„Noah“ – theologischer Mumpitz?

Achtung – dieser Artikel enthält Spoiler! Wer den Film „Noah“ noch nicht gesehen hat, sei hiermit gewarnt – darauf wird in diesem Text keine Rücksicht genommen. Eine Spoiler-freie Filmkritik findet ihr hier. 

Der Bibelepos „Noah“ beeindruckt mit starken Bildern. Doch nicht nur das: Indem Regisseur Darren Aronofsky die uralte Erzählung von der Sintflut mit neuen Perspektiven und auch Fantasy-Elementen ins Kino bringt, eröffnen sich interessante Überlegungen. Mir sind beim & nach dem Schauen des Filmes einige Gedanken gekommen, die ich hier notieren möchte. Herzliche Einladung an euch alle, über die Kommentare noch mehr dazu beizutragen! Die Reihenfolge der Gedanken entspricht nicht unbedingt der Chronologie im Film (und manches ist glaube ich auch nur verständlich, wenn man den Film gesehen hat).

1. Alle müssen sterben: Noahs großes Missverständnis?

Das Familiendrama auf der Arche entfaltet sich vor allem aufgrund eines Faktors: Noah ist der festen Überzeugung, dass die gesamte Menschheit vernichtet werden soll – auch seine Familie, die seiner Meinung nach nur dazu da ist, die Tiere heil in die „neue Welt“ zu bringen. Noah handelt so, wie er handelt, weil er erkennt: Der Mensch trägt das Übel in sich, und wird auch in einer neuen Welt wieder für Zerstörung und Unheil sorgen. Diese Überzeugung bringt ihn dazu, keine Frauen für seine beiden Söhne Ham und Jafet mit aufs Schiff zu nehmen – eine künstlerische Freiheit, die für den Regisseur einen dramaturgischen Faden eröffnet, den er dann, leider zu pathetisch, weiterspinnt. 

Interessant ist, dass die Erkenntnis Noahs eigentlich eine ist, die auch biblisch belegt ist – aber nicht vor oder während, sondern erst unmittelbar nach der Sintflut in Gen 8,23. Es ist zudem  eine Erkenntnis, die Gott hat. Der Mensch ist „böse von Jugend auf“ ist das Motiv, das Aronofsky im Protagonisten Noah sozusagen vorlagert. Während im Film Noah daran verzweifelt und bis zu seinem Gespräch mit der Schwiegertochter am Ende davon ausgeht, gescheitert zu sein (weil er seine Enkelkinder nicht umgebracht hat), wird das Motiv in der Bibel anders aufgelöst. Hier ist es Gott, der sich ändert – und verspricht: Obwohl sich bei den Menschen durch die Sintflut nichts verbessert hat, wird er sie nicht mehr vernichten. 

Das „alle müssen sterben“ ist also kein Missverständnis Noahs – sondern vielmehr ein Motiv, das biblisch schon in der Erkenntnis Gottes nach der Sintflut angelegt ist. Gott erkennt (im Film: Noah erkennt), dass es nach der Sintflut wieder so sein wird wie vorher. Demnach ist der Gedanke, dass eigentlich alle Menschen hätten sterben müssen, durchaus berechtigt. Im Film siegt letztlich das Motiv der „Liebe“ (s.u.) – wie auch in der Genesis: Durch Gottes uneingeschränktes „Ja“ zur Schöpfung (Gen 8,21f).

2. Abraham meets Noah, Ila meets Sara

In der Szene, in der Noah kurz davor ist, seine beiden Enkelkinder zu töten, wird man sehr stark an die „Bindung Isaaks“ in Genesis 22 erinnert. Die Szene weist viele Ähnlichkeiten auf: Noah hebt das Messer, der Dramaturgie-Regler wird voll aufgedreht. Man wartet gewissermaßen auf ein göttliches Eingreifen (auch wenn hier ein Widder wenig helfen würde). Dieses Eingreifen kommt auch: in Noahs Innerem. Wie er später sagt, habe er in diesem Moment „nur Liebe“ gesehen. Das passt zu der Art, wie Gott auch im Rest des Films meist kommuniziert: indirekt.

Doch auch erzählerisch finden sich Parallelen zum „Fall Isaak“: Abraham ist nach Gen 22 überzeugt, in Gottes Willen zu handeln – er vertraut Gott blind. Auch Noah ist felsenfest der Überzeugung, es sei in Gottes Sinn, die beiden Kinder zu töten.  Mit der Auflösung („Ich habe in diesem Moment nur Liebe gesehen“) macht es sich das Drehbuch dann aber denkbar einfach. Denn die Erzählung der „Bindung Isaaks“, an die sich dieser Erzählstrang hier anlehnt, ist weitaus komplexer – meines Erachtens eine der  am schwersten fassbaren im Alten Testament überhaupt. Und es zeigt sich: Mit „Liebe“ allein kann man nicht alles weg-erklären, auch wenn Hollywood das manchmal gern hätte. Ist halt schön kitschig.

Auch die Unfruchtbarkeit der Adoptivtochter Ila dürfte geneigten Bibellesern als Motiv bekannt vorkommen: Unzweifelhaft wird hier mit dem Motiv der Unfruchtbarkeit von Abrahams Frau Sara gespielt. Was sich für Abraham und Sara aber von Beginn an als Segen herausstellt, ist in der Film-Dramaturgie zunächst eine Katastrophe. Letztlich löst sich diese jedoch auf (richtig: in Liebe!) – und: Auch hier ist nicht Gott unmittelbar am Werk, sondern die „Magie“ durch den Großvater Noahs, Metusaleh. Was doch im Film-Plot nicht ganz durchdacht scheint: Wenn Noah solch ein großes Gottvertrauen hat, warum sieht er die Heilung Ilas dann nicht als Zeichen Gottes, dass es doch weitergehen soll mit der Menschheit?

3. Noah = Gott?

Ganz deutlich wird die grundlegend andere Erzählperspektive des Films – schon im Titel. Es geht um Noah. Er ist Protagonist, er ist Dreh- und Angelpunkt des dramaturgischen Plots. Sein Innenleben, seine Verzweiflung, seine Konflikte werden in dem Film thematisiert. Die Bibel hingegen hat eine ganz andere Perspektive. In der biblischen Erzählung geht es nicht primär um Noah – ihr Fokus liegt auf Gott (siehe auch 1.).

Besonders radikal setzt der Film diesen Perspektivwechsel dort um, wo Noah plötzlich Segenshandlungen übernimmt, die eigentlich – in der Genesiserzählung – von Gott kommen. Konkret: der Film endet mit dem „Noahbund“, der allerdings mit dem biblischen Noahbund nichts mehr gemein hat (das ist eine Feststellung, keine Wertung!). In Gen 9,1 spricht Gott zu Noah und seinen Söhnen „seid fruchtbar und mehret euch“, ein Satz, den Noah nun in  einer Segenshandlung an seine Söhne weitergibt. Zudem steht diese Handlung durch die filmische Erzählung in einem ganz anderen Kontext als im „Original“. Wo dieser Noahbund genau den bedingungslosen (ergo: einseitigen!) Bundesschluss Gottes mit seiner Schöpfung darstellt, wirkt es im Film eher wie ein Versöhnen Noahs mit seinen Nachkommen, die er zuvor fast getötet hätte. Das passt zum restlichen Film: Gott handelt zwar, aber er spricht nicht direkt. Die Entscheidungen bleiben letztlich Noahs.

4. Lückenfüller mit Lücke

Ganz besonders interessant ist „Noah“ dort, wo Freiräume interpretiert werden, die die biblischen Autoren offen lassen. Vor allem bei der Frage: Was ist mit den anderen Menschen? Wie reagieren sie auf Noah, als er die Arche baut? Auch als die Arche schließlich im Wasser treibt, an Berggipfeln vorbei, auf denen sich Menschenberge tümmeln, die um Rettung flehen: In dieser ganzen Dramatik führt der Film dem Zuschauer – wenn auch nur kurz – diesen Aspekt der Erzählung vor Augen. Er zeigt, was Zerstörung heißt – im Buch Genesis wird dies gerade einmal mit drei nüchternen Versen abgehandelt (Gen 7,21-23).

Diese Spannung kann der Film aber nicht auflösen – anders als die biblische Erzählung. Wie schon geschrieben: Der Fokus der Sintflut-Erzählung liegt auf Gott. Und somit auf dem Wandel, den er durchläuft: Die Menschen haben sich nicht verändert, aber Gott. Da dieses Motiv im Film vollkommen fehlt, endet er letztlich in einem Kreislauf. Auch im Film wird klar, dass sich die Menschen nicht verändert haben (Noahs Erkenntnis, s.o.) – der Spannungsbogen kann also nicht gänzlich aufgelöst werden. Die Menschen bleiben auch in der neuen Welt schlecht, und deshalb ist eine erneute Vernichtung nicht ausgeschlossen – weil der Fokus eben nicht auf dem Wandel liegt, den Gott durchmacht. Der Zuschauer vergisst diese Schlechtigkeit der Menschen am Ende des Films. Denn da ist ja, wie bei Hollywood-Filmen üblich, alles Friede, Freude, Eierkuchen. Und Liebe.

Mein Knie in dein Gesicht: Einmal für Jesus!

screenGrundsätzlich ist es durchaus vertretbar – und oft auch wünschenswert – wenn sich Institutionen an Popkultur oder Subkulturen orientieren, um Menschen in ihrer jeweiligen Lebenswelt zu erreichen. Am 24. April feiert eine Dokumentation in den USA Weltpremiere, die aber meines Erachtens deutliche Grenzen aufzeigt – zumindest nach dem zu urteilen, was ich mir jetzt über das Thema angelesen habe. Es geht um die explizite Zurschaustellung von „Mixed Martial Arts“ (MMA), von „Gemischter Kampfkunst„, in einem religiösen Kontext. Der Film heißt „Fight church“ und dreht sich um das Phänomen, dass in den USA (nach Angaben der Filmemacher) „hunderte Kirchen im ganzen Land“ solche Kämpfe nutzen, um Gemeinschaft zu stärken und neue Kirchgänger zu gewinnen. Vor einigen Tagen wurde der Trailer zu dem Film veröffentlicht:

Das Besondere daran: Pastoren selbst steigen in den Ring, kämpfen gegeneinander. Es gibt sogar  „Fight ministries“ -Gemeinden, die zugleich Martial Arts-Schulen sind. Der Pastor ist zugleich der Trainer. Das Motto der Schule: „Where Feet, Fist and Faith Collide“ – „Wo Füße, Fäuste und Glaube aufeinander stoßen.“

„Kannst du deinen Nächsten lieben wie dich selbst, und ihm zugleich – so hart es geht – dein Knie ins Gesicht rammen?“ Das fragen sich die Autoren der Dokumentation. Und tatsächlich – das ist eine wesentliche Frage. Die Pastoren, die von dem Konzept der „Fight Church“ überzeugt sind oder sogar daran teilnehmen, argumentieren offenbar damit, dass nirgendwo in der Bibel das „sportliche Kämpfen“ verboten sei. (Eine Rückfrage, die ich da gerne stellen würde: Definiert sich ein christlicher Lebensstil etwa durch Gebote und Verbote?) Andere verweisen auf David oder Samson, die in biblischen Texte für ihre Heldentaten im Kampf gewürdigt würden.  Und in obigem Trailer sagt ein Pastor: „Wir sind nur ein paar gottesfürchtige Männer, die sich gegenseitig ins Gesicht schlagen.“ Ebenfalls im Trailer ist der Satz eines Gemeindeleiters zu hören: „Das Mainstream-Christentum hat die Männer verweiblicht.“ Ähm. Ernsthaft? 

Was in diesem Kontext besonders irritiert, ist die Brutalität dieses Sports. Schon ein einfacher Blick in die Wikipedia zeigt: Fast alles ist erlaubt. Und es geht unter Umständen um ein Kämpfen bis zur Bewusstlosigkeit. Wer das privat macht – bitteschön. Bleibt ja jedem unbenommen. Berechtigt muss aber schon die Frage gestellt werden, inwieweit man damit christliche Verkündigung betreiben kann – zumal eine zentrale Botschaft berührt wird: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. (Das bleibt nicht auf das Christentum beschränkt, in anderen Religionen würde sich m. E. dieser Konflikt genauso ergeben.)  Auch wenn man es auf einer sportlichen Ebene betrachtet, bleibt hier doch offensichtlich die Botschaft der Liebe diametral dem entgegengesetzt, was im Ring passiert: Zwei Menschen prügeln sich, bis einer nicht mehr kann. Es geht, spitz gesagt, darum, sich über die körperlichen Verletzungen eines anderen Menschen zu freuen. (Und so formuliert ist es auch egal, ob dies in beiderseitigem Einvernehmen geschieht.)

Ich bleibe mit einigen Fragen zurück. Gibt es Grenzen, an denen die Überschneidung (bzw. Vereinahmung) von Pop- oder Subkultur durch Religion (und auch andersherum) nicht mehr funktioniert? Falls ja, wo sind die Grenzen zu ziehen? Kann man sich, wie diese Pastoren behaupten, „in Liebe“ prügeln – wenn man es als Sport betrachtet? Kann ein Pastor neben dem Ring stehen und seinem Schützling zurufen: „Schlag ihm ins Gesicht, ins Gesicht!“?

Müssten wir Aliens taufen?

kreezzalee

Zugegeben, es ist auf den ersten Blick eine merkwürdige Frage. Aber ich bin gestern über einen sehr interessanten Beitrag des Bayerischen Rundfunks gestolpert, der mich ins Nachdenken gebracht hat. „Jesus, Ufos und Aliens: Bringen Außerirdische das Christentum in Bedrängnis?“ Außerirdische sind nichts, womit sich Theologen normalerweise beschäftigen. Und obwohl ich mir selbst schon Gedanken darüber gemacht habe – so richtig durchdacht, was für Konsequenzen das auch für eine (nicht nur christliche) Religion hätte, habe ich es aber nicht.

In dem BR-Beitrag wird  Prof. Armin Kreiner, ein katholischer Fundamentaltheologe, zitiert. Er hat ein Buch zu genau dieser Frage geschrieben  („Jesus, UFOs, Aliens. Außerirdische Intelligenz als Herausforderung für den christlichen Glauben“). Dafür wird er von manchen belächelt. „Aliens“ heißt für viele: Science-Fiction, Klamauk, Spinnerei. Stoff für gute Filme also, aber kein ernsthaftes Thema für Theologie und/oder Philosophie.

Aber: Naturwissenschaftler beschäftigen sich schon lange – ernsthaft – mit der Frage nach außerirdischem Leben. Nicht nur das SETI-Programm. Und angesichts der unfassbaren Größe unseres Universums halten es sehr viele Wissenschaftler für unwahrscheinlich, dass wir Menschen die einzigen intelligenten Wesen sind, die existieren.

Wäre das Christentum widerlegt?

Auf die Gefahr hin, mich zusammen mit Herrn Professor Kreiner in die Verrückten-Ecke stellen lassen zu müssen: Es ist sinnvoll, dass auch Theologen darüber nachdenken, welche Konsequenzen das haben könnte! Es klingen nämlich  einige wichtige Fragestellungen an, wenn man einmal annimmt, dass wir als intelligente Lebewesen nicht alleine sind. Denn wie ist dann die Schöpfung zu verstehen – kann der Mensch weiterhin die Krone der Schöpfung sein? Kann er alleiniges „Ebenbild Gottes“ sein? Wie ist das „Erlösungswerk Christi“ dann zu verstehen? Wären Außerirdische auch „erlösungsbedürftig“ – und wie hätte man sich das vorzustellen? Oder müssten wir schlicht sagen: Wenn Außerirdische existierten, wäre das Christentum widerlegt?

Die Frage nach Außerirdischen berührt den Kern des christlichen Glaubens. Eine mögliche Lösung der „Außerirdischen-Problematik“ findet sich in der Frage, wie wir die Offenbarung Gottes verstehen. Kreiner verweist auf religionstheologische Aspekte und sagt:

Die entscheidende Frage ist, „Offenbarung“ so zu denken, dass sie auch außerhalb des Christentums möglich ist. Insofern ähnelt dieses Problem dem Problem, wie wir andere irdische Religionen interpretieren. […] Nur in etwas größeren Dimensionen.

Und hier sind wir in einem Bereich, der im Christentum schon von Anfang an theologisch beackert wird – und der unserem Denken deshalb sehr viel näher liegt als die Sache mit den Außerirdischen. Doch im Prinzip ist es tatsächlich eine ähnliche Sachlage. Die Existenz von Außerirdischen wäre dann ein Problem für diejenigen, die ihren Glauben strikt exklusivistisch auslegen und behaupten: Es gibt keine Offenbarung Gottes außerhalb des Christentums. Um ein wenig Stellung zu beziehen: Ich halte das für eine äußerst kurzsichtige und problematische Interpretation. (Werner Gitt wäre zum Beispiel ein radikaler Vertreter dieser These. Sein Buch „Und die anderen Religionen?“ beschreibt erschreckend genau, was „Exklusivismus“ bedeutet. Leider meint er das alles ernst.) Wer so denkt, würde auch die Frage „Müssten wir Aliens taufen?“ zweifelsohne bejahen müssen. Denn: Nur Christen werden errettet, wer anders glaubt, lebt, denkt (warum auch immer, ob aus eigener Entscheidung oder nicht), schmort in der ewigen Verdammnis. Sprich: Wir müssten die Aliens zu Christen machen.

Doch es gibt auch Interpretationsmöglichkeiten, die aus christlicher Sicht kein Problem mit Aliens oder anderen Religionen haben. Sehr verkürzt: Wer anerkennt, dass Gott sich in unserer Welt offenbart und von Menschen bezeugt werden kann (= aus christlicher Sicht z. B. in der Bibel), letztlich aber in seiner ganzen, vollkommenen Größe für uns Menschen unverfügbar bleibt – der kann auch nicht ausschließen, dass Gottes Offenbarungen auch außerhalb einer bestimmten Religion zu finden sind. (Die ganze Debatte hier auch nur anzureißen, würde den Rahmen sprengen.)

Insofern könnte man fast hoffen, dass wir bald auf intelligentes außerirdisches Leben stoßen. Es könnte sehr spannende theologische Auseinandersetzungen
zur Folge haben. Es würde aber auch nicht schaden, solche Diskussionen schon vorher – vielleicht gerade in einer solchen Zuspitzung? – zu führen. Schließlich haben sie konkrete Auswirkungen darauf, wie wir z.B. mit unseren muslimischen, buddhistischen oder hinduistischen Geschwistern umgehen.

Berlin, Neukölln: Jesus, Shiva und der Bio-Buddha

Bei einem Stadtspaziergang kann man viel entdecken. Ich habe Buddhas Bioladen gefunden, mehrmals Jesus getroffen und erfahren, dass mich Shiva liebt. Für Theopop war ich in Berlin unterwegs und habe über die vielen Begegnungen mit Religion gestaunt.

Die religiöse Vielfalt an Hauswänden, Litfasssäulen oder in Schaufenstern scheint ein ganz eigenes Gespräch der Religionen zu führen. Die einen sehen den emeritierten Papst im Zusammenhang mit Homophobie, andere denken, Hoffnung auf den Segen der mexikanischen Götter könnte unsere Reiseplanung beeinflussen. Und wieder andere wollen einfach nur religiöse Bedarfsartikel verkaufen. Dies alles zusammengenommen ergibt ein ziemlich buntes Bild darüber, wie aktuell Religion in der Stadt ist.

Was glaubt deine Stadt? – Ein Mitmach-Fotoprojekt

Unsere Idee ist, auf Theopop eine Bildersammlung zu genau diesem Thema zu starten: Wie religiös ist deine Stadt? Und: Wie ist deine Stadt religiös? Dabei soll es nicht um alte Kirchengebäude gehen, sondern um Dinge, die sich jenseits institutionalisierter Religionen abspielen.

Auf den ersten Bildern, die ich in Berlin-Neukölln aufgenommen habe, zeigt sich schon eine religiöse Vielfalt – und ganz unterschiedliche Meinungen, die mal zueinanderpassen, mal einander widersprechen. Ein interreligiöser Dialog in Bildform, sozusagen. Oder zumindest ein Anfang davon.

Damit es auch wirklich zu einem Gespräch wird, laden wir euch herzlich dazu ein, über die Bilder zu diskutieren. Nutzt die Kommentarfunktion, um eure Gedanken und Fragen zu einzelnen Bildern loszuwerden!

Zur besseren Übersicht sind die Bilder in einem Stadtplan verlinkt, der vielleicht irgendwann zur Deutschlandkarte wird. Wir werden weitersammeln und wir würden uns vor allem freuen, wenn auch ihr mitmacht! Schickt uns einfach eure Bilder aus eurer Stadt (oder eurem Dorf) und schreibt dazu, wo ihr sie aufgenommen habt. Ein passendes Kontaktformular dazu findet ihr hier.

Zu der Projekt-Seite – und damit zu den Bildern – kommt ihr hier.

Unter’m Strich – Die Auswertung zur Blogparade

Das eigene Surfverhalten hinterfragen – das war zumindest ein Ziel der Blogparade, die ich vor einigen Wochen ausgerufen habe. Das Echo war verhalten, aber immerhin sechs Blogs haben sich beteiligt – vielen Dank dafür! Die Beiträge waren allesamt sehr interessant. Es hat viel Spaß gemacht!

Statt einer trockenen Auswertung habe ich mir etwas anderes überlegt. Denn wer sich wirklich ausführlich informieren will, kann ja einfach die Beiträge alle selbst lesen – das lohnt sich auf jeden Fall! Sie sind im Ursprungs-Artikel der Blogparade verlinkt.

Als Abschluss der Blogparade habe ich eine Grafik erstellt, die die Beiträge der Teilnehmer aufgreift. Vor allem in Zitaten. Diese können und sollen zu Nachdenken anregen – und vielleicht sogar Stoff für Diskussionen liefern. Wem die Grafik unten zu klein ist, hier gibt es sie größer. Alternativ könnt ihr auch auf das Bild klicken.

Here you go:

Auswertung Blogparade

Die bloggende Akademie

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Wenn sich Institutionen und Einrichtungen neuen Medien öffnen, dann ist das begrüßenswert. Viel zu oft hält man an alten Strukturen fest, viel zu selten traut man sich, Neues zu wagen. An dieser Stelle soll die Gelegenheit genutzt werden, ein neues Projekt vorzustellen. Die Evangelische Akademie Bad Boll will einen neuen Weg beschreiten: Es soll gebloggt werden.

Die Themen, die an Evangelischen Akademien über’s ganze Land verteilt diskutiert, vorgetragen und behandelt werden, sind oft von gesellschaftsrelevanter Bedeutung. Umso trauriger ist, dass sie häufig nur in einem relativ kleinen Kreis wahrgenommen werden. Das liegt – sicher nicht nur, aber auch – daran, dass es keine Möglichkeit gibt, sich an Diskussionen zu beteiligen oder herauszufinden, über was gesprochen wurde, wenn man nicht selbst vor Ort ist oder war.

Im Auftrag der Evangelischen Akademie Bad Boll werde ich deshalb dieses Wochenende (7.-9. März 2014) bei der Tagung „Ändern ist leicht, bessern ist schwer“ als Blogger tätig sein. Die dreitägige Veranstaltung Tagung erörtert die Frage, wie es um die Zukunft der Demokratie steht – und fragt: Brauchen wir eine neue Reformation der Gesellschaft? Unter akademie.andblog.de  werden Beiträge erscheinen (auch bereits jetzt im Vorfeld), die die Inhalte, Fragestellungen und „Ergebnisse“ der Tagung festhalten und zur Diskussion freigeben sollen. Es sind hochkarätige Redner und Diskutanten vor Ort – neben renommierten Professoren sprechen auch z.B. der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann und der württembergische Landesbischof Otfried July. Die Beiträge auf dem Blog sollen zum Mitdenken und niedrigschwelligen Mitdiskutieren anregen – das Projekt richtet sich ausdrücklich vor allem an Interessierte, die nicht an der Tagung selbst teilnehmen.

Ich bin gespannt, wie es funktionieren wird. Erfahrungsgemäß braucht es viel Geduld und einige Anlaufzeit, bis solche Dinge ins Rollen kommen. Ich lade euch herzlich dazu ein, das Projekt mitzuverfolgen und eure Meinungen und Diskussionsbeiträge zu den Texten auf dem Akademie-Blog einzubringen.

Und wer weiß – sollte dieses Projekt einigermaßen erfolgreich sein, bleibt es hoffentlich nicht das letzte. Der Blog, den ich eingerichtet habe, bietet auf jeden Fall noch Raum für deutlich mehr. Das Auftakt-Thema jedenfalls ist – wie ich finde – wichtig und interessant. Besonders empfehlenswert ist der bereits auf dem Blog veröffentlichte Text des Politikwissenschaftlers Gary Schaal, der warnt: Schon in 20-30 Jahren könnten wir in Europa eine Staatsform haben, die man aus heutiger Sicht nicht mehr als demokratisch bezeichnen würde.

Fastet fast – und redet darüber!

390520_web_R_K_B_by_Rainer Sturm_pixelio.deFasten ist „in“. Da besteht kein Zweifel – zum Fasten braucht es nicht einmal religiöse Motive. Glaubt man Umfragen, will jeder zehnte Deutsche in den kommenden sieben Wochen auf etwas verzichten: Alkohol, Zigaretten, Süßigkeiten, Sex. Auch Organisationen wie der BUND nutzen die Fastenzeit, um zum Verzicht aufzurufen – in diesem Jahr zum Verzicht auf Plastik. Mit Religion hat das dann gar nichts mehr zu tun. Vielmehr wird die Zeit des Fastens dazu genutzt, Menschen aufzurufen, etwas Gutes zu tun – in letzterem Fall für die Umwelt. Ähnlich auch die vom Bayerischen Rundfunk vorgestellten Fasten-Vorhaben dreier Personen im vergangenen Jahr. Die Reihe „Fasten für Fortgeschrittene“ stellt dort vor: Facebook-Fasten, Hartz-IV-Fasten (sieben Wochen mit 2,50 € am Tag – aus Solidarität), CO2-Fasten.

In einem kritischen Beitrag auf seinem Blog mit dem Titel „Vom Fasten fasten. Eine Kritik“ schreibt Christoph Hübener:

Manchmal kommt es mir vor, als könne man sich damit auf so einen kleinen Ablasshandel einlassen, dessen Größenordnung sich zudem noch selbst(gefällig) festlegen lässt: der eine isst sieben Wochen keinen Apfel mehr, der andere verzichtet (!!!) sieben Wochen auf irgend einen Internet-account. Super.

Wir suchen uns vorsichtig ein kleines bisschen Konsum aus, ohne das wir für vierzig Tage gefahrlos leben können. Wir nennen es lauthals und bunt *Verzicht* und führen damit den Begriff ad absurdum.

Ich vermute: Was wirklicher Verzicht ist, können wir kaum noch ermessen.

Und weiter unten:

Es nutzt mir nichts, wenn ich mich vierzig Tage von Dingen trenne, die mir gut schmecken oder die mir bereichernd Freude machen. Damit besänftige ich mich nicht mal. Und anderen nutzt das auch nicht.

Es geht um etwas anderes: darum, sich treu zu sein.

Auch wenn ich ihm grundsätzlich zustimme, dass das Fasten kein Selbstzweck sein kann, wir uns nicht hinter „Worten und Ritualen verstecken“ müssen und es letztlich auf das „Gesamtpaket“ ankommt – ich muss dem doch etwas entgegnen. Ich verstehe obige Kritik des Fastens als Diskussionsanstoß, den ich kurz in zwei Punkten aufnehmen möchte (und natürlich zum Weiterdenken & Diskutieren einlade):  

1. Verzichten ist relativ. Natürlich sind jene Dinge, auf die Menschen in Mitteleuropa zur Fastenzeit verzichten (Fleisch, Alkohol, Süßigkeiten,… etc.) verglichen zu dem, auf das andere Menschen tagtäglich verzichten müssen, lächerlich. Aber was heißt „verzichten“ – und was ist „wahrer Verzicht“? Ich glaube, „Verzichten“ kann nicht allgemeingültig definiert werden. Was verzichten bedeutet, wird subjektiv festgelegt – ergo weiß auch nur jeder für sich selbst, was „Verzicht“ für ihn oder sie heißt. Die Vorstufe davon muss sein, dass man sich hinterfragt: Was ist mir so wichtig geworden, dass es mir wirklich schwer fällt, mich davon zu trennen? Das kann nicht „von außen“ entschieden werden. Und dafür brauche ich auch keine Religion und keine Rituale.

2. Fasten heißt nachdenken. Nämlich darüber, was mir im Leben wichtig ist. Es ist natürlich schade, wenn dies nur in der Fastenzeit geschieht (so verstehe ich auch obige Kritik). Ich glaube auch, dass zur eigenen Authentizität gehört, sich immer wieder dieser Frage zu stellen. Aber ist es nicht zunächst einmal gut, wenn dies überhaupt geschieht – dass dieser Fastengedanke weitere Kreise zieht? Dass er auch bei nicht-religiösen Menschen angenommen wird? Das zeigt doch, dass hier eine Sehnsucht getroffen wird, ein Wunsch danach, auch über sich selbst, sein Verhalten und sein Leben nachzudenken. Das gilt doch auch, wenn es dabei nur um scheinbare Banalitäten wie den Konsum von Süßigkeiten geht. 

Und so würde ich sagen: Doch, es nutzt, sich vierzig Tage von Dingen zu trennen, die gut schmecken oder Freude machen. Weil es dazu herausfordert, sich zu fragen: Warum? Auch wenn das Fasten, das heutzutage so verbreitet ist, mit Blick auf den ursprünglichen Kontext eher ein „fast Fasten“ ist. Ich halte es für begrüßenswert, dass das Fasten „in“ ist. Denn  so kann man mit anderen darüber reden. Egal, ob man tatsächlich auf etwas verzichtet – oder Fasten fastet.

Der Kampf des Kreuzes – gegen Strichcodes

Im Küchenregal gefunden: Einen neutralisierten Strichcode bei einem Tee der Firma "Sonnentor". (Bild: fm/Theopop)
Im Küchenregal gefunden: Den neutralisierten Strichcode bei einem Tee der Firma „Sonnentor“. (Bild: fm/Theopop)

Verschwörungstheorien haben im Internet-Zeitalter Hochkonjunktur. Und es wäre durchaus einmal einen eigenen Beitrag wert, sich solche Theorien genauer anzuschauen – denn schon auf den ersten Blick sind da religiöse Züge erkennbar: Eine kleine Gruppe Eingeweihter kennt die „Wahrheit“, die aber von Ungläubigen bekämpft wird. Rationale Argumente werden nicht zugelassen, sondern im Gegenteil als geradezu satanischer Versuch gedeutet, die Wahrheit zu verschleiern und die Menschheit zu täuschen.

Eine – besonders amüsante – Verschwörungstheorie ist diejenige über die Schädlichkeit von Barcodes. Wo genau das seinen Ursprung hat, verschleiern die Weiten des World-Wide Web. Die Seite der Stiftung Warentest hält aber fest:

In Internetforen kursiert das Gerücht, Barcodes auf Lebens­mittel­verpackungen seien gefähr­lich: Die schwarzen, senkrechten Striche sollen wie eine Antenne wirken. Diese Antenne lade das Produkt mit negativer Energie auf – und dies schade der Gesundheit. Besonders schlimm sei die Strahlung an der Kasse: Wird das Produkt über den Lasers­canner gezogen, soll sich die negative Energie angeblich noch verstärken.

Das führt sogar soweit, dass einige Hersteller inzwischen „Entstörungslinien“ auf Barcodes drucken, um verängstigte Kunden zu beruhigen: Sonnentor oder der Hersteller des Rotbäckchen-Safts zum Beispiel. Dabei wird der Barcode durch eine waagerechte Linie „neutralisiert“ (siehe Bild). Sonnentor hat eigens dazu sogar eine Pressemitteilung verfasst. Darin heißt es:

Wir entstören als besonderen Kundenservice die EAN-Codes auf den Produktpackungen unseres Sortiments mit einem Querstrich.

Das Unternehmen betont in der Mitteilung auch, dass es der angeblichen Wirkung der Barcodes „neutral gegenüberstehe“ und „keine Ängste schüren“ wolle. Man bleibt etwas ratlos zurück: Was nun – schwarz oder weiß? Natürlich ist solches Wischiwaschi-Gerede der einfachste Weg, solchen Ängsten der Kundschaft zu begegnen. Und es passt auch zu der Firma, die entsprechend angehauchte Kundschaft binden  will. Ferner  ist auch nicht auszuschließen, dass es auch bei Sonnentor selbst Sympathisanten dieser vermeintlichen Barcode-Verschwörung gibt. Offiziell bleibt man jedoch „neutral“, um nicht für verrückt gehalten zu werden. Was soll man dazu sagen? [Update 16.33 Uhr: Im Juli 2013 hat Sonnentor einen Rückzieher gemacht und die „Entstörung“ aufgegeben. Siehe Kommentare zu diesem Artikel.] [Update 9.April 2014: Offenbar gibt Sonnentor aber weiterhin Tipps an besorgte Händler, wie man die Codes entstören kann. Siehe hier.]

Entweder Jesus oder der Hildegard-Orgonakkumulator

Doch nicht nur neutralisierende Querstriche sollen gegen die schädliche Strahlung helfen. Anhänger der Sekte „Fiat Lux“ wollen auf Nummer sicher gehen, und haben deshalb eine ganz spezielle Abwehr entwickelt. Welche, erklärt die nette junge Dame in dem folgenden kurzen Video:

Das Kreuz „gegen die Wirksamkeit des von Menschengeist kreierten Strichcodes“. Wenn ich mir dieses Video anschaue, fallen mir spontan noch andere Dinge ein, die ich gerne überkleben würde. 

Vollends den Rest gab mir schließlich die unten verlinkte kurze Spiegel-TV Reportage. Mit Erschrecken stellte ich fest, dass diese Barcode-Geschichte auch eine riesige Geldmaschine ist. Wäre es nicht so traurig, könnte man herzlich drüber lachen (gut, kann man vielleicht trotzdem): Es gibt sogenannte „Hildegard-Orgonakkumulatoren“, mit denen man Lebensmittel wieder energetisieren kann, die (u. a.) aufgrund des Barcodes eine schlechte Strahlung haben. Schon für schlappe 1250 Euro (!) kann man sich so ein Teil bei Amazon bestellen. Und was mich doch ein wenig schockiert hat: Über 170 Leute haben dies bereits getan, glaubt man den Bewertungen in dem Online-Shop. [Update: Das stimmt so nicht, die Rezensenten haben das Teil offenbar nicht gekauft, schaut man sich die Bewertungen gründlich an. Es ist aber sehr amüsant. Vgl. Kommentare] 

„Pocket Voodoo“ im Test: zum Fürchten!

Vor einiger Zeit gab es bereits drei kuriose religiöse Smartphone-Apps im Test bei Theopop. Doch es ist ja nicht so, dass es nur drei kuriose Smartphone-Apps gibt, die etwas mit Religion zu tun haben. Und weil es durchaus ganz amüsant ist, sich solche Dinger genauer anzuschauen, kommt hier ein Nachschlag (vielleicht nicht der letzte). Heute im Theopop-Test: Die Android-App „Pocket Voodoo“.

Aus der Beschreibung

In der App-Beschreibung heißt es:

Eine Voodoo-Puppe, in der Voodoo-Religion verwendet, repräsentiert den Geist einer bestimmten Person als Folge eines speziellen Ritual. Nach der Zeremonie hat der Besitzer die Möglichkeit, die Person in Übereinstimmung mit seinen Wünschen und Vorstellungen zu beeinflussen, mit Hilfe eines Voodoo-Puppe als Vermittler. Die Applikation wird Ihnen helfen, Hexerei Fähigkeiten zu meistern. Für alle, die nach einem Heilmittel sucht, um Stress zu reduzieren!

Abgesehen davon, dass die Übersetzung des Textes ganz offensichtlich von unserem Freund Google-Translator übernommen wurde, hört sich das doch ganz gut an. Ein Heilmittel zur Stress-Reduktion. Hexerei-Fähigkeiten. Die Möglichkeit, Vorstellungen und Handlungen anderer Personen zu beeinflussen. Das ist doch mal eine Ansage! Und ich brauche nicht einmal eine echte Voodoo-Puppe, das digitale Pendant mit draufgepinntem Bild tut’s auch.

Die Testperson

(Screenshot Pocket Voodoo/fm/Theopop)
(Screenshot Pocket Voodoo/fm/Theopop)

Ich bin ja ein freundlicher Zeitgenosse, anderen Menschen tue ich – in der Regel – nicht gern weh. Mit wem als „Puppe“ soll ich die App also testen? Die Lösung liegt auf der Hand: mit mir selbst. Das hat nicht nur den Vorteil, dass ich eventuell aufkommende Schmerzen nur mir zufüge. Es bietet auch die Möglichkeit, die Auswirkungen sofort zu überprüfen. Perfekt! Das Selbstbildnis ist  per app-interner Funktion rasch gemacht und auf den Kopf der virtuellen Puppe gepinnt. Aspirin, Paracetamol und diverse andere Schmerzmittel liegen für den Ernstfall bereit. Der Test kann beginnen.

Aus den Lautsprechern meines Smartphones dringen gruselige Hintergrundgeräusche, ein langezogenes „Aaaoooooooohhhhhh“, mit Halleffekten versorgt, soll die richtige Stimmung bringen. Klappt nicht so richtig. Ich habe vier Möglichkeiten, die Puppe zu malträtieren: durchschütteln, mit Nadeln pieksen, anzünden (per Feuerzeug) und anschreien. Legen wir mal los.

Die grausame Schüttel-Folter

Das Durchschütteln funktioniert ganz simpel: Per Touch-Steuerung schwurbelt die Puppe über das Display, je schneller, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass ihr diverse Extremitäten abgerissen werden. Als schließlich Arme und Beine separat über den Bildschirm flitzen, wage ich einen Kontrollblick. Alles noch dran. Den Kopf lasse ich dennoch vorsichtshalber auf der Puppe. Man weiß ja nie.

Fazit: Vielleicht treten die Nebenwirkungen ja mit Verzögerung ein. Arme und Beine sind schließlich im Laufe der Zeit ganz gut an meinen Körper angewachsen.

Das gnadenlose Nadel-Pieksen

Wechsel in den Nadel-Modus. Da bin ich Einiges gewöhnt: Impfen, Blutspenden, Akupunktur, Kakteen – alles schon dagewesen. So leicht kann mich also nichts schocken. Da Arme und Beine schon weg sind (d.h. die Nervenstränge der Puppe bereits abgetrennt sind und dort dann nichts spürbar wäre), platziere ich die Nadeln zielgerichtet im Bauch und auf dem Kopf (Augen, knapp verfehlt). Eine schmerzliche Erinnerung an Seitenstechen im Sportunterricht durchfährt mich. Doch dabei bleibt es. Auch mein Augenlicht ist noch da – aber diese Nadeln waren ja auch nicht präzise platziert.

Fazit: Vielleicht habe ich die Voodoo-Energiemeridiane verfehlt, anders kann ich mir diesen Misserfolg nicht erklären.

Die Feuerprobe

Jetzt wird’s heiß. Das Feuer kommt zum Zug. Schon vor der ersten Brandwunde wird mir so richtig warm um’s Herz: Feuer, das ist doch etwas durch und durch romantisches! Ich rieche den Rauch, höre das Knistern des trockenen Holzes am Lagerfeuerplatz, sehe die Funken, die sich flüchtig in die Nacht verabschieden. Hach, wie schön.

Fazit: Der leichte Rauchduft kommt nicht aus meinem Handy, sondern aus unserem Kachelofen.

Schreien – volle Kanne!

In dieser gemütlichen Atmosphäre steht nun die letzte Folter an: schreien. Und das kann wirklich grausam sein. Ich wappne mich (Ohropax liegt bereit) – und drücke den entsprechenden Button. Es passiert nichts. Auf dem Bildschirm erscheint ein Zeichen, das mich an RSS-Feeds erinnert. Es soll wohl Lautstärke symbolisieren – mein Smartphone aber schweigt. Dann dämmert es mir: Natürlich, ich muss selbst schreien! Also, Ohropax rein und los. Tatsächlich, es funktioniert. Ich höre laut und deutlich alles, was ich meinem Puppen-Alter-Ego an den Kopf werfe. Und gleichzeitig bin ich sauer darüber, wie man mich nur so unverschämt beschimpfen kann.

Fazit: Wow, bin ich fies zu mir!

Alles (noch) da, aber nicht jugendfrei

Das war ganz schön anstrengend, eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Ich bin etwas beruhigt, dass Arme und Beine noch dran sind. Das werde ich genießen. Bei der Akupunktur-Folter kann ich nicht ausschließen, dass ich eventuell vorhandene Meridiane verfehlt habe, mit Voodoo kenne ich mich nicht besonders gut aus. Eine entsprechende Erklärung in der App gibt es leider nicht. Beim Feuer war ich etwas abgelenkt.

Wirklich gut funktioniert hat das Anschreien. Ich bin etwas baff, dass doch was dran zu sein scheint an dieser Voodoo-App. Und unter Umständen sind da Ausdrücke zu hören, die ganz sicher nicht jugendfrei sind.

Das Gesamtfazit also: Für diese App sollte es eine Altersbeschränkung geben, wegen der Schrei-Funktion. Der Rest scheint harmlos zu sein. Auch der Kopf, den ich mir schließlich doch noch abgerissen habe, ist noch gggggggggggggggy#kNjvh.hk.kbE’asffffffffffffffffffffffffffffffffy:

Die Losungs-App wird kostenlos: der Erfolg der Nutzer

Die Losungs-App der Brüdergemeine. (Bild: Screenshot/fm/Theopop)
Schick, aber bislang nicht gut. Das wird sich – laut Anbieter – ändern. (Screenshot: fm/Theopop)

Anfang des Jahres war der Aufschrei groß – nicht nur hier auf dem Blog regte sich Widerstand gegen das Vorgehen der Herrnhuter Brüdergemeine, die künftig die Losungen auf mobilen Geräten nur noch kostenpflichtig (und technisch schlecht umgesetzt) anbot und durch den Entzug von Lizenzen bisherigen Freeware-Anbietern das Wasser abdrehte.

Über einen Monat ist das nun her. Bislang schwiegen die Herrnhuter zu dem Protest, auf der Homepage wurde lapidar verkündet, eine „Arbeitsgruppe bei der Kirchenleitung“ kümmere sich angesichts des enorm schlechten Feedbacks um das Problem. Dann passierte nichts. Unter der angegebenen Support-Email konnte man zwar Dampf ablassen, doch der löste sich in Luft auf – eine Antwort erhielt man nicht (zumindest weder ich noch irgendjemand sonst, mit dem ich in Kontakt trat – und es waren einige).

Ab Ostern alles beim Alten? Nicht ganz.

Umso überraschter nahm ich gestern die Nachricht in meinem Postfach auf: Die Herrnhuter haben geantwortet, offenbar in einer Massenmail an alle, die dem Support geschrieben hatten. Die Antwort macht Hoffnung. Die entscheidenden Absätze sind folgende:

Ihre Anregungen haben zu umfangreichen Beratungen und zu Entscheidungen geführt, die einerseits technische Verbesserungen in die Wege geleitet haben, und andererseits folgendes Ergebnis erzielten: Alttestamentliches Losungswort und neutestamentlicher Lehrtext sollen – als exklusives Angebot seitens der Herausgeber – nun wieder als Freeware angeboten werden. Die Bereitstellung wird etwa zu Ostern 2014 zu erwarten sein. […] Die Vollversion und weitere Funktionen sind dann kostenpflichtig hinzu zu kaufen.

Zum gleichen Zeitpunkt sollen beide Angebote (Freeware-Version und Vollversion mittels In-App-Kauf) der Losungs-App auch für Nutzer der Windows-Phone-Systeme zur Verfügung gestellt werden können. Für Nutzer der Blackberry-Geräte kann noch keine Aussage getroffen werden. – Bitte beobachten Sie unter www.losungen.de wann die entsprechenden Versionen bzw. Updates zur Verfügung stehen.

(den kompletten Text der Email hat bereits Tobias Lampert auf seinem Blog veröffentlicht)

Das Widget kommt

Um Ostern 2014 (ob die Parallele zur Auferstehung beabsichtigt ist? :-)) dürfen Nutzer also mit (1.) technischen Verbesserungen der App rechnen und (2.) mit einer kostenlosen Versionen der Losungen und Lehrtexte, wie sie bislang auch über Freeware-Apps verfügbar war.

Zu (1.): Wie genau diese technischen Verbesserungen aussehen, bleibt offen. Ich habe nochmal beim zuständigen Pfarrer, Michael Salewski,nachgehakt. Er bestätigte mir, dass eine „Widget-Funktion mit in Auftrag gegeben worden“ sei – deren Fehlen war einer der größten Kritikpunkte vieler Nutzer. Bei einer eventuellen Notizfunktion sei die Sache noch unklar. Aber auch die könnte seinen Angaben zufolge kommen, wenn auch nicht gleich mit dem ersten Update.

Zu (2.): Schön, dass die Brüdergemeine hier Einsehen zeigt. Die Losungen und Lehrtexte bleiben Freeware. Allerdings mit der Einschränkung, dass sie nur über die Herausgeber , also über die Herrnhuter, vertrieben werden darf. Kostenlose Losungs-Apps von ehrenamtlichen Drittanbietern – wie bisher – wird es also auch künftig nicht mehr geben.

Ein lehrreiches Unterfangen?

Man hätte sich in Herrnhut viel Ärger ersparen können, wäre man von vorneherein in einen konstruktiven Dialog mit Nutzern und Anbietern bisheriger Losungs-Apps getreten. Was nun am Ende – hoffentlich! – dabei herauskommt, ist eine vernünftige Lösung. Zwar wird es weiterhin keine Dritt-Apps mehr geben, aber es ist auch verständlich, dass die Herrnhuter die Losungen auf mobilen Geräten stärker an ihre „Marke“ binden wollen und auf ein exklusives Veröffentlichungsrecht bestehen. Zudem hat man nun schon teuer eine App entwickelt – klar, dass die auch genutzt werden soll (und zugegeben: hübsch sieht sie ja aus).

Die Lösung, Losungen und Lehrtext kostenlos anzubieten und den vollen Umfang eines Losungsbüchleins per In-App-Kauf freizuschalten, ist das, was man von vorneherein hätte tun sollen. Die Welle der Empörung und Kritik wäre dann, ziemlich sicher, einfach ausgeblieben. So gilt nun: Das Vertrauen, dass die Herrnhuter Brüdergemeine auch in Sachen App-Entwicklung von Beginn an hätte genießen können, müssen sie sich jetzt erarbeiten. Ich wünsche mir, dass ihnen das gelingt.