„Monster“ – und der Satan kann kein Hebräisch

(Bild: The Master Shake Signal/flickr.com unter cc-by-sa)
Unleash the beast! (Bild: The Master Shake Signal/flickr.com unter cc-by-sa)

Hach, Verschwörungstheorien sind toll. Das heißt: Sie sind es, solange man sich darüber lustig machen kann. Leider gibt es auch einige, die durchaus äußerst problematische Züge annehmen können. Da muss man sich nur die Diskussion um Xavier Naidoo und die Reichsbürger anschauen, die es in den letzten Wochen gab.

Diese hier amüsiert mich aber irgendwie: Der (auch in Deutschland vertriebene) Energy-Drink „Monster“ soll ein fieses Werk des Satans sein. So behauptet es zumindest eine Frau in einem Youtube-Video, das gerade millionenfach geklickt wird (Stand jetzt: seit drei Tagen bei online, über 5,6 Millionen Aufrufe. Auf Facebook soll das Video bereits über 8 Millionen Abrufe verzeichnen). Ich will euch das hier nicht vorenthalten:

 

 

Die nette Frau in dem Video erklärt ausführlich, wie der Satan durch besagtes Dosengetränk versucht, unbemerkt christliche Familien zu infiltrieren. Die Symbolik ist eindeutig. Vier unschlagbare Argumente:

  • Das „M“ setzt sich aus drei Zeichen zusammen, die im Hebräischen für ein „Waw“ stehen. Das ist der sechste Buchstabe im hebräischen Alphabet, hat folglich den Zahlenwert 6. Und, Achtung: deshalb steht da in Wirklichkeit „666“ – die Zahl des Satans!
  • Auf der Verpackung der Dosen werden böse Wörter benutzt. Da steht nicht nur „Big fucking can“ drauf, sondern auch das Wort „Milf„.
  • In das „O“ des Wortes „MONSTER“ hat Satan ein Kreuz hineindesignt. Wenn man aus der Dose trinkt, steht das Kreuz auf dem Kopf!
  • Der Werbespruch der Firma „Unleash the beast“ bezieht sich unmissverständlich auf Offenbarung 13,16-18 (im Englischen wird das „Tier“ hier mit „beast“ übersetzt).

Was mich am meisten beängstigt, ist, dass dieses Video schon so oft geklickt wurde – und ich die Befürchtung habe, dass viele Leute anfällig für so einen Quatsch sind. In diesem Rahmen ist das vielleicht noch harmlos, weil sich die Auswirkungen darauf beschränken werden, dass die Hersteller-Firma (die sich noch nicht zu dem Klick-Hit geäußert hat) ein paar Kunden verliert. Und wahrscheinlich viele andere gewinnt, denn das Ganze ist ja auch eine 1A Werbung für den „Monster-Drink“. Und wer weiß, vielleicht ist die Frau in dem Video in Wirklichkeit eine Monster-PR-Beauftragte.

Besonders lustig an der Sache finde ich aber, dass Satan des Hebräischen nicht besonders mächtig wäre, folgt man der Argumentation des Videos. Ich bin zwar kein Experte für hebräische Zahlensymbolik, aber „666“ würde ziemlich sicher nicht als drei aufeinanderfolgende Waws geschrieben werden (vielleicht gibt’s unter meinen Lesern Experten? Meldet euch gerne in den Kommentaren!). Normalerweise jedenfalls erechnet sich der Zahlenwert durch die Quersumme der Buchstaben. Bei drei Waws wäre das: 6+6+6 = 18! Oh Schreck!

Halloween – das Spiel mit dem Tod

(Bild: Petro Ferreira/flickr.com unter cc-by-sa 2.0)
(Bild: Petro Ferreira/flickr.com unter cc-by-sa 2.0)

Es ist wieder Halloween. Seit einigen Jahren fasst dieses Fest auch hierzulande zunehmend Fuß – von den einen scharf kritisiert, von den anderen mit Freude gefeiert. Nein, hier kommt keine Kritik an Halloween – und auch kein Loblied darauf. Die Gruselparty soll vielmehr zum Anlass genommen werden, eine andere Frage zu stellen: Verkleidet durch die Gegend zu rennen, sich ein wenig zu fürchten – das scheint irgendwie einen besonderen Reiz zu haben. Aber warum ist das so?

Freilich – mit Blick auf den Erfolg von Halloween könnte man auch recht oberflächlich antworten: Der Eventcharakter macht’s, die Tatsache, dass es ein weiteres Fest gibt, an dem man einfach mit Leuten durch die Kneipen und um die Häuser ziehen kann. Doch vielleicht ist es nicht so einfach – und das Gruseln hat einen viel tieferen Charakter.

Das durchweg prägende Motiv ist die Gefahr für Leib und Leben: der Tod. Richtige Furcht durchfährt einen, wo der Tod plötzlich ganz präsent wird. Freilich kommt für das „genüssliche“ Gruseln ein weiterer Aspekt hinzu: die Gewissheit, dass man in Sicherheit ist. Fehlt dieser letzte Aspekt, dürfte es wohl schwer fallen, das Fürchten auch irgendwie zu genießen. An Halloween – oder beim heimischen Horror-DVD-Abend – ist klar: Es kann mir nichts passieren. Es sind alles nur Gedankenspiele. Mit dem Tod.

Der Axtmörder wirft existenzielle Fragen auf

Diese Gedankenspiele stehen dem diametral entgegen, was wir so tagtäglich an uns heranlassen. Über den Tod (oder zumindest über das Sterben) wird derzeit zwar wieder geredet. Das Thema wird sogar breit debattiert, wenn es um die Sterbehilfe geht. Stets mit dem Fokus auf das „selbstbestimmte Sterben“. Daran zeigt sich, wovor offenbar eine große Angst besteht: vor dem Sterben, das man sich nicht selbst heraussuchen kann. Dem man einfach ausgeliefert ist.

Genau solche Ängste bedienen Horrorfilme, Gruselgeschichten und auch Halloween auf eine spielerische Art und Weise. Denn wie könnte man fremdbestimmter Sterben als durch einen Axtmörder? Existenzielle Fragen ziehen in die Popkultur ein, ohne dass man sie zu Ernst nehmen muss. Vielleicht sogar, ohne das man sie zu Ernst nehmen darf. Ist die populäre Kultur hier vielleicht doch so oberflächlich, wie man es ihr zuweilen vorwirft? Es werden zwar menschliche Urängste angesprochen – aber wehe, man reflektiert sie! Damit wäre der Spaß verdorben.

Und noch ein Weiteres: Vielleicht ist der spielerischen Umgang mit dem Tod zu Halloween und anderen Gelegenheiten zudem deshalb so attraktiv, weil wir dabei den Spieß umdrehen. Wir beherrschen plötzlich den Tod, wir schlüpfen sogar kurzzeitig in die Rolle des Todes selbst, mit Sense oder als Zombie. Wir tun so, als wären wir die Bösen und jagen anderen eine „Todes“angst ein. Für kurze Zeit wird in den Hintergrund gedrängt, dass die Rollen in Wirklichkeit anders verteilt sind.

Ich Supergott im Internet

(Bild: theopop.de)
(Bild: theopop.de)

„Das Smartphone ist mein externes Gehirn“, sagte einmal ein Bekannter. Und in der Tat: Den Stellenwert eines Körperteils, das man besser nicht vergessen sollte, hat es bei vielen schon lange inne. Ob in der U-Bahn, an der Bushaltestelle oder an der Kasse im Supermarkt – das „schlaue Telefon“ ist immer griffbereit. Und nicht nur das. Es wird auch exzessiv genutzt, in jeder freien Minute. So manch einer scheut nicht einmal davor zurück, beim abendlichen Bier mit Freunden im Fünf-Minuten-Takt seine Emails zu checken.

Doch das Smartphone an sich wäre gar nicht mehr als ein einfaches Telefon, gäbe es nicht das Internet, das uns immer und überall umgibt. Der Kommunikationstheoretiker Marshall McLuhan hat schon vor 50 Jahren – lange, bevor das Internet im Gespräch war – Medien als Erweiterungen unserer Sinne bezeichnet. Das Internet bewahrheitet diese Beschreibung wie kein anderes Medium zuvor. Mehr noch: Es ist zu einem unpersonifizierten Gott geworden, der uns immer und überall umgibt. Der alles weiß. Der immer da ist, wenn wir unsere Sorgen loswerden wollen – dank Smartphone, Google Glass oder der iWatch haben wir  jederzeit die Möglichkeit, mit diesem Gott zu kommunizieren.

Das Medium Internet erweitert nicht nur unsere Sinne. Es ist zu einem Teil unseres Alltags geworden – und vielleicht bereits zu einem Teil unserer Identität. Wir selbst bekommen Fähigkeiten, die man zweifelsohne als göttlich bezeichnen kann.

Google ist schneller

Wir sind allgegenwärtig. Der Kurznachrichtendienst Twitter etwa lässt uns – ob mit Text, Video oder Bild – an Geschehen an jedem beliebigen Ort der Welt teilhaben. Wir können problemlos mit den Menschen vor Ort kommunizieren: Gefühle, Eindrücke und Gedanken sind nur einen Mausklick entfernt. Livestreams nehmen uns mit hinein in Großveranstaltungen auf anderen Kontinenten, und Video-Chats ermöglichen uns, sich an Heilig Abend bei unseren Verwandten in Amerika einzuklinken.  Die Vernetzung der Welt ermöglicht uns, an jedem beliebigen Ort zu sein. Wenn auch nicht körperlich, so doch mit den meisten unserer Sinne.

Wir sind allwissend. Früher war Wissen teuer und nicht sofort verfügbar. Schwere Bücher mussten gekauft, geschleppt und gelesen werden. Heute reicht es, in das Mikrofon des Smartphones zu fragen, wer der erste Bundeskanzler war. Es wird zunehmend zur Zeitverschwendung, sich Informationen dauerhaft anzueignen.  Bis die Synapsen im Gehirn sie  wieder preisgeben, hat auch Google schon geantwortet.

Das Internet besitzt folglich nicht nur selbst wesentliche Attribute des Göttlichen, es gibt sie auch an uns weiter. Das ist eine große technologische Errungenschaft. Auch wenn die einzelnen Aspekte freilich nicht in ihrer Gänze erfüllt werden, so werden uns Menschen doch  viele Dinge ermöglicht, die bisher in den Bereich der Science-Fiction fielen.

Sind wir überfordert?

Schon bevor wir das richtig realisiert haben, werden aber erste Verfallsmerkmale sichtbar: Wir sind als Götter überfordert. Menschen verzweifeln, weil wir zum Beispiel mit der Allgegenwart nicht umgehen können. Etwa im Falle eines pummeligen Jugendlichen, der als „Star Wars Kid“ Internet-Geschichte schrieb: Der Junge nahm ein Video von sich beim ungeschickten Lichterschwert-Kampf auf, das nie an die Öffentlichkeit gelangen sollte. Schulkameraden fanden es dennoch und verbreiteten es im Internet. Die Folge: Hohn, Spott, Mobbing und Schulwechsel. Der Teenager musste am Ende in psychologische Behandlung.

Die Allwissenheit entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Illusion: Wissen kann nicht in Datenbanken abgespeichert werden. Das Internet liefert uns nur Information. Wissen entsteht erst dort, wo diese Informationen verarbeitet, wo Zusammenhänge hergestellt und verstanden werden. Was nützt es uns, wenn wir uns durch Myriaden von Datensätzen klicken – uns aber die Fähigkeit fehlt, diese in den richtigen Kontext zu setzen und auf die richtigen Fragestellungen anzuwenden? In dieser Hinsicht ist die angebliche Allwissenheit, die uns das Internet verschafft, mehr Herausforderung als Erleichterung. Denn die Informationen, die wir einordnen müssen, haben sich vervielfacht.

Sind wir also heillos überfordert? Werfen wir bald jede soziale Interaktion in der Offline-Welt zugunsten der uns vermeintlich versprochenen Fähigkeiten über Bord, starren nur noch auf unsere Smartphone-Bildschirme? Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass wir uns auch mit vergangenen Medienrevolutionen arrangiert haben. Doch eine gewisse Bodenhaftung tut in diesem Prozess gut. Und vielleicht die Erkenntnis, dass Allgegenwart und Allwissenheit aus gutem Grund Attribute sind, die einem Gott zugeschrieben werden, der über den Dingen steht.

[Dieser Text erschien in einer leicht abgewandelten Version zuvor bereits am 26. September 2014 in der Zeitschrift Publik-Forum (18/2014), Postfach 2010, 61410 Oberursel.]

App-Test: Und täglich grüßt die AndachtsApp

Seit dem 5. Oktober  gibt es ein neues Angebot für Smartphone-Nutzer: die „AndachtsApp“ der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Grund genug, mit diesem Beitrag die Reihe der „App-Tests“ um einen Artikel reicher zu machen (bisher getestet: die „Losungs-App„, „Pocket-Voodoo„, 3 kuriose Smartphone Apps).

Also, los geht’s: Die AndachtsApp auf Herz und Nieren geprüft.

Design und Handhabung

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Der Anfangsbildschirm: Die Farben der Landeskirche sind unverkennbar.

Der erste Eindruck: schick. Das Design ist ansprechend und modern gestaltet. Öffnet man die App, kommt man auf einen unaufgeregten, aufgeräumten Bildschirm („Wochenansicht“, siehe Bild), auf dem das Datum, das aktuelle Wetter und unten der Link zur Morgenandacht angezeigt werden. Andachten der vergangenen Tage können per „wischen“ angesteuert werden.

Ein Klick auf das Logo oben links öffnet das Menü. Neben den Punkten „Suche“ und „Wochenansicht“ (Startbildschirm) gibt es die Unterpunkte: „99 Sekunden“, „Ich glaub schon“, „Kirchenfeste“, „Morgenandacht“, „Wort zum Tag“, „Favoriten“ und „Kontakt/Impressum“.

Leider wird nicht erklärt, was sich hinter den einzelnen Punkten verbirgt, auch einen erläuternden „Hilfe“-Bereich sucht man vergebens. Was erwartet mich bei „99 Sekunden“, oder bei „Ich glaub schon?“ Was ist der Unterschied zwischen „Morgenandacht“ und „Wort zum Tag“? All das überrascht mich etwas, da die App in der Beschreibung mit den Worten „Der Impuls für jeden Tag: Die AndachtsApp bietet an 365 Tagen im Jahr eine Video- oder Audio-Andacht“ angekündigt wird. Der Nutzer bekommt offenbar mehr als das – bleibt aber etwas verloren damit, da das Konzept nirgends offen gelegt wird.

So muss ich mir selbst zusammenreimen: 99 Sekunden scheinen Gedanken zum Monatsspruch zu sein, die sich gezielt an junge Erwachsene richten. Bei Ich glaub schon findet sich bisher nur der einleitende Text zur App selbst, Kirchenfeste zeigt derzeit zwei Videos zum Erntedankfest. Morgenandacht ist das, was mir auch auf dem Startbildschirm angezeigt wird – also offenbar der eigentliche Kern der App.

Und Wort zum Tag? Das scheint zusätzliche Andacht zu sein, die im Video selbst mal mit „Wort zum Tag“ und mal mit einem begrüßenden „Guten Abend“ überschrieben ist. Leider ohne Datumsangabe, sodass man etwas verloren ist, wenn in den Andachten die Rede davon ist, dass „heute vor 50 Jahren“ etwas passiert sei. Irgendwie kommt da der Verdacht auf, dass hier nicht ganz konsequent zu Ende gedacht wurde.

Die Andachten: Kirche meets Golden Toast

Oben: Intro des Videos, unten: der Impuls, gesprochen von PfarrerInnen der Landeskirche in Württemberg.
Oben: Intro der Videos, unten: der Impuls, gesprochen von PfarrerInnen der Landeskirche in Württemberg.

Zum Inhalt der Andachten generell etwas zu sagen, ist unmöglich. Nadja Golitschek vom Evangelischen Medienhaus in Stuttgart, das die App entwickelt hat, erklärt mir, dass es keine Vorgaben für die PfarrerInnen und AutorInnen der Andachten gibt. Naturgemäß ist es wie bei Predigten: Sie sind mal mehr, mal weniger ansprechend. Die Gedankenimpulse sind ca. 2 Minuten lang – eine gute Länge.

Etwas überraschend ist jedoch das Setting der Andachts-Videos. Statt des ansprechenden, modernen App-Designs kommen die Impuls-Videos etwas altbacken her (siehe Bild). Und bei dem aufgehenden „Guten Morgen“ (wahlweise „Guten Abend“ oder „Wort zum Tag“) im Intro könnte man spontan an ein Golden Toast-Sponsoring denken.

Andere Videos der App haben ein ansprechenderes Setting, ein flottes und gut gemachtes Intro (z.B. 99 Sekunden), und die Autoren bewegen sich beim Sprechen frei in einer authentischen Umgebung. Schade, dass das nicht auch beim Kernangebot umgesetzt wurde, das der Nutzer täglich vor Augen hat. Vermutlich ist es deutlich unaufwendiger, die kurzen Impulse vor einem Bluescreen zu drehen – leider aber geht das auf Kosten der Qualität.

Die Funktionen

Bislang kann man die Andachten nur anschauen und als Favoriten markieren (dann tauchen sie unter dem entsprechenden Unterpunkt auf). Das funktioniert auch einwandfrei.

Die „Teilen“-Funktion ist für das nächste Update angekündigt, ebenso eine Download-Möglichkeit. Bislang eignet sich die App vor allem für Auszeiten in einem WLAN-Bereich, denn Videos belasten grundsätzlich die oft knapp bemessenen Datentarife. Wünschenswert wäre dabei, dass es auch die Möglichkeit gibt, die neueste Andacht trotz (angekündigter) Erinnerungsfunktion automatisch herunterzuladen (im WLAN), wie es etwa bei vielen Podcast-Apps der Fall ist.

Ein Fazit in drei Punkten /tl;dr

  • Kirche goes Smartphone – die AndachtsApp bereichert die App-Landschaft und hält, was sie verspricht: Sie bietet einen kurzen Gedankenimpuls für ruhige Minuten. Das Angebot wird mit Sicherheit vor allem kirchlich sozialisierte Menschen ansprechen, auch wenn sich die App nach Auskunft der Macher grundsätzlich an alle „spirituell interessierten Menschen“ richtet.
  • Die App an sich ist solide programmiert und hat ein ansprechendes Design. Die einzelnen Andachten aber können (optisch) nicht so recht überzeugen.
  • Schade, dass das Konzept nicht so richtig transparent ist. Geht es nun um einen kurzen Impuls pro Tag? Wie sind dann die anderen Videos einzuordnen? Schön wäre hier ein Erklärvideo, oder zumindest ein einführender Text. Im Moment ist der Nutzer da etwas verloren.

Die Andachtsapp gibt es kostenlos im Google Play-Store. Dort gibt es auch noch mehr Screenshots. (Apple-Nutzer müssen sich noch ein wenig gedulden. aktuelle Infos zum Stand gibt es hier.)

Elfen, die die Natur schützen

(Bild: Nick Kenrick/flickr.com unter cc-by-sa)
(Bild: Nick Kenrick/flickr.com unter cc-by-sa)

Elfen gibt es nicht nur in Märchen, sondern auch in Island: Dort nehmen Behörden beim Bau einer neuen Straße angeblich Rücksicht auf eine Elfenkirche – weil (menschliche) Elfenschützer sich für das sogenannte „Huldufólk“ einsetzen. Bei der Kirche handele es sich um einen Lava-Stein, in dem sich das verborgene Volk regelmäßig versammeln soll.

Der Straßenbau soll an dieser Stelle nun vorerst gestoppt und die „Kirche“ mit schwerem Gerät verlegt werden, heißt es auch in deutschen Medien. Ragnheiður Jónsdóttir, ausgewiesenes Elf-Medium, habe bereits Kontakt mit den Naturgeistern aufgenommen. Der Bürgermeister der naheliegenden Ortschaft berichtet:  „Wir sind zusammen über das Feld gegangen und haben mit den Elfen gesprochen. Sie bereiten sich darauf vor, auszuziehen. Wir werden die Kirche bald umziehen, sodass sie von den Baumaßnahmen nicht gestört werden.“

Wer etwas mehr über diese – doch kuriose Geschichte – lesen will, kann das bei der Süddeutschen Zeitung oder beim Spiegel (weniger ausführlich) tun. Man sollte das aber mit Vorsicht genießen, denn …

Erhalt der Elfen – oder vielleicht doch nur der Natur?

… tatsächlich sind zwar viele Bewohner auf der Insel, vor allem auf dem Land, davon überzeugt, dass es Elfen gibt. Der Glaube an Naturgeister ist dort recht weit verbreitet.

Aber: Was weder die Süddeutsche noch der Spiegel berichten, ist eine Frage, die zumindest gestellt werden sollte: Ist das Ganze vielleicht weit weniger spektakulär? Sind die eigentlich treibenden Kräfte hinter den Protesten gegen den Straßenbau vielleicht – nur – Naturschützer? So war es bei einer Aktion Ende 2013, bei der ein Straßenbau gestoppt wurde. Auch damals wurde vermeldet, dass dies das Verdienst von Elfenschützern sei. In Island hat man sich ziemlich gegen die einseitige Darstellung gewehrt. (Wie übrigens auch die Süddeutsche damals im Nachgang berichtete – das aber nun vergessen zu haben scheint? Von Naturschutz ist in dem aktuellen Artikel keine Rede, und statt des aufklärerischen Artikels von Dezember 2013 ist die ursprüngliche Falschmeldung zum Weiterlesen verlinkt…)

Zweifelhaft ist also, wie man diese neue Geschichte nun einordnen soll. Ein Elf-Medium ließe sich sicherlich auch in Deutschland auftreiben – und ist keineswegs repräsentativ für das, was die Menschen tatsächlich von Elfen halten. Geht es tatsächlich um den Schutz der Naturgeister – oder nicht vielmehr um den Schutz der Umwelt? Letzteres wäre weit weniger spektakulär. Und mit Sicherheit keine internationale Meldung wert.

„Die Sims“ – ein göttliches Spiel

Die „Gamescom“ in Köln ist die weltweit größte Messe für Video- und PC-Spiele. Vergangene Woche fand sie, wie immer,  in Köln statt. Rund 335.000 Besucher versammelten sich, um sich die neuesten Entwicklungen der Branche und kommende Spiele-Highlights genauer anzuschauen. So auch zum Beispiel das Spiel „Die Sims 4“ – der vierte Teil einer der erfolgreichsten Spiele-Reihen überhaupt. Ich bin auf ein Video gestoßen, das ein Interview auf der Gamescom zeigt. Es geht um „Die Sims 4“ und um das Thema „Religion“ in dem Spiel (ab ca. 2.00 min):

 

 

Ehrlich gesagt: Das Video ist inhaltlich ziemlich schwach. Die Fragen & Aussagen nach der Religion beschränken sich auf sehr offensichtliche Dinge. Und auch da lautet das Fazit: Religion findet explizit bei „Die Sims“ nicht statt. Das Spiel, so beabsichtigen es auch die Entwickler, lässt viel Raum für Interpretation. Und wer möchte, kann innerhalb dieses Rahmens seine religiösen Empfindungen hineininterpretieren. Damit hat sich die Sache aber schon.

Viel interessanter ist, das Spiel als Ganzes zu betrachten. „Die Sims“ gehört in das Genre der „Simulation“ (daher ja auch der Name). Vor dem Bildschirm sitzt der Marionetten-Spieler, der seine Charaktere in der virtuellen Welt steuert – dennoch haben die Sims auch ihren eigenen Kopf und tun nicht immer genau das, was man ihnen befiehlt. Wenn Sim Helmut nicht müde ist, dann schläft er auch nicht. Viele bezeichnen die Sims auch als „Lebenssimulation“, weil das Leben der Sims simuliert wird. Die Möglichkeiten des Spielers sind dabei, so sagen es die Entwickler, quasi unbegrenzt. Als Unterkategorien der Simulationen gab es in der Geschichte der Computerspiel-Entwicklung immer wieder auch sogenannte „Göttersimulationen„, bei denen der Spieler explizit als Gott agiert hat (eines der bekanntesten dürfte „Black & White“ sein). Dort wird also Religion auch offen thematisiert. ((Ein weites und vor allem interessantes Feld. Das wird bestimmt ein andermal noch Thema eines eigenen Beitrags.))

Der Tod des Avatars – ein emotionales Geschehen

Streng genommen ist aber auch „Die Sims“ eine Göttersimulation.((In einer englischsprachigen Liste für „God games“ wird „Die Sims“ auch aufgeführt. Was daran liegt, dass im englischsprachigen Raum diese Definition weiter – und m. E. korrekter – gefasst ist. Auch zum Beispiel die Anno-Reihe fällt darunter.)) Zu Beginn erschafft der Spieler einen Sim – gibt ihm ein Geschlecht, ein Aussehen, Kleidung, bestimmt die Charakterzüge. Alles kann angepasst werden. Und dann geht das Spiel erst los: Das Leben wird in die Hand genommen. Zum einen wird der Sim gesteuert, zum anderen werden Rahmenbedingungen für diese Person ausgesucht. Wo wohnt er, mit welchen anderen Sims hat er zu tun, mit wem freundet er oder sie sich an? Welche Familienform wird gewählt? Wird schließlich ein Kind geboren – oder, in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung, eine Adoption gewählt?

„Die Sims“ verkörpert dabei eine ganz besonders interessante Spielform. Denn hier wird noch ein anderer Faktor ganz deutlich: Die Spieler gestalten – zumindest sehr häufig – das Leben ihrer Sims gemäß der Träume, die sie für ihr eigenes Leben haben. Eine Studie, die Sims-Spieler befragte, schreibt dazu:

The richness of the game is huge as its gameplay allows gamers to reproduce manifold social interactions and situations. Teenagers interrogated for this research affirmed that they created their dreamed life in the game as much as they could. ((Lorentz, Pascaline: Socialization of Teenagers Playing The Sims. The Paradoxical Use of Video Games to Re-enchant Life, in: Heidelberg Journal of religions on the Internet, Vol 5. (2014), S. 282. Online unter http://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/religions/issue/view/1449))

Keine Überraschung, dass auch der Tod eines Sims die Emotionen der Spieler berührt. Auch das wurde in der Studie nachgewiesen.((„They confessed being touched by the death of their avatar they had spent so much time creating and designing.“ Ebd, S. 284.)) Natürlich: Wer seinen Charakter mühevoll geschaffen hat und gewissermaßen eine Beziehung mit ihm aufgebaut hat (oder sich gar mit ihm identifiziert), der erlebt mit dem Tod dieser Figur einen tatsächlichen Verlust.

Der Dialog mit sich selbst

Eine weitere wertvolle Beobachtung lässt sich machen: Wenn Spieler bei „Die Sims“ in den Avataren sich selbst nachbilden und als göttliche Hand die Geschehen, Geschicke und Begleitumstände (wie zum Beispiel das Erschaffen einer weiteren Person, die den Idealvorstellungen eines Lebenspartners entspricht, um sich dann zu verlieben) leitet, dann ist das ganze Spiel in höchstem Maße ein für den „Gamer“ selbstreflexives. Ob bewusst oder unbewusst: Der Spieler tritt beim Spielen in eine Kommunikation mit sich selbst.((Kurz angesprochen wird das auch in der o.g. Studie, wenn jedoch nur sehr knapp: „The gamer […] establishes a dialogue with him/herself.“, S. 288.)) Auch Religion ist immer auf das eigene Ich bezogen (manch Kritiker würde sagen: ausschließlich). Schon Ludwig Feuerbach hat das eindrucksvoll beobachtet. Wer seine Religiosität lebt, lebt und entdeckt immer auch einen Teil von sich selbst.

Abschließend noch zwei Fragen zum Weiterdenken, auch für mich selbst:

a) Die Kommunikation mit sich selbst und Selbstreflexion gehört zum Alltag. Wie problematisch ist es, wenn diese – wie bei oben gezeigtem Beispiel – durch das Medium eines Videospiels geschieht? Denn hier spielen ja – versteckt im Hintergrund – noch ganz andere Dinge mit hinein. Denn dem Handeln sind auch im Computerspiel Grenzen gesetzt (auch wenn die Dame im Video das anders darstellen will): Die der Entwickler. Es werden nur Gefühle, Dinge und Lebensbereiche einbezogen, die von den Programmierern eingebunden wurden. Und auch nur auf die Art und Weise, wie sie eingebunden wurden.

b) „Die Sims“ nimmt – als Computerspiel – eine Rolle ein, die in akademischen Kreisen auch heute noch häufig belächelt wird. Das ist zumindest mein Eindruck. Doch lassen sich nicht gerade aus den gezeigten Elementen wichtige Dinge beobachten – soziologische, kommunikationstheoretische und auch theologische? Wird dieser Bereich, der für viele Menschen einen wichtigen Teil ihres Alltags ausmacht, unterschätzt und zu leicht als „trivial“ abgetan?

Bemerkungen zu „Mission unter falscher Flagge“

[Update 17.08.: Inzwischen gibt es eine ausführliche Stellungnahme der Macher zu der Dokumentation (hier). Sehr lesenswert, sie wirft ein deutliches Licht auf die unten verlinkten Stellungnahmen der Gemeinden.]

Der Aufschrei war zu erwarten. Letzte Woche lief in der ARD die Dokumentation „Mission unter falscher Flagge – Radikale Christen in Deutschland“ – und schon werden alle Hebel in Bewegung gesetzt, sich über diesen Beitrag zu beschweren (neben den zahlreichen Stellungnahmen (s.u.) gehört natürlich auch eine wütende Petition zum Programm: Ein eifriger Mensch hat diese am Tag nach der Ausstrahlung (4.8. um 22.40 Uhr) zusammengetackert.)

Es ist als Außenstehender schwer zu bewerten,  was im Detail nun stimmt oder nicht. Die ARD-Journalisten sagen dies, die Gemeinden sagen jenes. Freilich sind die Sympathien nun klar verteilt: Wer zu den jeweiligen Gemeinden in einer (persönlichen?) Beziehung steht, glaubt den Stellungnahmen zur Sendung. Wer ohnehin schon seine Vorstellung von „radikalen Christen“ hat, tut diese als erwartbare Dementi ab, die mit der Wahrheit nicht viel zu tun haben. Aber mir geht es gar nicht um die Unsauberkeiten, die hier möglicherweise vorliegen.

Man könnte viel schreiben, aber ich konzentriere mich auf zwei Dinge.

1. Mission = Mission = schlecht?

„Mission“ scheint ein „Kampfwort“ geworden zu sein, wenn es um die Darstellung von Glaubensgemeinschaften geht. Und das wird auch in der Dokumentation vermittelt. Eine Quintessenz, die bei mir hängengeblieben ist: eine Gemeinde, die aktiv Mission betreibt, ist intolerant und trägt sektiererische Züge. Das wird so explizit nicht gesagt, aber wieder und wieder vermittelt. Der Begriff „Mission“ ist ein Reizbegriff und für viele äußerst negativ besetzt – nicht immer zu unrecht.

Aber: „Mission“ ist nicht per se schlecht – und keinesfalls gleichzusetzen mit Intoleranz und der Verteufelung anderer Lebens- und Glaubenskonzepte. Denn Mission ist zunächst einmal eine logische Konsequenz, wenn man von etwas überzeugt ist. Politiker werben um Zustimmung zu ihren Positionen. Greenpeace, WWF, BUND, NABU werben – mitunter äußerst aggressiv – in den Fußgängerzonen um Mitglieder. Atheisten stehen in Diskussionen für ihre Überzeugungen ein. Und Christen tun das auch. Und all das ist für eine funktionierende Gesellschaft wichtig: Das Jede und Jeder die Möglichkeit hat, für das einzustehen, an das er oder sie glaubt. Und genau so ist Mission zunächst einmal zu verstehen.

Und hier trennt der ARD-Beitrag nicht scharf genug. Es werden zurecht viele wichtige Kritikpunkte aufgezeigt. Aber sie werden so sehr mit dem Begriff der „Mission“ , der ja schon im Titel vorkommt, vermischt, dass unweigerlich ein Generalverdacht entsteht: Wer missioniert, tickt nicht richtig oder ist intolerant.

Ja, es ist problematisch, wenn Vielfalt nicht mehr möglich ist. Es ist problematisch, wenn in Gemeinden Druck erzeugt wird, zu spenden. Es ist scharf zu verurteilen, wenn psychische Abhängigkeiten entstehen und Heilungsversprechen zur Verzweiflung führen. Aber es ist nicht zielführend, das alles unter dem Begriff „Mission“ zu subsumieren, weil es die eigentlichen Probleme verdeckt.

2. Hört doch auf, so zu bellen

Der zweite Punkt richtet sich an die andere Seite. Manche Reaktionen in sozialen Netzwerken, Blogs, Foren („Ich hab es nur 5 Minuten gesehen und musste dann ausschalten. Aber die Sendung ist furchtbar!“) und nicht zuletzt oben verlinkte Petition (die übrigens auch von Stimmen aus dem evangelikalen Lager kritisiert wird) bringen mich auf die Palme. Es ist der allseits bekannte Reflex, der die Szene durchläuft. Wie schon bei der Satire „Dunk dem Herrn“ von Carolin Kebekus, dem schon etwas älteren Buch „Mission Gottesreich“ oder anderen diversen TV-Formaten werden wütende Reaktionen laut, die schwerwiegende Vorwürfe erheben und teils lächerliche Maßnahmen der diversen Fernsehsender fordern. Das Bild, das sich dabei in der Öffentlichkeit zwangsläufig zeichnen muss: Getroffene Hunde bellen.

Ja, man darf sich wehren, wenn man sich ungerecht behandelt/dargestellt fühlt. In bestimmten Kreisen scheint das aber schon beim leisesten Anflug von Kritik zum guten Ton zu gehören: Wenn die Medien etwas kritisch darstellen, wird losgefeuert. Ich rege mich darüber vor allem deswegen auf, weil diese Art des Umgangs mit Kritik in der Regel die notwendige Reflexion vollständig überdeckt und nur noch polemisch in eine Richtung geschossen wird. Denn es gibt wichtige Fragen, die beantwortet werden müssten – gerade im Interesse der angeprangerten Gemeinden und Organisationen. Spontane Stichworte, die mir durch den Kopf schießen: Gemeindestrukturen; Machtmissbrauch; missverständliche und problematische Botschaften (z. B. im Bereich der Heilung); „Sündenkataloge“; psychische und finanzielle Abhängigkeiten – es gibt, das weiß ich aus eigener Erfahrung, definitiv einiges zu tun. Doch statt zu überlegen, wo die vorgebrachte Kritik zutreffen könnte und wo vielleicht tatsächlich einiges schief läuft, wird halt erstmal wieder laut geschrien.

Der Vorsitzenden der Evangelischen Allianz, Michael Diener, hat einigermaßen besonnen reagiert. Er schreibt genau zu diesem Punkt:

Zugleich will ich deutlich sagen: christlicher Glaube soll befreien und nicht in die Abhängigkeit führen. Es ist notwendig, dass christliche Gemeinden und Gruppen immer wieder überprüfen, ob die Erlebnisdimension des Glaubens überbetont wird oder die Gefahr der Manipulation von Menschen besteht.  Wir sind als Evangelische Allianz dankbar für das Glaubensprofil charismatischer und pfingstlicher Gemeinden, aber gerade hier ist an dieser Stelle besondere Vorsicht geboten. Durch Handzeichen eine Heilung von einer Depression anzuzeigen, ist ebenso unseriös, wie die Aufforderung, Spendengelder für alle sichtbar hochzuhalten. Auch schriftliche Beichtspiegel, die weit in die Intimsphäre eines Menschen eingreifen, halte ich für unangebracht. Evangelische und christliche Beichte insgesamt sehen anders aus.

Es  ist auch nicht verkehrt, sich einmal aufzeigen zu lassen, wie unsere Veranstaltungen auf säkulare Besucher wirken können.

Ja, es gibt radikale Ausprägungen christlichen Glaubens*, die äußerst problematisch sind. Viele von ihnen wurden in der Dokumentation gezeigt, einige sind leider sogar sehr verbreitet. Und deswegen stimme ich Michael Diener nur bedingt zu, wenn er sagt, der TV-Beitrag zeige, „wie sehr säkulare und christliche Weltbilder auseinander klaffen“. Als jemand, der selbst ein christliches Weltbild teilt: Auch meine Sicht auf die Dinge reibt sich mit vielen evangelikaleren Interpretationen, die ich nicht für trag- und vertretbar halte. (Und hier gehören ausdrücklich einige der gezeigten Szenen dazu).

Dennoch: Vielfalt muss in alle Richtungen gelten. Es kann nicht der Weg sein, sich gegenseitig den Mund zu verbieten. Was auf solch kritische Beiträge folgen sollte, ist deshalb eine fruchtbare, intensive Diskussion. Und keine gegenseitigen polemischen Schuldzuweisungen.

 Weiterführende Links

„Mission unter falscher Flagge“ bei Youtube

Stellungnahmen

*Als solche stellen die Macher der Doku übrigens die von ihnen kritisierten Ausuferungen dar. Am Ende des Films sagt die Off-Sprecherin, es gebe viele Evangelikale, die, wie jeder andere auch, eine eine vielfältige Gesellschaft begrüßen. Mit Blick auf das Dargestellte spricht sie von „erschreckenden Einblicken, die die ganze evangelikale Bewegung diskreditieren“. Aber auch hier verweise ich auf meinen Punkt 1 – es hat nichts mit Mission zu tun, ob jemand eine „Vielfalt“ in der Gesellschaft begrüßt!

Fun-Fact: Das geheime Abendmahl auf dem Mond

(Bild: Jürgen Mangelsdorf, flickr.com unter cc-by-sa-nd 2.0)
(Bild: Jürgen Mangelsdorf, flickr.com unter cc-by-sa-nd 2.0)

Vor ziemlich genau 45 Jahren, am 21. Juli 1969, betraten die ersten Menschen den Mond. Das dürfte allseits bekannt sein. Was weniger bekannt ist: Die ersten Dinge, die auf dem Mond verspeist wurden, waren Brot und Wein. Denn Buzz Aldrin, der zweite Mensch auf dem Mond, feierte kurz vor dem Ausstieg aus dem „Eagle“ das Abendmahl.

Aldrin, heute 84 Jahre alt, war damals Mitglied einer Presbyterkirche in Texas. Vor dem Abflug Richtung Mond bat er seinen Pastor darum, ihm ein bisschen Wein, ein wenig Brot und einen kleinen Silberkelch zu geben. Diese Dinge nahm der Astronaut mit auf den Mond. Vor dem besinnlichen Moment las Aldrin im Stillen eine Passage aus der Bibel: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer an  mir bleibt und dann ich an ihm, der bringt viel Frucht, denn ohne mich könnt ihr gar nichts tun.“ (Joh. 15,5 in der Übersetzung der Offenen Bibel). Die Nasa übertrug die Aktion damals nicht öffentlich, da sie sich gerade in einem Rechtsstreit mit einer Atheistin befand, die gegen eine öffentliche Lesung der Apollo 8-Crew aus dem Buch Genesis vorging.

In einem Artikel ein Jahr nach der Mondlandung schreibt Aldrin ausführlich über das erste Abendmahl im Weltall:

Now Neil and I were sitting inside Eagle, while Mike circled in lunar orbit unseen in the black sky above us.  In a little while after our scheduled meal period, Neil would give the signal to step down the ladder onto the powdery surface of the moon.  Now was the moment for communion.

So I unstowed the elements in their flight packets.  I put them and the scripture reading on the little table in front of the abort guidance system computer.

Then I called back to Houston.

“Houston, this is Eagle.  This is the LM Pilot speaking.  I would like to request a few moments of silence.  I would like to invite each person listening in, wherever and whomever he may be, to contemplate for a moment the events of the past few hours and to invite each person listening, wherever and whomever he may be, to contemplate for a moment the events of the past few hours and to give thanks in his own individual way.

[…]

I poured the wine into the chalice our church had given me.  In the one-sixth gravity of the moon the wine curled slowly and gracefully up the side of the cup.  It was interesting to think that the very first liquid ever poured on the moon, and the first food eaten there, were communion elements.

And so, just before I partook of the elements, I read the words, which I had chosen to indicate our trust that as man probes into space we are in fact acting in Christ.”

Auch in seinem autobiographischen Buch „Magnificent Desolation“ (hier) berichtet er darüber. Dort allerdings schreibt er auch, dass er es heute vermutlich anders machen würde. „Obwohl es für mich eine tiefe, bedeutungsvolle Erfahrung war, es war ein christliches Sakrament. Und wir sind im Namen der gesamten Menschheit zum Mond gekommen – ob sie nun Christen, Juden, Muslime, Animisten, Agnostiker oder Atheisten sind. Aber zu dieser Zeit konnte ich keinen besseren Weg finden, die enorme Tragweite der Apollo 11-Erfahrung  anzuerkennen, als Gott Dank zu sagen.“

 

„Gott“ – das meistgesungene Wort bei der WM?

Das pro-medienmagazin hat sich die Mühe gemacht, die Nationalhymnen der 32 WM-Teams darauf zu untersuchen, wie häufig einzelne Wörter vorkommen. Dank bestimmter Tools (z.B. wordle.net) dürfte die Mühe nicht allzu groß gewesen sein. Der Autor des Textes kommt zum Schluss: „WM: Gott ist das meistgesungene Wort in Nationalhymnen„. 43 Mal soll das Wort „Gott“ in den Hymnen vorkommen. Für Christen ist das natürlich toll, wenn Gott so allgegenwärtig ist. Was auch immer man mit so einer Statistik anfangen soll.

Das Ganze ist aber eine irreführende Sache, bei der ich zumindest starke Zweifel anmelden würde. Stutzig wurde ich, als im Text stand, Spitzenreiter seien die Niederlande: „In den 15 Strophen kommt elf Mal das Wort ‚Gott‘ vor. “ Ganz abgesehen davon, dass das nicht stimmt (richtig ist: 12 Mal; wer aber Wikipedia  und die Browser-Suchfunktion nach ‚Gott‘ nutzt, kommt dank eines Schreibfehlers tatsächlich nur auf 11) – das heißt doch, dass in einigen anderen Hymnen das Wort gar nicht vorkommt. Und, da bin ich mir sicher: Oranje singt nicht vor jedem Spiel 15 Strophen.

Nach oberflächlicher Recherche ergibt sich mir folgendes Bild: Nur in 14 von 32 Hymnen kommt „Gott“ überhaupt vor. Das ist weniger als die Hälfte. Schaut man nun noch nach, wie oft „Gott“ tatsächlich gesungen wird (wie in der Überschrift des Artikels behauptet!), muss man Einiges in der pro-Rechung abziehen:

  • Schweiz:  -6 [insgesamt 8, gesungen wird aber nur eine Strophe = zwei Mal ‚Gott‘].
  • England: -7 [10 insgesamt, gesungen wird nur die erste Strophe. Interessanterweise schreibt pro auch, dass die heutige Version (erste drei Strophen) nur 6 Mal ‚Gott‘ enthält, zählt im Gesamten aber doch die 10. Anders kommt man nicht auf die Gesamtzahl 43].
  • USA: -1 [in der gesungenen Version kommt es nicht vor].
  • Frankreich: -1.
  • Niederlande: -11 [Es ist fast schon witzig, dass „pro“ die Niederlande als Spitzenreiter im Text aufführt, aber vor dem Spiel nur die erste Strophe gesungen wird. Da kommt ‚Gott‘ gar nicht vor!].

Weil ich zu faul war, bei allen Nationalhymnen herauszufinden, welche Strophen tatsächlich gesungen werden (Meine Vermutung ist, dass zu den Abzügen noch dazukommt: Uruguay:-1; Russland: -1; Italien:-1. Die lass‘ ich jetzt aber in der Rechnung mal drinnen), lässt sich festhalten: 43-6-7-1-1-11=17.

In 20 von 32 Hymnen: „Gott“ = Fehlanzeige

Fazit: ‚Gott‘ kommt nicht 43 Mal, sondern höchstens 17 Mal in den gesungenen Hymnen der WM vor. Vermutlich noch einige Male weniger. Und in den gesungenen Hymnen kommt ‚Gott‘ in mindestens 20 von 32 gar nicht (!) vor. Ich weiß nicht, ob das nur ein persönlicher Eindruck ist. Aber irgendwie kommt es mir merkwürdig vor, angesichts solcher Fakten zu titeln: „WM: Gott ist das meistgesungene Wort in Nationalhymnen“.

Das Ganze ist natürlich vollkommen unwichtig. Es ist allenfalls lustiges Stammtisch-Wissen während der WM. Nein, halt: Es wäre lustiges Stammtisch-Wissen, falls es stimmt. Leider spricht es nicht für die Seriosität eines Mediums, Wikipedia-Texte ohne zweites Nachdenken durch ein Internet-Tool zu jagen und das Ergebnis groß auf der Startseite zu verkünden.

Was hier nun an „Gott“ durchexerziert wurde, müsste man natürlich auch mit den anderen Worten tun, die „pro“ aufführt („Freiheit“ und „Vaterland“). Denn auch diese kommen natürlich weniger häufig vor, wenn man nur die tatsächlich gesungenen Hymnen zählt. Dazu ist mir das Ergebnis der Statistik an sich dann aber doch einfach zu egal.

[Nachtrag 13:50 Uhr:

So sieht meine bereinigte Wortwolke aus, die allerdings nicht alle Hymnen (!) berücksichtigt - also keineswegs unbedingt das richtige Ergebnis darstellt.. (Bild: Theopop/wordle.net)
So sieht meine bereinigte Wortwolke aus, die allerdings nicht alle Hymnen (!) berücksichtigt – also keineswegs unbedingt das richtige Ergebnis darstellt. (Bild: Theopop/wordle.net)

PS: Dank des kritischen Kommentars unten habe ich dann doch die gesungenen Texte (soweit ich das beurteilen konnte), die ich noch auf dem PC hatte (England, USA, Niederlande, Schweiz, Frankreich, Deutschland, Belgien, Portugal, Ghana, Nigeria, Kolumbien, Griechenland, Elfenbeinküste, Ecuador, Argentinien) durch besagtes Programm gejagt und auch per Word nachzählen lassen: „Vaterland“ (15) und „Freiheit“ (13) liegen vor „Gott“ (9). Was rauskommt, wenn man das mit allen Hymnen macht, weiß ich nicht. Das ist mir, wie gesagt, zu aufwendig. Pro hat aber als Reaktion auf diesen Artikel angekündigt, sich das nochmal vorzunehmen.]

[Nachtrag 15:13 Uhr:

pro hat den Artikel nun korrigiert. Aus den 11 Mal „Gott“ in der Oranje-Hymne wurde ein „12“ gemacht, die Gesamtzahl auf 44 erhöht, die Überschrift des Artikels in „WM: ‚Gott‘ in Nationalhymnen“ geändert.  Jetzt stimmt offenbar alles in sich. Dennoch: Schade, dass wir die Antwort, was denn nun tatsächlich am häufigsten bei den Hymnen der WM gesungen wird, wohl nicht erhalten.]

Von Helden und Heiligen in der Fußball-Religion

(Bild: Joe Shlabotnik/flickr.com unter cc-by-sa)
(Bild: Joe Shlabotnik/flickr.com unter cc-by-sa)

Zur Fußball-WM in Brasilien hat „DRadio Wissen“ in seinem Format „Hörsaal“ sich ebenfalls mit dem Ballsport beschäftigt – und mit den Parallelen zur Religion. In zwei hörenswerten Folgen betrachten Philosophen, Historiker und Religionswissenschaftler den Fußball in seinen transzendentalen Eigenschaften.

Dabei geht es weniger – wie häufig hier auf dem Blog – um funktionale Aspekte. Die Themen der Vorträge lauten zum Beispiel: „Das außerweltliche Dasein von Sporthelden“ oder „Dunkle Heilige und negative Epiphanien: Der Fußball und die Gewalt“.

Ein Zitat aus der ersten Folge:

Es ist nun ausgerechnet der Sport, dem es um den materiellen Körper geht, der in letzter Zeit eine Entwicklung nahm, die sich von seiner Materialität entfernte. Der Körper wurde zu einem Punkt gesteigert, wo er seine Materialität transzendiert. Der Sport ist zu einem besonderen Spiel geworden, in dem der Körper zum Helden oder sogar zum Heiligen wird. Das Spiel, das ist meine These, verleiht ihm einen zwiefachen Körper: In seinem Universum verbinden sich der materielle Körper des Spielers mit dem immateriellen Körper des Helden. (Gunter Gebauer, Philosoph)

Die Folgen dauern jeweils eine knappe Stunde. Anhören lohnt sich aber (die Sendereihe überhaupt ist sehr empfehlenswert!).

Wer sich also noch etwas philosophisch mit der Fußball-WM auseinandersetzen will, et voilá:

[audio http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2014/06/07/dradiowissen_von_helden_und_heiligen_20140607_0ec4f10b.mp3]

„Von Helden und Heiligen“ – DRadio Wissen Podcast vom 7. Juni 2014
(zur Original-Seite geht’s hier)

 

[audio http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2014/06/08/dradiowissen_fussball_ist_eine_20140608_d27419d1.mp3]

„Fußball ist eine Religion“ – DRadio Wissen Podcast vom 8. Juni 2014
(zur Original-Seite geht’s hier)