Eine Nonne rockt Italien

Wenn eine Nonne auf der Bühne steht, ist plötzlich alles anders. Castingshows gibt es zuhauf, und eigentlich bekommen wir – wenn wir nicht gezielt danach suchen – nicht mit, was in anderen Ländern da so passiert: Wer welche „Superstar“-Staffel gewinnt oder welche Stimme die „Voice“ des jeweiligen Landes wird. Anders bei Schwester Cristina. Die Nonne hat gestern die italienische Ausgabe von „The Voice“ gewonnen. Und deutsche Medien berichten darüber ausführlich.

Wenn man Schwester Cristina da auf der Bühne tanzen und singen sieht, wirkt ihr Outfit wie eine Verkleidung: Ihre schwarze Ordenstracht, ihre klobigen Schuhe, ein dickes Kreuz um den Hals. Aber es ist keine Verkleidung, sondern – vielleicht ähnlich wie bei Punks, Rockern, Gothics auch – ein Ausdruck ihrer Lebensform. Nur ist ihre Lebensform eine, die in unserer Gesellschaft so selten geworden ist, dass sie vielen sehr befremdlich erscheint. Vielleicht ist eine rockende Nonne deshalb so viel ungewöhnlicher und überraschender, als wenn da ein Punk auf der Bühne steht.

Dazu kommt freilich noch: Das, was Schwester Cristina auf der Bühne tut, wird in der Gesellschaft nicht mit dem identifiziert, was ihre Lebensform angeblich ausmacht. Nonnen sind doch still, brav, sie beten viel, leben zurückgezogen und abstinent. Solche Bilder fände man sicher in viele Köpfen, wenn man einmal eine Straßenumfrage machen würde. Wie kann man da Freude am Leben haben?

Und dann kommt diese Nonne daher. Ihre Kleidung entspricht genau jenen Vorurteilen, passt so gar nicht in unsere Norm, schreit der „Spaßgesellschaft“ die Ablehnung quasi ins Gesicht. Schwester Cristina legt los. Sie tanzt, singt (gut), und vor allem: Sie hat einen tierischen Spaß. Die Lebensfreude steht ihr ins Gesicht geschrieben (viel mehr sieht man von ihr nicht).

Ich sage: Danke, Cristina. Ein solcher Auftritt hilft, Vorurteile abzubauen – weit über die „kirchliche Subkultur“ hinaus. Wenn eine Ordensschwester eine Castingshow im Fernsehen gewinnt, kann das zum Nachdenken anregen. Was für Bilder haben wir von Menschen, die sich in bestimmten „Subkulturen“ bewegen? Welche Vorurteile hegen wir – und warum? Welchen Lebensweisen stehen wir skeptisch gegenüber – und mit welcher Begründung?

Auch ganz ohne Nachdenken lohnt es sich aber, sich die rockende Nonne einfach anzuschauen:

 

https://www.youtube.com/watch?v=ySc16v1elDs

Veröffentlicht von Fabian M.

Fabian Maysenhölder, Diplom-Theologe und Online-Journalist, ist Herausgeber des Blogs "Theopop". Während seiner Berliner Studienzeit wurde bei ihm in einem Seminar zu dem Thema „Kirche in den elektronischen Medien“ Interesse für diesen Forschungsbereich geweckt, der immer mehr an Bedeutung gewinnt – nicht nur für die kirchliche Öffentlichkeitsarbeit. In seiner Freizeit spielt er Badminton und engagiert sich ehrenamtlich in der Straffälligenhilfe.