Bild: Mike Licht, NotionsCapital.com/flickr.com unter cc-by-sa 2.0)

Wer sind eigentlich diese Blogger, von denen immer alle reden?Wissenschaftler der Universität Hohenheim haben sich genau diese Frage gestellt – und dazu eine Umfrage aufgesetzt. Sie wollten herausfinden: Was verbirgt sich eigentlich genau hinter der breiten Masse von Bloggern? Wie verstehen sie sich selbst – und wie schätzen sie ihr Verhältnis zum Journalismus ein? Der Fokus lag besonders auf Themenblogs. Als ein solcher versteht sich auch Theopop – und auch ich habe an der Umfrage damals teilgenommen. Die Ergebnisse der Befragung von über 500 Bloggern wurden nun publiziert. Weil sie durchaus interessant sind, sollen hier auch Auszüge davon vorgestellt werden. Die ausführliche Version gibt es hier als *.pdf-Dokument, hier gibt es eine kurze Pressemitteilung.

1. Der Durchschnittsblogger: Mann, Ende 30, hohe formale Bildung

Interessant ist schon die Stichprobenbeschreibung der Umfrage-Teilnehmer. Knapp 72 Prozent sind männlich, im Durchschnitt sind die Themenblogger 38 Jahre alt. Über die Hälfte hat einen Hochschulabschluss, ein weiteres Viertel eine (Fach-) Hochschulreife. 11 Prozent haben eine abgeschlossene Berufsausbildung. Bleibt die Frage: Bloggen tatsächlich so viel mehr Männer in Themenblogs – oder sind Frauen einfach nicht so Umfrage-freundlich?

 2. Nur ein Blog? Nein danke!

Bei diesem Ergebnis kam ich etwas ins Stutzen: Offenbar ist es eher die Ausnahme, nur ein einziges Blog zu betreiben. Im Schnitt (!) betreiben Themenblogger der Umfrage zufolge 3 Blogs. Das finde ich äußerst bemerkenswert. Der Zeitaufwand für’s Bloggen liegt im Schnitt bei 9 Stunden pro Woche, wobei fast die Hälfte der Zeit für die „Erstellung von Inhalten“ draufgeht, ein weiteres (gutes) Viertel für die Recherche. Mehr als 95 Prozent der Blogger recherchieren für ihre Artikel. Wichtige Quellen: Das Internet (v.a. andere Blogs) und Gespräche mit Anderen (On- und Offline). Klassische Offline-Medien spielen eine untergeordnete Rolle.

3. Besucher & Finanzen

Durchaus bemerkenswert sind auch die Ergebnisse der Studie zu Besuchern & Finanzen. Die Leserzahl der Blogs bewegt sich in einem Rahmen von 5 Lesern bis hin zu 2 Millionen Lesern pro Monat. Das Mittel liegt bei rund 1000. Was mich – ehrlich gesagt – etwas aus den Socken haut, sind die Finanzen. Mit einem Blog kann man offenbar richtig gut Geld verdienen. Rund 74 Prozent der Befragten tun das auch – im Schnitt (!) mehr als 520 Euro pro Monat. Jeder zehnte Blogger, der Einnahmen erzielt, verdient mehr als 1000 Euro im Monat.

 4. Qualität ist wichtig

Ehrlich gesagt ein erwartbares Ergebnis: (Themen-)Blogger legen wert darauf, qualitativ hochwertig zu arbeiten. Ich zitiere aus dem Fachjournalist-Artikel zu der Studie:

Eine Faktorenanalyse zeigte zwei Dimensionen auf: erstens die journalistische Qualität, die Objektivität, Relevanz, Richtigkeit und Aktualität umfasst, und zweitens die Beziehung zum Publikum. Beide Dimensionen werden von den Themenbloggern als sehr wichtig erachtet. Tatsächlich ist die journalistische Qualität […] für Themenblogger sogar noch bedeutender als die Beziehung zu ihren Lesern […].

Und daraus folgt…

5. Bloggen ist (neuer) Journalismus

Wer hohe journalistische Ansprüche an seine eigene Blog-Arbeit hat, sieht darin natürlich auch eine Form des Journalismus. Das Verhältnis zum Journalismus war ein weiterer Punkt, den die Autoren der Studie untersuchen wollten. Die Untersuchung zeigt, dass die Blogger ihre Tätigkeit überwiegend als „neue/andere Form des Journalismus“ begreifen. Allerdings eine, die in enger Wechselwirkung zum „klassischen Journalismus“ steht. Die Aussage „Journalismus übernimmt Themen, Meinungen, Fakten und Interpretationen aus Blogs“ erhielt ebenso viel Zustimmung wie deren Umkehrung, „Blogs übernehmen Themen, Meinungen, Fakten und Interpretationen aus dem Journalismus“. Dabei wird die Skepsis des (klassischen) Journalismus gegenüber Blogs deutlich höher eingeschätzt als die Skepsis der Blogs gegenüber dem Journalismus.

 

Glaube, Hass, Hoffnung: „Fürchtet euch“

Wiley Cash_fürchtet euch
Wiley Cash: Fürchtet euch. Übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Fischer Verlag, 348 Seiten, 2013. Originaltitel: „A Land More Kind Than Home“.

Christopher ist dreizehn Jahre alt. Er hat noch nie ein Wort gesprochen – und das wird ihm zum Verhängnis. Denn der zwielichtige Prediger Carson Chambliss hat ein Geheimnis. Und Christopher weiß davon. In dem kleinen Ort Marshall in North Carolina geschieht schließlich das Unfassbare: Während eines Heilungsgottesdienstes kommt Christopher ums Leben. Die Anwesenden mauern, als Sheriff Clem Barefield versucht, herauszufinden, wie genau der Junge starb. Er ahnt, dass der charismatische Prediger Dreck am Stecken hat. Was zunächst niemand weiß: Jess, Christophs jüngerer Bruder, hat gesehen, was in der Kirche geschah.

Ein klassischer Krimi ist „Fürchtet euch“ nicht. Der Debütroman von Wiley Cash zeichnet sich schon dadurch aus, dass er aus drei unterschiedlichen Perspektiven erzählt wird. Zum einen ermittelt Sheriff Clem Barefield, der der Gemeinschaft um Chambliss skeptisch und vor allem misstrauisch gegenübersteht. Dann ist da Adelaide Lyle, eine alte und fromme Hebamme. Sie hat jedoch die Kirche wegen Chambliss verlassen. Und zum Dritten ist da Jess, dessen Vater schwer mit dem Tod des Sohnes zu kämpfen hat, dessen Mutter aber dem Prediger hörig ist.

Das Buch ist aufgrund seiner Vielschichtigkeit sehr lesenswert. Der Plot lädt auf den ersten Blick dazu ein, deutliche Religionskritik zu üben – nicht, dass daran etwas verkehrt wäre. Doch Wiley Cash sieht davon ab. „Fürchtet euch“ ist kein plumpes Eindreschen auf religiösen Fanatismus oder auf die „Doppelmoral“ mancher Geistlicher. Es ist aber auch keine Lobhudelei auf die Religion und ihre positiven Seiten. Man merkt: Dem Autor geht es sowohl um Kritik als auch um Würdigung. Er wählt ein drastisches Szenario, um dies zu behandeln, und auch das Ende ist keineswegs friedlich. Hinter all dem findet man aber einen Tiefgang, den man in solchen Romanen häufig vermisst. Cash will nicht nur erzählen, er will auch Anregungen zum Nach- und Weiterdenken liefern.

Am Ende ist „Fürchtet euch“ eine tragische Geschichte. Über Prediger, die mit Schlangen hantieren (die gibt es im Übrigen tatsächlich), über Glauben, Fanatismus, Hass und Vergebung. Und, vielleicht vor allem, über Hoffnung.

Das Buch ist nicht durchweg spannungsgeladen, weil der Autor auch viel Wert auf die Atmosphäre legt, auf die Herausstellung und Vermittlung der unterschiedlichen Charaktere. Aber am Ende lässt sich sagen: Lesenswert ist es allemal.

Hier gibt’s eine Leseprobe.

Anton und sein (Ab-)Leben

Die Welt ist groß, Anton ist klein. Weil er – im wahrsten Sinne des Wortes – immer den Kürzeren zieht, entschließt er sich, Allem ein Ende zu setzen. Doch Anton kann sein Leben nicht so einfach beenden.

„Life ist beautiful“ ist ein 3D-animierter Stummfilm, der nicht einmal neun Minuten dauert.  Der Macher Ben Brand, ein Niederländer, beschreibt ihn mit den Worten:

Anton may be done with life, but life ain’t done with Anton. In his convincing decision to change his measly existence he discovers the real greatness of life.

Der Kurzfilm ist irgendwie tragisch mit einem interessanten Dreh am Ende. Er regt zum Nachdenken an. Zum Beispiel über die Frage: Ist es wirklich die „real greatness of life“, die Anton am Ende entdeckt?

Viel Worte gibt’s dazu nicht zu verlieren – schaut ihn euch einfach an. Und diskutiert gerne darüber.

(Auf den Film gestoßen bin ich via ZEIT online)

 

„Happy tweets“: Zwitschern Gläubige glücklicher?

(Bild: Public Domain)
(Bild: Public Domain)

Es gibt Studien, die braucht die Welt nicht. Zum Beispiel diese hier, durchgeführt von einem Wissenschaftler an der Universität Illinois: „Happy Tweets: Christians Are Happier, More Socially Connected, and Less Analytical Than Atheists on Twitter“ (hier online einsehbar). Der Psychologe Ryan S. Ritter will herausgefunden haben, dass Christen glücklicher, sozialer und weniger „analytisch“ twittern als ihre atheistischen Artgenossen.

Das könnte ja ein ganz spannendes Ergebnis sein – nur leider ist die Aussagekraft der Studie recht gering. Ritter hat fast zwei Millionen Kurznachrichten insgesamt über 16.000 Twitter-Nutzern analysiert und auf entsprechende Schlagworte wie „love“, „nice“, „hurt“ oder „nasty“ untersucht. Ein Computerprogramm wertete die Tweets aus und stellte fest: Gläubige verwenden häufiger „glückliche“ Wörter als Atheisten.

Das große Problem daran ist: Wie stellt man fest, ob die Twitter-User Christen oder Atheisten sind? Auf welche Weise „filtert“ man also? Ritter hat sich für eine Methode entschieden, die doch zumindest angezweifelt werden darf. Zitat:

Christian and atheist Twitter users were selected for analysis by sampling from those who elected to follow the Twitter feeds of five Christian public figures or five atheist public figures.

Wer also einem prominenten Atheisten wie zum Beispiel Richard Dawkins, Sam Harris oder Christopher Hitchens folgt, wurde als Atheist eingestuft. Und wer regelmäßig die Tweets eines bekannten Christen (z. B. Papst, Rick Warren, Joyce Meyer) über seine Timeline rauschen sieht, ist ein Christ. Im Ernst?

Atheist, Buddhist, Christ und Moslem – auf einmal!

Also: Ich folge auf Twitter Richard Dawkins. Problemlos hätte ich also nach Ritters Schema als Atheist durchgehen können. Ich folge auch dem Dalai Lama. In einer entsprechenden Studie könnte ich mich also auch überraschend als Buddhist entpuppen. Streng genommen bin ich den Persönlichkeiten nach zu urteilen, denen ich folge, ein atheistisch-buddhistischer Christ mit islamischen Einflüssen.

Nur weil man einem Menschen folgt, der prominent für eine (Nicht-) Glaubensrichtung steht, heißt das noch lange nicht, dass man genauso denkt. Und das ist der Haken an dieser Studie. Es ist ein großer Haken, denn er minimiert die Aussagekraft der Ergebnisse. Ritter geht auf das zweifelhafte Auswahlverfahren sogar selbst ein:

It is also important to acknowledge that sampling from followers of major public figures – particularly those on the far extremes of religious belief and disbelief – may not represent typical Christians or atheists, and these effects could reflect a comparison of extremely conservative Christians to militant atheists. We have also operationalized Christians and atheists as those who chose to follow public figures well known for their beliefs. But of course, people can follow these public figures for reasons wholly unrelated to their religion.

Vor allem der letzte Satz ist der Knackpunkt. Ritter argumentiert im Anschluss daran mit den großen Fallzahlen, die in der Studie ausgewertet wurden. Doch auch das hilft nicht: Denn woher will er wissen, wie viele Menschen aus welchen Gründen wem auf Twitter folgen? Auch außer Acht gelassen werden die Schnittmengen. Ich glaube, es ist nicht vermessen, zu behaupten, dass es einige gibt, die sowohl die Kurznachrichten des Papstes als auch die Richard Dawkins lesen.

Was also fangen wir mit einer solchen Studie an?

„Hilfe, mir wird der Spaß untersagt!“ Anmerkungen zum „Tanzverbot“

(Bild: fm/theopop/Public Domain)
(Bild: fm/theopop/Public Domain)

Alle Jahre wieder empören sich aufgebrachte Gemüter darüber, dass man ihnen das Tanzen verbietet: Es ist schon Tradition, vor Karfreitag zu Demonstrationen gegen das sogenannte „Tanzverbot“ aufzurufen. Die Debatte darüber ist immer wieder, Jahr für Jahr, die gleiche. Die einen wehren sich, im wahrsten Sinne der Worte, mit Händen und Füßen dagegen, dass ihnen der Staat etwas verbietet. Und das auch noch mit einer Begründung, die  sich auf die Religion beruft. Die anderen – meist (aber nicht immer) diejenigen, die selbst religiös sind – sehen darin kein Problem und fühlen sich mitunter provoziert von den „Tanzdemonstrationen“. 

Diskussionen, die sich um religiöse Themen drehen, laufen gerne aus dem Ruder. An den Leserkommentaren diverser Meinungsartikel zum Thema Tanzverbot ist ganz gut zu erkennen, wie emotional sich Gegner des Tanzverbotes darüber aufregen können. Grund genug, mal ein bisschen Sachlichkeit in das Thema zu bringen.

1. „Tanzverbot“ gilt nicht nur an Karfreitag

Es ist ganz interessant, dass die Stimmen gegen das Tanzverbot eigentlich nur vor Karfreitag – einem der höchsten christlichen Feiertage – laut werden. Dabei ist dies mitnichten der einzige Tag, an dem „öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen“ untersagt sind. Ein solches Verbot ist Ländersache – nehmen wir einmal Baden-Württemberg: Hier sind solche Veranstaltungen an Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag und am 1. Weihnachtstag ganztags verboten. Aber noch mehr – ein Zitat aus dem Feiertagsgesetz:

Öffentliche Tanzunterhaltungen sind an Allerheiligen, am Allgemeinen Buß- und Bettag, Volkstrauertag, Totengedenktag und am 24. Dezember von 3 Uhr bis 24 Uhr […] verboten.

Das sind neun Tage im Jahr, an denen „öffentliche Tanzunterhaltungen“ im Endeffekt untersagt sind. An neun weiteren Feiertagen gilt dieses Verbot von 3-11 Uhr. Und, Überraschung: An jedem gewöhnlichen Sonntag ist in Baden-Württemberg ebenfalls von 3-11 Uhr das Tanzen tabu. (Eine Liste für alle Bundesländer findet ihr hier.)

2. „Hilfe, mir wird die Freude verboten!“ – Quatsch.

In einschlägigen Diskussionen wird gerne damit argumentiert, dass niemand das Recht habe, einem anderen zu verbieten, sich zu freuen und Spaß zu haben. Das impliziert, dass ein „Tanzverbot“ genau dies zum Ziel habe. Doch dies ist nicht der Fall. Das ist schon daran erkennbar, dass unter den Feiertagen auch welche sind, die eigentlich Feste der Freude sind – Weihnachten zum Beispiel.

Worum geht es einem Tanzverbot also? Feiertage sind aus ihrer Entstehungsgeschichte heraus in erster Linie eigentlich keine „Feier“-tage im Sinne von: „Endlich können wir mal die Sau raus lassen!“ Egal, ob es sich um religiöse Feiertage handelt oder nicht. Feiertage dienen gewissermaßen dazu, einen Gedankenstrich in den Alltag zu setzen – eine Auszeit, an der man die alltäglichen Dinge ruhen lassen kann und Zeit hat, sich auch gedanklich etwas Besonderem oder Bedeutendem zuzuwenden. Das gilt für den Tag der Deutschen Einheit ebenso wie für Karfreitag. 

Die „Stillen Feiertage“ genießen dabei einen besonderen Schutz – weil sie vom Gesetzgeber als besonders bedeutend erachtet werden. Dazu zählt im Übrigen auch der staatliche Volkstrauertag, der keinen kirchlichen Ursprung hat. Auch an diesem Tag gilt in allen Bundesländern zu bestimmten Zeiten ein Tanzverbot.

Um „Stille Feiertage“ von den gewöhnlichen abzuheben, gibt es das „Tanzverbot“. Und in diesem Sinne sollte es auch verstanden werden: Nicht als Verbot, sondern als besondere Würdigung eines Tages, als Möglichkeit zur Auszeit und Besinnung. Ein berechtigter Einwand ist die Frage, ob es dafür tatsächlich ein Gesetz braucht. Darüber lässt sich streiten – die Kirchen schalten hier meist auf Stur und sehen „keinen Handlungsbedarf“ angesichts der bestehenden Regelung.

Andererseits könnten auch diejenigen, die mit dem Feiertag persönlich nichts verbinden, sich an dem freien Tag freuen. Schließlich ist er auch für sie eine wertvolle Auszeit aus dem Alltag. Sich so enorm über ein gesetzliches Verbot von Tanz aufzuregen und andererseits aber über die gesetzliche Verbote von Arbeit froh zu sein (= Feiertage) – irgendwie inkonsequent. Das führt zu dem Verdacht, dass vielleicht ein ganz anderes Motiv hinter dem Aufschrei steckt.

3. „Ich will doch nur provozieren!“

Schon allein der Zeitpunkt der alljährlichen Aufregung lässt stutzig werden: Kurz vor dem höchsten christlichen Fest. Warum wird nicht am Volkstrauertag groß demonstriert? Warum werden hier keine Empörungsschreie laut? Vielleicht deshalb, weil neben der „Ich lass mir nichts verbieten“-Mentalität noch etwas ganz anderes dahintersteckt: Es geht um Provokation. Man will diejenigen treffen, die Karfreitag emotional tatsächlich als einen Tag der Trauer und des Gedenkens begehen. Frei nach dem Motto: Womit ich nichts anfangen kann, das muss ich auch nicht respektieren. Die Kirche ist ein dankbares Ziel, obwohl – wie schon gesagt – auch der staatliche Volkstrauertag gesetzlich tanzfrei ist. Nur da lässt sich nicht so schön eine bestimmte Gruppe provozieren.

Die Frage ist, ob Provokation in religiösen Dingen das Mittel der Wahl sein sollte, um vernünftige Dialoge zu führen – denn es hebt alles von vorneherein auf eine sehr emotionale Ebene. Und da sind beide Seiten, Religionskritiker wie Religiöse, nicht unbedingt dazu in der Lage, sachliche Diskussionen zu führen.

4. Brauchen wir ein „Tanzverbot“?

Zum Schluss also noch eine kurze persönliche Stellungnahme. Brauchen wir ein gesetzliches Tanzverbot? Nein, natürlich „brauchen“ wir es nicht. Ich sehe aber auch keinen Grund dagegen. „Tanzdemos“ stören mich persönlich in keiner Weise, weil sie für mich in erster Linie undurchdachte Provokationen sind – die aber auch so benannt werden sollten. Denn wer konsequent wäre, müsste auch gegen jeglichen Feiertag selbst demonstrieren, die im Feiertagsgesetz ganz deutlich als Verbote von Arbeit bezeichnet werden:

An den Sonntagen und den gesetzlichen Feiertagen sind öffentlich bemerkbare Arbeiten, die geeignet sind, die Ruhe des Tages zu beeinträchtigen, verboten, soweit in gesetzlichen Vorschriften nichts anderes bestimmt ist. (FTG Baden-Württemberg, §6)

Und da zeigt sich auch schon: Nicht jedes Verbot ist schlecht. Doch „Verbot“ ist natürlich ein Wort, bei dem in der heutigen Zeit immer gleich alle Alarmglocken schrillen, weil uns „Verbote“ angeblich per se in unserer Freiheit beschränken. Das man dabei durchaus differenzieren muss – etwa weil uns ein Arbeitsverbot zum Beispiel erst wertvolle Freiheiten verschafft – wird gerne „übersehen“.

Ich hänge nicht an einem gesetzlich geregelten „Tanzverbot“. Ich halte es aber für eine gute Möglichkeit, die besondere (sei es nur die historische bzw. kulturelle) Bedeutung bestimmter Zeiten und Feiertage zu verdeutlichen und auch Abstufungen zum „normalen Sonntag“ zu schaffen. Und ich finde es ein vertretbares „Übel“, Menschen durch ein entsprechendes Gesetz auf den Umstand hinzuweisen, dass nicht jeder Tag dem anderen gleicht.

Noah gegen den Rest der Welt

Vorabinfo: An dieser Stelle findet ihr eine kurze Filmkritik zu Darren Aronofskys Film „Noah“, die ohne Spoiler auskommt. Da mir aber ein paar interessante theologische Perspektiven des Films aufgefallen sind, findet ihr hier eine Zusammenstellung der wichtigsten Gedanken dazu. Dort herrscht aber Spoiler-Alarm.

http://www.youtube.com/watch?v=-j7Wc3ngECg

Es ist eine Geschichte, deren Ende jeder kennt: Die Welt wird vernichtet, nur eine Familie überlebt. Im ersten Buch der Bibel wird die Erzählung von der Sintflut, Noahs Arche und der Vernichtung der Menschheit in drei Kapiteln überliefert – eine Erzählung, die angesichts ihrer Weltuntergangs-Thematik geradezu ein „Kopfkino“ provoziert. Doch wie erzählt man eine solch bekannte Geschichte so, dass sich die Leute sie dennoch im Kino anschauen? Richtig: Mit bildgewaltigen Effekten, neuen Perspektiven und einer gehörigen Portion künstlerischer Freiheit. US-Regisseur Darren Aronofsky hat sich genau dies zur Aufgabe gemacht. Und es ist ihm gelungen. „Noah“ ist ein eindrucksvoller, sehenswerter Film – wenn auch mit einigen Abstrichen.

Mord, Totschlag, Vergewaltigung

Die Welt ist kaputt. Das wird von Anfang an durch die düstere Atmosphäre des Films vermittelt. Die Menschen zerstören ihre Umwelt, die Natur, das Tierreich. Sie haben sich selbst zu Herrschern über die Welt geschwungen, in der Annahme, „der Schöpfer“ schere sich nach dem Rauswurf aus dem Paradies einen Dreck um sie. Noah, ein Nachkomme des Adam-Sohns Set, ist da anderer Meinung. Er ist der einzig gerechte Mann auf der verdorbenen Erde, die von den Nachkommen Kains bevölkert wird, die sich gegenseitig ermorden und vergewaltigen.

Noah, der mit seiner Familie durch die Einöde zieht, bekommt plötzlich Alpträume. In diesen Szenen spielt der Film auch mit anderen Motiven der biblischen Urgeschichte; vor allem Sündenfall und Brudermord suchen Noah wieder und wieder heim. Er ist der Überzeugung: Gott, der Schöpfer, spricht zu ihm. Er will die Welt vernichten. Mit der Hilfe seines Großvaters Metuhsaleh (ein Eremit, den er offenbar nur einmal im Jahrzehnt besucht) findet er heraus: Die Katastrophe kann nicht abgewendet werden. Wohl aber kann sie überlebt werden. Und so macht er sich daran, ein großes Schiff zu bauen – wie es dann weitergeht, ist ja allseits bekannt.

Und die anderen?

Es gibt viele interessante Nuancen, die Aronofsky in dem Bibel-Epos setzt. Da ist zum Beispiel Gott, der durch Zeichen und Wunder handelt – nie aber direkt mit Noah kommuniziert. Zuweilen bringt das den Filmhelden auch zur Verzweiflung. Auch die Frage, wie zum Beispiel Futter für die Tiere für so lange Zeit in die Arche passt, wird mit einem geschickten Dreh gelöst. Auf der Arche selbst entfaltet sich dann noch ein Familiendrama, mit Eifersucht, Enttäuschung und Hass. Der Auslöser des Familiendramas ist aber eigentlich eine Erkenntnis Noahs, die theologische höchstspannend ist – zumal sie sich auch in der Bibel findet, wenn auch etwas versteckt. Um hier nicht zu viel zu verraten, findet ihr dazu mehr bei den theologischen Gedanken zum Film.

Groß geschrieben wird – sowohl biblisch als auch filmtechnisch – der ökologische Aspekt. Die Zerstörung der Um- und Tierwelt spielt eine entscheidende Rolle. Noah und seine Familie ernähren sich streng vegetarisch – wie es auch in den ersten acht Kapiteln der Bibel der Fall ist (erst ab Gen 9,3 wird Fleischessen explizit erlaubt). Es ist durchaus auch im Sinne der Noah-Geschichte der Genesis, wenn wir das auch als Warn- und Weckruf in unsere heutige Zeit verstehen. Wer dem Film Extremismus im Umweltgedanken vorwirft, wie es manche evangelikalen Kreise in den USA tun, der muss diesen Vorwurf auch der biblischen Erzählung machen.

Dramaturgisch wird in „Noah“ vor allem eine Perspektive sehr eindrucksvoll umgesetzt, die in der Bibel aufgrund der Erzählintention gänzlich fehlt: die der übrigen Menschheit. Denn diese gibt sich in der Verfilmung nicht einfach so ihrem Schicksal hin, als die ersten Regentropfen fallen. Nein: Es gibt eine regelrechte Schlacht um die Arche, die mitunter an „Herr der Ringe“ erinnert. Auch sonst bedient sich der Regisseur munter an diversen Fantasy-Elementen, um diese uralte Erzählung ins 21. Jahrhundert zu bringen – ein erfrischender Mix, der „Noah“ in einigen Ländern harsche Kritik von fundamentalen christlichen (und islamischen) Strömungen einbringt. Zugleich aber ein Mix, der aus der Geschichte einen actionreichen, sehenswerten Film macht.

Fazit: Gut, aber…

Was an vielen Ecken stört, ist die Theatralik, mit der doch etwas übertrieben gearbeitet wird. Das betrifft vor allem das „Familiendrama“ auf der Arche (viele Tränen, viel Geschrei, oberflächliche Motive, wenig Tiefgang) und die Schlussszenen des Films (hach, die Liebe hat halt alles wieder mal gerichtet). Auch die ein oder andere lächerliche Szene findet sich in dem Film, wie zum Beispiel die Blitz-Paarung  von Sem und seiner Angetrauten Ila. Einer meiner ersten Gedanken nach dem Film war: Es ist beachtlich, mit welcher Intensität – und doch ganz ohne pathetisches Getue – das Buch Genesis im Gegensatz zu einem Hollywood-Film diese Geschichte erzählt. 

Das kurze Fazit also: Im Großen und Ganzen durchaus sehenswert. Zu theatralisch, die zwischenmenschliche Dramatik wirkt manchmal sehr inszeniert – was eher am Drehbuch als an den Schauspielern liegt. Der Mix von Fantasy und biblischer Erzählung ist frisch und wohltuend. Und er macht die Geschichte vor allem nicht schlechter. Er transportiert sie vielmehr in die Kinowelt von heute, in die der Streifen aus jeglicher Hinsicht sehr gut passt. 

Den Schlussatz überlasse ich dem Schweizer Theologen Konrad Schmid, der über den Film in einem Interview Folgendes sagt

Alle, die diesem Film ankreiden, er folge nicht der biblischen Vorlage, empfehle ich, die Bibel zu lesen. Die Bibel bietet eine eindrückliche Erzählung, in der Tat. Aber Adaptionen wie die vorliegende sind künstlerisch wie auch theologisch dann besonders wertvoll, wenn sie die Bibel nicht einfach nacherzählen. Dafür ist die Bibel selbst da.