Vorabinfo: An dieser Stelle findet ihr eine kurze Filmkritik zu Darren Aronofskys Film „Noah“, die ohne Spoiler auskommt. Da mir aber ein paar interessante theologische Perspektiven des Films aufgefallen sind, findet ihr hier eine Zusammenstellung der wichtigsten Gedanken dazu. Dort herrscht aber Spoiler-Alarm.

http://www.youtube.com/watch?v=-j7Wc3ngECg

Es ist eine Geschichte, deren Ende jeder kennt: Die Welt wird vernichtet, nur eine Familie überlebt. Im ersten Buch der Bibel wird die Erzählung von der Sintflut, Noahs Arche und der Vernichtung der Menschheit in drei Kapiteln überliefert – eine Erzählung, die angesichts ihrer Weltuntergangs-Thematik geradezu ein „Kopfkino“ provoziert. Doch wie erzählt man eine solch bekannte Geschichte so, dass sich die Leute sie dennoch im Kino anschauen? Richtig: Mit bildgewaltigen Effekten, neuen Perspektiven und einer gehörigen Portion künstlerischer Freiheit. US-Regisseur Darren Aronofsky hat sich genau dies zur Aufgabe gemacht. Und es ist ihm gelungen. „Noah“ ist ein eindrucksvoller, sehenswerter Film – wenn auch mit einigen Abstrichen.

Mord, Totschlag, Vergewaltigung

Die Welt ist kaputt. Das wird von Anfang an durch die düstere Atmosphäre des Films vermittelt. Die Menschen zerstören ihre Umwelt, die Natur, das Tierreich. Sie haben sich selbst zu Herrschern über die Welt geschwungen, in der Annahme, „der Schöpfer“ schere sich nach dem Rauswurf aus dem Paradies einen Dreck um sie. Noah, ein Nachkomme des Adam-Sohns Set, ist da anderer Meinung. Er ist der einzig gerechte Mann auf der verdorbenen Erde, die von den Nachkommen Kains bevölkert wird, die sich gegenseitig ermorden und vergewaltigen.

Noah, der mit seiner Familie durch die Einöde zieht, bekommt plötzlich Alpträume. In diesen Szenen spielt der Film auch mit anderen Motiven der biblischen Urgeschichte; vor allem Sündenfall und Brudermord suchen Noah wieder und wieder heim. Er ist der Überzeugung: Gott, der Schöpfer, spricht zu ihm. Er will die Welt vernichten. Mit der Hilfe seines Großvaters Metuhsaleh (ein Eremit, den er offenbar nur einmal im Jahrzehnt besucht) findet er heraus: Die Katastrophe kann nicht abgewendet werden. Wohl aber kann sie überlebt werden. Und so macht er sich daran, ein großes Schiff zu bauen – wie es dann weitergeht, ist ja allseits bekannt.

Und die anderen?

Es gibt viele interessante Nuancen, die Aronofsky in dem Bibel-Epos setzt. Da ist zum Beispiel Gott, der durch Zeichen und Wunder handelt – nie aber direkt mit Noah kommuniziert. Zuweilen bringt das den Filmhelden auch zur Verzweiflung. Auch die Frage, wie zum Beispiel Futter für die Tiere für so lange Zeit in die Arche passt, wird mit einem geschickten Dreh gelöst. Auf der Arche selbst entfaltet sich dann noch ein Familiendrama, mit Eifersucht, Enttäuschung und Hass. Der Auslöser des Familiendramas ist aber eigentlich eine Erkenntnis Noahs, die theologische höchstspannend ist – zumal sie sich auch in der Bibel findet, wenn auch etwas versteckt. Um hier nicht zu viel zu verraten, findet ihr dazu mehr bei den theologischen Gedanken zum Film.

Groß geschrieben wird – sowohl biblisch als auch filmtechnisch – der ökologische Aspekt. Die Zerstörung der Um- und Tierwelt spielt eine entscheidende Rolle. Noah und seine Familie ernähren sich streng vegetarisch – wie es auch in den ersten acht Kapiteln der Bibel der Fall ist (erst ab Gen 9,3 wird Fleischessen explizit erlaubt). Es ist durchaus auch im Sinne der Noah-Geschichte der Genesis, wenn wir das auch als Warn- und Weckruf in unsere heutige Zeit verstehen. Wer dem Film Extremismus im Umweltgedanken vorwirft, wie es manche evangelikalen Kreise in den USA tun, der muss diesen Vorwurf auch der biblischen Erzählung machen.

Dramaturgisch wird in „Noah“ vor allem eine Perspektive sehr eindrucksvoll umgesetzt, die in der Bibel aufgrund der Erzählintention gänzlich fehlt: die der übrigen Menschheit. Denn diese gibt sich in der Verfilmung nicht einfach so ihrem Schicksal hin, als die ersten Regentropfen fallen. Nein: Es gibt eine regelrechte Schlacht um die Arche, die mitunter an „Herr der Ringe“ erinnert. Auch sonst bedient sich der Regisseur munter an diversen Fantasy-Elementen, um diese uralte Erzählung ins 21. Jahrhundert zu bringen – ein erfrischender Mix, der „Noah“ in einigen Ländern harsche Kritik von fundamentalen christlichen (und islamischen) Strömungen einbringt. Zugleich aber ein Mix, der aus der Geschichte einen actionreichen, sehenswerten Film macht.

Fazit: Gut, aber…

Was an vielen Ecken stört, ist die Theatralik, mit der doch etwas übertrieben gearbeitet wird. Das betrifft vor allem das „Familiendrama“ auf der Arche (viele Tränen, viel Geschrei, oberflächliche Motive, wenig Tiefgang) und die Schlussszenen des Films (hach, die Liebe hat halt alles wieder mal gerichtet). Auch die ein oder andere lächerliche Szene findet sich in dem Film, wie zum Beispiel die Blitz-Paarung  von Sem und seiner Angetrauten Ila. Einer meiner ersten Gedanken nach dem Film war: Es ist beachtlich, mit welcher Intensität – und doch ganz ohne pathetisches Getue – das Buch Genesis im Gegensatz zu einem Hollywood-Film diese Geschichte erzählt. 

Das kurze Fazit also: Im Großen und Ganzen durchaus sehenswert. Zu theatralisch, die zwischenmenschliche Dramatik wirkt manchmal sehr inszeniert – was eher am Drehbuch als an den Schauspielern liegt. Der Mix von Fantasy und biblischer Erzählung ist frisch und wohltuend. Und er macht die Geschichte vor allem nicht schlechter. Er transportiert sie vielmehr in die Kinowelt von heute, in die der Streifen aus jeglicher Hinsicht sehr gut passt. 

Den Schlussatz überlasse ich dem Schweizer Theologen Konrad Schmid, der über den Film in einem Interview Folgendes sagt

Alle, die diesem Film ankreiden, er folge nicht der biblischen Vorlage, empfehle ich, die Bibel zu lesen. Die Bibel bietet eine eindrückliche Erzählung, in der Tat. Aber Adaptionen wie die vorliegende sind künstlerisch wie auch theologisch dann besonders wertvoll, wenn sie die Bibel nicht einfach nacherzählen. Dafür ist die Bibel selbst da.

Veröffentlicht von Fabian M.

Fabian Maysenhölder, Diplom-Theologe und Online-Journalist, ist Herausgeber des Blogs "Theopop". Während seiner Berliner Studienzeit wurde bei ihm in einem Seminar zu dem Thema „Kirche in den elektronischen Medien“ Interesse für diesen Forschungsbereich geweckt, der immer mehr an Bedeutung gewinnt – nicht nur für die kirchliche Öffentlichkeitsarbeit. In seiner Freizeit spielt er Badminton und engagiert sich ehrenamtlich in der Straffälligenhilfe.

3 Antworten auf &‌#8222;Noah gegen den Rest der Welt&‌#8220;

  1. Von der Story her ist es, so finde ich, top.
    Schauspieler sind so naja und die Trailer eig ganz gut.
    Ich werd mir im Kino mein eigenes Bild machen.
    Ansonsten nen schöner Beitrag 😉

  2. Super Film! Er hält was er verspricht!
    Genau nach meinen Vorstellungen 🙂
    Wem der Trailer zusagt, der macht sicher nichts faslch …
    Super Artikel ebenfalls 😉

    LG Anna

    1. Da muss ich Anna zustimmen, der Film ist Klasse und dem Trailer kann man echt vertrauen 🙂
      Würde ihm jeden Empfehlen!
      Grüße Bernd

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