Topmodels, schlanke Körper und ein sexy Gott

(Bild: Public Domain/openclipart.org)
(Bild: Public Domain/openclipart.org)

Germanys Next Topmodel hat wieder begonnen. Inzwischen stolzieren in der neunten Staffel schicke Mädels über Laufstege, ein paar Millionen Deutsche gucken dabei zu. Ein Blick in den Wikipedia-Artikel zu Germanys Next Topmodel entlockt ein Schmunzeln: Dort kann man die Größe & Maße aller Endrundenteilnehmerinnen detailliert nachlesen. Und, siehe da: das Ideal von 90-60-90 erreichte bisher keine!

Für viele Beobachter ist „Germanys Next Topmodel“ geradezu das Paradebeispiel für eine moderne Gesellschaft des „Körperkultes“, in der Aussehen  und Schönheit zu den wichtigsten Attributen einer Person gehören. Immer wieder wird das kritisiert. Doch diese Kerbe ist schon tief genug – deshalb möchte ich gerne etwas anders an die Sache herangehen (wenn auch mit einem ähnlichen Fazit): Körperkult? Das ist doch nichts neues!

Lasst uns die Schönheit genießen!

Der Körper spielt seit jeher in zahlreichen Religionen eine zentrale Rolle. Reinigungsrituale finden wir zuhauf, sei es im Islam, im Buddhismus, im Hinduismus oder im Judentum. Natürlich haben hier – beachtet man die Entstehungszeiten solcher Rituale – auch hygienische Faktoren eine Rolle gespielt. Aber theologisch ist der Körper nicht unwichtig: Er ist gewissermaßen Schnittpunkt verschiedener Wirklichkeitsebenen. Kurz: Geist trifft Materie. Paulus bringt die Bedeutung des Körpers für das Christentum z. B. in 1. Kor 6,12-20 auf den Punkt. Seine Ausführungen gipfeln in folgender Aussage: 

Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch selbst gehört? Denn ihr seid teuer erkauft; darum preist Gott mit eurem Leibe. (1. Kor 6,19f)

Der Geist ist im Körper beheimatet, und der Körper bewegt sich in der Welt und interagiert mit ihr. Der Körper ist deshalb zu pflegen, sauber zu halten und zu ehren. Natürlich gab (und gibt) es auch z. B. im Christentum stets leibfeindliche Traditionen, die vor allem platonischen und gnostischen Einflüssen Raum geben. Körperlichkeit spielt vielleicht im Christlichen deswegen eine geringere Rolle als in manch anderen Religionen. Aber das wäre ein anderes Thema.

Worum es hier geht: Körperkult ist kein Teil einer wie auch immer gearteten (Post-)Moderne. Nichts, das erst durch das Ideal „90-60-90“ Einzug in die Köpfe der Menschen gefunden hätte. Der Körper wurde und wird seit jeher gepflegt, gewaschen, durch bestimmte Rituale besonders betont. Denn Körper und Geist sind nicht so einfach zu trennen. Man könnte also sagen: Germanys Next Topmodel – hurra! Lasst uns doch die Schönheit der Körper genießen! 

Alles gut auf dem Laufsteg?

Aber halt – man muss da schon noch etwas weiterdenken. Denn es gibt natürlich einen wesentlichen Unterschied. Wenn Religionen dem Körper durch Waschungen oder Rituale eine bestimmten Wert zumessen, dann deshalb, weil er in einer körperlichen (materiellen) Welt  als Schnittpunkt auf das Geistige verweist – in vielen Religionen also auf Gott. Geht diese „Verweisfunktion“ bei Heidi Klums jungen Laufsteg-Hüpfern verloren? Ich glaube nicht.

Es gibt in der Tat etwas, auf das hier verwiesen wird, das sozusagen zu einem „Wert an sich“ wird: Die Schönheit selbst. Sie wird zum erstrebenswerten Zustand, das „90-60-90“ zum höchsten, geistigen, unerreichbaren Gut. Der Körper hat immer noch eine Verweisfunktion – aber nun nicht mehr als Verehrung eines Gottes, der an sich unfassbar und unbegreifbar ist. Vielmehr wird auf den Gott der Schönheit hingewiesen, der sich an klaren Maßen und Idealen festmachen lässt (die sich freilich, je nach Kultur und Epoche, auch ändern können). 

Das Fazit also: Nein, es ist nicht schlecht, sich an Schönheit zu freuen. Es ist auch nicht zu verurteilen, danach zu streben, seinen Körper zu pflegen und z. B. durch Diäten gesund zu halten. Das Problem, das „Germanys Next Topmodel“ verkörpert, ist kein neues: Kritisch wird es da, wo die Schönheit und Ästhetik zum höchsten Gut und Gott wird. Dieser Gott nimmt nicht bedingungslos jeden an. Er hat klare Forderungen – die hässliche Fratze eines Gottes, der nur auf den ersten Blick sexy ist. Es sind Forderungen, an denen Menschen zerbrechen können, wenn sie ihnen nicht gerecht werden. Und es ist ein Gott, der (im schlimmsten Fall) Kinderopfer verlangt

Blogparade: Und wo surfst du so?

UNd wo surfst du? Blogparade
Falls ihr für euren Beitrag zu Blogparade noch ein Bild braucht: Das hier dürft ihr gerne verwenden! (Quellenangabe: „theopop.de unter cc-by-sa 3.0“)

Mitte Januar habe ich einen Artikel zu der Frage verfasst, ob das Internet das Ende der Religion bringt. Es war schön, zu sehen, dass Einige mit den darin besprochenen Fragestellungen offenbar etwas anfangen konnten – das zeigte sich in diversen Diskussionen, vor allem in den Social Media.

Am Ende des Artikels schrieb ich einen Satz, über den ich weiter nachdenke, der mich auch schon länger begleitet:

[Es ist wichtig,] sich nicht nur in Kreisen und auf Webseiten, Blogs und in Foren zu bewegen, die das eigene Weltbild stützen.

Vielleicht ist das ein Satz, der sich theoretisch leicht sagt, aber schwer umzusetzen ist. Vielleicht ist meine Aussage aber auch ein Allgemeinplatz, in den grenzüberschreitenden Internet-Zeiten längst überflüssig geworden? Ich frage mich: Wie sieht das in der Praxis aus – wo bewegen wir uns im Internet? Welche Foren, Blogs, Seiten besuchen wir? Mit wem unterhalten wir uns – und über was?

Beobachten, nachdenken, schreiben!

Um diese – wie ich finde – überaus interessante Frage ein bisschen zu beleuchten, rufe ich hiermit eine Blogparade aus. Unter der Frage: Wo bewegt ihr euch im Internet? Wie ihr diese Frage beantwortet, bleibt ganz euch überlassen. Man könnte ganz simpel fragen: Habt ihr eine Startseite festgelegt? Woher bezieht ihr eure Nachrichten und Informationen? Sucht ihr grundsätzlich bei Google? Was lest ihr so, wenn ihr im Netz unterwegs seid? Mit wem und auf welche Art kommuniziert ihr?

Natürlich wäre dann schön, wenn das ganze noch einen Ebene tiefer geht (da wird’s nämlich interessant!): Nach welchen Kriterien entscheidet ihr, was ihr anklickt oder lest? Bewegt ihr euch hauptsächlich in eurer „Comfort-Zone“ – oder lasst ihr euch (und eure Weltanschauung) auch mal herausfordern? Lest ihr viele Artikel, die eure Ansichten stützen oder auch Beiträge, die eure Sicht auf die Welt, eure Religion oder euren Atheismus, hinterfragen und kritisieren? Das ist nur eine kleine Auswahl an Fragen, die man sich stellen könnte – vielleicht fallen euch noch ganz andere Aspekte ein?

Und so funktioniert’s: Wenn ihr mitmachen wollt, dann schreibt in eurem Blog einen Artikel zu diesem Thema. Verweist darin per Link auf diesen Artikel – dann sollte euer Beitrag hier automatisch bei den Kommentaren als Trackback aufgelistet werden (Falls das nach einigen Stunden noch nicht passiert ist, schreibt gerne einen Kommentar mit dem Link zu euch!). Aufnahmeschluss für die Blogparade ist der 28. Februar 2014. Das ist mit 5 Wochen recht lang, aber schließlich muss man sich vielleicht auch erst ein wenig selbst bewusst beim Surfen beobachten… Wer keinen eigenen Blog hat, darf natürlich seine Gedanken hier als Kommentar loswerden! 

Am Ende, wenn wir hier hoffentlich eine schöne Link-Sammlung zu dem Thema haben, wird es auf theopop.de eine Zusammenfassung und Auswertung geben. Wie die genau aussieht, wird sich zeigen. Das hängt auch sehr von den eingereichten Artikeln ab. Ich bin gespannt – und freue mich sehr auf eure Beiträge! 

[UPDATE 6.02.2014]

Für eine bessere Übersicht verlinke ich bisherige Posts, die mir bekannt sind (sprich: per Kommentar oder Pingback gemeldet wurden) direkt hier. Dann müsst ihr euch die Links nicht aus den Kommentaren pflücken, wenn ihr sehen wollt, was zur Blogparade bereits geschrieben wurde:

Religiot ist, wer trotzdem lacht – Die Radikalisierung des Humors im Internet

Frankreich wird gerade von Debatten und Verbotsforderungen um den Komiker Dieudonné erschüttert, der in seinen Shows über Juden herzog, einen Spottsong auf das Holocaust-Gedenken popularisierte und mit dem „Quenelle“ eine „Parodie“ des Hitler-Grußes parodierte. Seine wachsende Anhängerschaft bindet er dabei per YouTube und Facebook an sich, bewirbt seine Produkte und wirbt um Spenden „gegen das System“. Auch vielen Franzosen, die im Streit um die Mohammed-Karikaturen noch für die Freiheit der Kunst plädiert hatten, gehen diese Aktionen inzwischen zu weit. Muss auch religions- und minderheitenfeindlicher „Humor“ Grenzen haben? Und wie sollten Kirchen und Religionsgemeinschaften auf zunehmende Radikalisierungen im Netz reagieren?

Humor in und zwischen Religionen und Weltanschauungen

Das "Fliegende Spaghettimonster" ist die Gottheit des "Pastafarianismus" - einer Persiflage auf den Kreationismus. (Bild: dougnaka/flickr.com unter cc-by-sa)
Das „Fliegende Spaghettimonster“ ist die Gottheit des „Pastafarianismus“ – einer Persiflage auf den Kreationismus. (Bild: dougnaka/flickr.com unter cc-by-sa)

Als der Religions- und Wissenssoziologe Peter Berger um 1998 „Erlösendes Lachen“ veröffentlichte, richtete er den Blick auf die Nähe von Religion und Humor. Beide stellen herrschende Bezugsrahmen in Frage, stellen die Welt für kurze Momente auf den Kopf und bewirken dadurch einen „transzendenten Blick“ auf das Gegebene. Entsprechend wurde und wird Humor in allen religiösen Traditionen gegen alle Unterdrückungsversuche humorloser Sittenwächter (und oft gerade gegen diese) gepflegt – es mangelt nicht an Auslassungen zu „jüdischem“ und „katholischem“ Humor und in buddhistischen und taoistischen Kontexten gilt der zunächst verblüffende, dann zum Nachdenken einladende „Witz“ des Meisters als ein Weg zur Weisheit. Sogar evangelische Pastoren sollen schon beim Schmunzeln gesichtet worden sein, etwa rund um die Facebook-Gruppe „Dinge, die ein evangelischer Pfarrer nicht sagt“: „Das ist eine klasse Motivation! Ich habe mich damals auch konfirmieren lassen, weil ich Geld brauchte.“

Guter, weisheitlicher Humor nimmt dabei gerade nicht Gott oder andere Menschengruppen, sondern immer auch unsere eigenen Unzulänglichkeiten und verkürzten Lebens- und Gottesbilder aufs Korn. Er erniedrigt also nicht Mitmenschen, sondern schafft eine lockere Distanz zur eigenen Position, die Konflikte entkrampft, Hierarchien hinterfragt und Mauern zu überwinden hilft. Sehr schön zum Beispiel der „Turmbau zu Babel“ in der Bibel, 1. Moses 11,4 & 5:

Sie sprachen: Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, damit wir uns einen Namen machen; denn wir werden sonst zerstreut in alle Länder.

Da fuhr der HERR hernieder, dass er sähe die Stadt und den Turm, die die Menschenkinder bauten.

Wir dürfen uns ruhig ausmalen, wie die Autoren der biblischen Texte schon vor Jahrtausenden schmunzelten, als sie das menschliche Streben „bis an den Himmel“ mit Gottes souveräner Reaktion kontrastierten, der erst einmal „hernieder fuhr“, um sich den vermeintlichen Himmelskratzer mal genauer anzuschauen. Und inzwischen, Jahrtausende später, gibt es sogar einen Skyscraper Index, mit dem auffällige Korrelationen zwischen Baumaßnahmen im Größenrausch und folgenden Krisen erkundet werden.

Es kommt darauf an, wer einen Witz erzählt

Weil guter Humor also gerade auch die eigenen Grenzen augenzwinkernd thematisiert, spielt es eine große Rolle, wer einen Witz erzählt. Es ist eben etwas völlig anderes, ob die Eigen- oder Andergruppe humorvoll hinterfragt wird.

Den nachfolgenden Witz brachte beispielsweise ein Jesuitenpater am Rande einer interreligiösen Veranstaltung vor:

Der Papst und seine Kardinäle tagen zusammen, als ein päpstlicher Diener herein platzt. „Heiliger Vater, entschuldigt die Unterbrechung, aber ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht!“ – „So sprich, mein Sohn!“ – „Heiliger Vater, die gute Nachricht ist: Jesus ist auf die Erde zurück gekehrt!“ – „Hallelujah! Hallelujah, endlich! Was kann denn jetzt noch eine schlechte Nachricht sein?“ – „Nun ja, es war ein Ferngespräch aus Mekka…“

Der Witz sorgte für Heiterkeit und brachte sogar das Gespräch voran („Echt – Muslime hoffen auch auf die Wiederkehr Jesu?“). Aber stellen Sie sich bitte vor, wie der identische Witz in der gleichen Umgebung gewirkt hätte, wäre er von einem Muslim vorgebracht worden. In diesem Fall hätte nicht ein katholischer Christ witzig und weise die Grenzen allen menschlichen Wissens thematisiert; sondern ein Muslim den Christen den rechten Glauben abgesprochen.

Generell lässt sich konstatieren, dass die Gattung des interkonfessionellen Witzes an Bedeutung gewinnt – wohl auch einfach deswegen, weil immer mehr Menschen mit religiöser und weltanschaulicher Vielfalt im Alltag konfrontiert werden.

Worin unterscheiden sich Zeugen Jehovas und „Neue Atheisten“? Beide ziehen missionierend umher, aber nur einer kann begründen, warum.

(Wenn Sie jetzt zweimal darüber nachdenken, wer, hat der Witz bereits sein Ziel erreicht! 😉 )

Feindselige Witze

Neben den klugen, weisheitlichen Witzen gab und gibt es aber selbstverständlich leider die Tradition des feindseligen „Humors“, mit dem sich die Witzeerzähler auf Kosten anderer Menschengruppen erheben und profilieren. Über Frauen und Männer, Juden und Türken, so bezeichnete „Neger“ und „Zigeuner“, Homosexuelle und Behinderte gibt es unzählige, gemeine Witze, die gezielt ausgrenzen, verhöhnen, verletzen. Bei „Komikern“ wie dem eingangs geschilderten Dieudonné geht es nicht um „Humor“, sondern um das Bedienen und Schüren von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.

Erfreulicherweise ist das Bewusstsein für die Niedertracht solcher Witze inzwischen gestiegen und wird wenigstens in „öffentlichen“ Bereichen des Internets meist durch andere Nutzer geahndet.

Dabei gibt es jedoch leider eine beunruhigende Ausnahme: Verletzender Humor auf Kosten religiöser Menschen – gerne auch in ganzen Facebook-Gruppen als „Religioten“ verhöhnt – gilt als angesagt und „aufgeklärt“ und wird von einer Mehrheit der Nutzer schulterzuckend oder gar zustimmend akzeptiert. Es ist daher auch kein Wunder, dass eine steigende Zahl von Menschen Aggressionen und Minderwertigkeitskomplexe gegen eine der letzten „vogelfreien“ Gruppen entsprechend auslebt und oft mit einem Einsatz von mehreren Stunden am Tag solche „Witze“ erstellt, verbreitet und dafür Applaus von anderen „Religionskritikern“ erntet.

Entsprechend bedrückende Erfahrungen – die wohl auch zur Einladung zu diesem Gastbeitrag geführt haben – machte ich als Mitglied einer FB-Gruppe der „Kirche des fliegenden Spaghettimonsters“. Da es sich bei der FSM eigentlich um eine so genannte Spaßreligion antikreationistischer Aktivisten handelte, hatte ich ein paar Dosen kritischen, aber letztlich klugen und weisheitlichen Humors erwartet. Doch die Gruppe war längst in die brutal abwertende Beschimpfung aller religiösen Bekenntnisse „umgekippt“, in der z.B. auch ein Teilnehmer ohne Gegenrede die jüdische Beschneidung mit dem Einritzen eines Hakenkreuzes (!) gleichsetzen konnte. Als ich es wagte, solchen Entgleisungen und der Übernahme von Links aus rechtsextremen Seiten zu widersprechen, ließ mich „Bruder Spaghettus“ als „Geistlicher“ der FSM-Kirche und Administrator der Gruppe wissen:

Auch ich bin islamfeindlich. Ich bin auch christentumsfeindlich und finde das völlig normal.

Interessant war dabei auch, wie schnell „der Spaß aufhört“ – weil ich es gewagt hatte, zu widersprechen, wurde ich in einem einsamen Beschluss des Bruders auch gleich aus der Gruppe ausgeschlossen. Irgendwie habe ich seitdem das dumpfe Gefühl, dass Pastafarianer nicht in allen Fällen liebenswürdiger, toleranter und demokratischer sind als die religiösen Fundamentalisten, gegen die sie sich einst doch wandten.

Fröhliches Fazit?

Das Internet ermöglicht völlig neue Möglichkeiten der Kommunikation und Diskussion – wie auch wir als Blogger sie gerne nutzen. Zu den Nachteilen gehört jedoch, dass andere meist nicht körperlich anwesend sind, dass sich Hetzer aller Art anonym auslassen können und in die Halböffentlichkeit geschriebene Sätze oft eine auch emotional verletzendere Wirkung entfalten. Selbstmorde aufgrund von Cybermobbing gehören zu diesen Schattenseiten ebenso wie Radikalisierungen in Hassgruppen etwa islamistischer, sexistischer oder auch religionsfeindlicher Art.

(Bild: privat/blume-religionswissenschaft.de)
Dr. Michael Blume bloggt als Religionswissenschaftler den scilog „Natur des Glaubens“. Als Autor veröffentlichte er u.a. „Evolution und Gottesfrage. Charles Darwin als Theologe“ (Herder 2013). (Bild: privat/blume-religionswissenschaft.de)

Die Netzkultur wurde und wird überwiegend von Männern mit formal höherer Bildung und viel Zeit (also seltener mit Familien und Ehrenämtern) geprägt – mithin also von genau jenen Milieus, in denen religionskritische und religionsfeindliche Einstellungen am häufigsten sind. Es muss daher nicht verwundern, dass heute im Netz über „Religioten“ ebenso penetrant hergezogen wird wie früher „offline“ über andere vermeintlich minderwertige Menschengruppen. Verstärkend bilden sich dabei Filterblasen, in denen sich antitheistische Aktivisten gegenseitig selbst bestätigen und sich und andere fortlaufend radikalisieren.

Zu oft noch neigen religiöse Menschen – und gerade auch Christinnen und Christen – dazu, solche Attacken gütig lächelnd wegzustecken („die andere Wange hinzuhalten“), wegzuschauen, solange „nur“ Angehörige anderer Religionen angegangen werden oder aber selbst polemisch und verletzend zu reagieren. Die schwierigste, aber vielleicht notwendige Übung besteht darin, Religionsfeindlichkeit standhaft und besonnen als das zu entlarven, was sie ist: Eine weitere Variante von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, die kein bisschen besser, lustiger oder gar „aufgeklärter“ ist als etwa Sexismus, Homophobie oder Rassismus.

Oder wie eine lebenserfahrene Schwäbin einst lehrte:

Herr Blume, vielleicht hän Sie ja Recht. Aber Sie müssen mi schon au verstehen: Jetzt han I mi grad an die Katholike g‘wöhnt, da kommed Sie mit denne Moslems!

Ist Gott ein Sadist? Die Dschungelcamp-Theodizee

(Bild: wildcard communications GmbH /flickr.com unter cc-by-sa)
(Bild: wildcard communications GmbH /flickr.com unter cc-by-sa)

Die erfolgreiche TV-Show „Ich bin ein Star – holt mich hier raus“  geht in eine neue Runde. Der bessere Titel für die Sendung ist eigentlich in der Tat das häufig verwendete „Dschungelcamp“, denn man muss schon sehr schmerzfrei sein, um die Teilnehmer als „Stars“ zu bezeichnen. Doch der Erfolg der Sendung hängt auch nicht unbedingt daran, dass tatsächliche Stars und Sternchen daran teilnehmen. Freilich ist das gut für die PR, unter die sonst unbekannten Gesichter auch einen Mola Adebisi, Michael Wendler oder Winfried Glatzeder zu mischen. Aber ich bin davon überzeugt: Erfolg hätte das Format auch, würde es mit „ganz normalen“, unbekannten Menschen durchgeführt.

Denn im Kern geht es in der Sendung um etwas anderes: Man sieht die Teilnehmer Dinge tun, die man selbst niemals tun würde. Da verschlingen Menschen vor laufenden Kameras Känguru-Hoden, trinken pürierte Kakerlaken oder Schweine-Sperma. Es ist ein Voyeurismus der ganz besonderen Art. Es geht nicht primär um intime Einblicke in das Sexual- oder Privatleben anderer (obwohl das sicher auch eine Rolle spielt). In erster Linie geht es darum, andere Menschen erniedrigt zu sehen: Sie müssen, um Anerkennung zu finden vor der Gruppe und der Öffentlichkeit, ekelerregende Aufgaben erfüllen. Die Show bedient einen Ekel-Voyeurismus. Es ist eine andere Frage, ob dies nun verwerflich ist oder nicht – schließlich wissen die Teilnehmer genau, auf was sie sich einlassen. Das soll an dieser Stelle auch nicht bewertet werden. Interessant ist jedoch schon, dass es bei der ersten Staffel noch ordentlich Protest gegen das Format gab, es inzwischen aber weitgehend gelobt wird. Der Ekel-Voyeurismus hat einen festen Sendeplatz im deutschen Fernsehen.

„Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ hat einige Parallelen zu einer anderen Show, die erst vor wenigen Monaten zu sehen war: „Promi-Big Brother“. Anlässlich dieser Sendung hatte ich bereits – anhand von Psalm 139 – darauf verwiesen, dass die Öffentlichkeit hier eine Allgegenwarts- und Allmachts-Funktion einnimmt, die, zum Beispiel in Psalm 139, Gott zugeschrieben wird. Das kann direkt auf das Dschungelcamp übertragen werden. Viele Gedankensprünge braucht es da nicht: Die Öffentlichkeit ist der Gott dieser Sendung, der über das Wohlergehen der Kandidaten entscheidet. Demgegenüber die Kandidaten Anerkennung suchen. Die Öffentlichkeit ist diejenige Instanz, zu der die Kandidaten ihr „Hol‘ mich hier raus!“ rufen. Ein Schrei nach Aufmerksamkeit, Beachtung und Gnade, den wir sehr oft in den Psalmen finden (frei übersetzt z. B. in Ps 69,15; Ps 144,11; Ps 40,14 u.v.m.).

Die Dschungelcamp-Theodizee

Mehr noch als bei „Promi-Big Brother“ kommt beim Dschungelcamp aber der Erniedrigungs-Faktor zum Tragen. Andere Menschen sollen (psychisch) leiden, besonders die „Stars“, die es zuvor vermeintlich zu etwas gebracht haben. Bemerkenswert wird es, wenn man in diesem Kontext die Theodizee-Frage stellt: die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes. Während viele Menschen an dieser Überlegung verzweifeln und die Existenz eines guten Gottes nicht für möglich halten, weil es so viel Leid auf dieser Welt gibt, scheint sich diese Frage beim Dschungelcamp gar nicht zu stellen. Denn man könnte genauso fragen: Warum lässt die Öffentlichkeit, der Gott dieser Show, das Leid darin zu? Ja, vielmehr: Warum fordert sie es sogar?

Wenn man diese Frage einmal stellt, verrät sie viel über das Wesen dieses Gottes. Und die Tatsache, dass sie niemand stellt, zeigt, dass offenbar klar ist: Die Öffentlichkeit als Gott labt sich an der Erniedrigung anderer Menschen. Es kann weder die Existenz der Öffentlichkeit bestritten werden noch ihre Allmacht über die Kandidaten. (Durch ein Ausschalten des TV-Geräts oder entsprechenden Protest könnte ganz schnell dafür gesorgt werden, dass die Show eingestellt wird.) Freilich sind das bei der „echten“ Frage nach der Theodizee nicht die beiden einzigen Möglichkeiten einer Auflösung. Und letztlich agiert Gott nicht zwingend im Bereich der menschlichen Logik – Glauben heißt schließlich auch, anzuerkennen, dass eben nicht alles in einem naturwissenschaftlich-logischen Sinne erklärbar ist.

Doch beim Dschungelcamp ist das anders. Hier liegt die Antwort, warum der „Öffentlichkeits-Gott“ das Leid zulässt und gar fordert, auf der Hand: Er ergötzt sich daran. Das offenbart sich nicht nur bei diesem TV-Format. Man muss nur (zum Beispiel) in die Bild-Zeitung schauen, um weitere Belege zu finden.

Diese Beobachtung gewinnt auch gesellschaftliche Relevanz. Sie kann Hinweise darauf geben, wie der aktuellen Diskussion zum Beispiel um die NSA oder den „gläsernen Menschen“ zu begegnen ist: Es ist (überlebens-)wichtig, Rückzugsräume zu haben. Bereiche, die nicht an die Öffentlichkeit dringen. Da geht es nicht um die Frage, ob man etwas zu verbergen hätte oder nicht. Die Theodizee des Dschungelcamps offenbart einen Wesenszug des Gottes Öffentlichkeit, der uns davor warnen sollte, uns ihm ganz hinzugeben: Dieser Gott ist ein Sadist.

Bringt das Internet das Ende der Religion?

Vor längerer Zeit bereits stieß ich auf einen Artikel mit dem Titel „Religion may not survive the Internet“. Gelesen habe ich ihn erst jetzt, und leider war ich etwas enttäuscht. Ich hatte einen fundierten Artikel zu dem Thema erwartet, denn die Fragestellung hat – so merkwürdig sie im ersten Moment klingt – durchaus interessante Facetten. Leider bleibt die Autorin sehr oberflächlich, sie beschränkt sich auf Argumente wie folgende: Es gäbe im Internet wirklich „coole Wissenschafts-Videos“, gepflegte „Sammlungen lächerlicher Glaubensansichten“ und viele Webseiten, die über die „unterdrückerische, missbrauchende und gewalttätige Seite von Religion“ berichten. Das reicht der Verfasserin offenbar, um der Religion aufgrund des Internets eine schwierige Zukunft zu prophezeien:

Religions have spent eons honing defenses that keep outside information away from insiders. The innermost ring wall is a set of certainties and associated emotions like anxiety and disgust and righteous indignation that block curiosity. The outer wall is a set of behaviors aimed at insulating believers from contradictory evidence and from heretics who are potential transmitters of dangerous ideas. These behaviors range from memorizing sacred texts to wearing distinctive undergarments to killing infidels. Such defenses worked beautifully during humanity’s infancy. But they weren’t really designed for the current information age.

[spoiler title=“Übersetzung“] Religionen haben Äonen damit verbracht, Verteidigungen aufzubauen, die Informationen von außen von ihren Eingeweihten fernhalten. Die innerste Mauer ist eine Zusammenstellung von Sicherheiten und damit verbundenen Emotionen wie Besorgnis, Ekel und selbstgerechter Empörung, die Neugierde verhindern. Die äußere Mauer ist eine Zusammenstellung von Verhaltensweisen,  die darauf abzielt, die Gläubigen von widersprüchlichen Befunden abzuschotten und von Häretikern, die potenzielle Übermittler gefährlicher Ideen sind. Diese Verhaltensweisen reichen vom Auswendiglernen Heiliger Texte über das Tragen besonderer Unterwäsche bis hin zum Töten Ungläubiger. Diese Verteidigungsstrategien funktionierten prima, als die Menschheit noch in den Kinderschuhen steckte. Aber sie wurden nicht wirklich für das heutige Informationszeitalter geschaffen.  [/spoiler]

Das ist schade. Denn tatsächlich könnte man viel fundierter fragen, ob sich für Religionsgemeinschaften nicht tatsächlich dadurch etwas ändert, dass ihre Glaubens(grund)sätze nun viel einfacher und breiter zur Diskussion gestellt werden können, als dies vor dem Internet-Boom der Fall war. Und umgekehrt die Frage stellen: Ist es, wie von der Autorin (und vielen anderen) behauptet, für das Fortbestehen einer Glaubensgemeinschaft notwendig, sich gegenüber der Außenwelt – bis zu einem gewissen Maße – abzuschotten? Abweichler zu verurteilen und auszugrenzen?

Meinungspluralität: Das Ende des Glaubens?

Der Religionssoziologe Peter L. Berger beschreibt Ähnliches in der Sprache der Soziologen. Er spricht von „Plausibilitätsstrukturen“. Darunter versteht Berger (soziale) Gefüge, innerhalb derer die Weltvorstellungen einzelner identisch sind oder sich zumindest so sehr ähneln, dass sie erhalten bleiben können.[1]  In einer pluralistischen Welt (das Internet war für Berger bei diesen Überlegungen noch in weiter Ferne) sei der Mensch zunehmend einem „Imperativ der Wahl“ ausgesetzt: Man habe keine andere Möglichkeit mehr, als (sein Weltbild) zu wählen. Durch das Internet hat sich diese Situation nun freilich weiter verschärft. Die Hürde, auf andere Meinungen – und damit auf Ablehnung seines Weltbildes – zu stoßen, ist geringer geworden. Sei es durch Diskussionen, die im Web anonym und niedrigschwellig stattfinden können, sei es durch kritische Webseiten (oder schlicht: Webseiten, die das jeweilige  Weltbild nicht teilen), auf die man zufällig stößt. Wo man früher aktiv die Kommunikation mit anderen Menschen suchen oder sich mit entsprechender Literatur eindecken musste, reichen heute wenige Klicks.

Die Vielfältigkeit der Meinungen, die im Internet unter dem relativistischen Label „alles ist schon irgendwie richtig“ verbreitet wird, sehen tatsächlich Einige als großes Problem für etablierte Religionen. Und ja, es mag eine Herausforderung sein. Der bekannte amerikanische katholische Blogger Brandon Vogt schlägt deshalb vor, eine Art Imprimatur für Internetseiten und Blogs einzuführen. Sprich: Ein Siegel für Blogs und Webseiten, an dem – in diesem Fall für Katholiken – erkennbar ist, ob das, was dort geschrieben steht, auch den offiziellen Ansichten der Religionsgemeinschaft entspricht.

Aber es wäre fatal, dieser „neuen Situation“ so zu begegnen. Denn der Kern der Herausforderung ist nicht, sich von der Pluralität der Meinungen im Internet herauszunehmen und zu sagen: „Die haben sowieso nicht recht“. Im Kern geht es doch vielmehr darum, sich nicht gegen diese Pluralität, sondern in dieser Pluralität zu bewähren. Und das heißt: Die Herausforderung für Religionsgemeinschaften ist keineswegs die Abschottung von anderen Weltbildern.

Argumente statt Dogmen

Die Herausforderung im Internet-Zeitalter lautet vielmehr: Religionsgemeinschaften müssen sich zunehmend aktiv mit anderen Meinungen und mit Kritik auseinanderzusetzen. Den jeweils eigenen Anhängern müssen nicht Dogmen eingetrichtert werden, sondern sie müssen argumentativ überzeugt werden.[2] Es reicht nicht, zu sagen: „So ist das eben.“ Religionsgemeinschaften – und deren Anhänger – müssen lernen, plausibel zu begründen, warum sie das glauben, was sie glauben. Sie müssen sich mit ihrer eigenen Geschichte auseinandersetzen, die sicher nicht immer bunt und heiter ist. Kritik und Ablehnung sind dann keine Gefahr mehr, sondern eine Chance.

Zwei Gedankenstränge dazu:

(1) Während also die Autorin des eingangs genannten Textes das Ende der Religion heraufbeschwört, würde ich eher dazu tendieren, zu sagen: Vielleicht gibt es in dieser Hinsicht einen Wandel der Religionen.[3] Das wäre – auch wenn es von vielen so dargestellt werden mag – keine Veränderung hin zum Schlechten. Vielmehr könnte das langfristig dazu führen, dass zum Beispiel extremistische Positionen immer unbedeutender werden, weil sie argumentativ an ihre Grenzen stoßen, sobald sie sich im globalen Internet-Zirkus bewähren müssen. Doch das gelingt nur, wenn gemäßigte Stimmen aus den jeweils eigenen Reihen laut das Wort ergreifen. Erklären, warum die Welt nicht schwarz-weiß ist, wie es von fundamentalistischen Positionen – egal ob Islam, Christentum oder irgendwelchen anderen Religionen – gerne dargestellt wird.

„Argumente statt Dogmen“ – das könnten dann prägnant die Schlagworte sein, die den Wandel beschreiben, zu dem (nicht zuerst) das Internet die Religionen herausfordert. Argumente müssen sich in Diskussionen bewähren, und sie müssen auch in Diskussionen erarbeitet werden.

(2) Des Weiteren ließe sich fragen, ob überhaupt die obige Situation eintritt. Ob also tatsächlich durch das Internet zwangsläufig die Anhänger einzelner Religionsgemeinschaften, so sie sich denn im WWW bewegen, mit mehr Kritik an ihrem Glauben konfrontiert werden als bisher. Freilich, die Schwellen, Kritik zu begegnen, sind niedriger. Doch das gilt auch andersherum: Kommt man etwa auf Webseiten, deren Inhalt man nicht lesen möchte (weil sie z. B. den eigenen, bequemen Glauben infragestellen), ist man mit einem Klick auch schnell wieder weg. Ohne, dass man sich vor irgendjemandem rechtfertigen muss. Man kann im anonymen Internet unbequemen (An-)Fragen viel leichter ausweichen als im persönlichen Gespräch.

Es ist folglich nicht zwangsläufig so, dass sich etwa ein Christ mit der oben angeführte Sammlung „lächerlicher Glaubensansichten“ oder den Greueltaten der Geschichte des Christentums auseinandersetzen muss, nur weil er sich im Internet bewegt. Auch das Internet ist kein Raum, der bestehende Sozialstrukturen auflöst. Vielmehr finden diese auch im neuen Medium statt, zum Beispiel in entsprechenden Foren. Wer also interessengeleitet sucht, für den ist nichts einfacher, als kritische Anfragen zu umgehen und sich – auch im Internet – nur in seiner jeweiligen „Plausibilitätsstruktur“ zu bewegen.

Hinterfragen? Ja, bitte!

Zu guter Letzt darf man nicht vergessen, dass sich dieser Wandel nicht erst seit dem Aufkommen des Internet vollzieht. Schon immer mussten sich Glaubensgemeinschaften in einer pluralen Welt bewähren; lediglich die Art und Weise mag sich von Zeit zu Zeit ändern. „Argumente statt Dogmen“ galt schon immer dort, wo gemeinsame Glaubensgrundsätze fehlten: in der Diskussion mit Andersdenkenden. Es mag sein, dass durch das Internet mehr Menschen lernen,  ihr Weltbild zu hinterfragen. Nicht umsonst versuchen manche Staaten, durch Zensur bestimmter Webseiten ihre Bevölkerung vor Kritik abzuschotten.

Doch wenn  Menschen beginnen, zu hinterfragen, was sie glauben – dann ist das eine wünschenswerte Entwicklung. In jeder Hinsicht. Denn letztlich macht es Religionen nicht schwächer, sondern stärker, wenn ihre jeweiligen Anhänger lernen, mit Kritik auf einer argumentativen Ebene vernünftig umzugehen. Es ist also gerade wichtig, auch mal über den Rand seiner „Plausibilitätsstruktur“ hinauszublicken. Sich nicht nur in Kreisen und auf Webseiten, Blogs und in Foren zu bewegen, die das eigene Weltbild stützen. Die Religionsgemeinschaften selbst sollten das unterstützen. Denn schon allein die Frage: „Was aber, wenn wir dadurch Anhänger verlieren?“ würde offenbaren, dass sie es entweder nicht verstehen, ihre Botschaft argumentativ plausibel zu vermitteln. Oder dass sie kein Vertrauen in das haben, was sie glauben (was ein Widerspruch in sich wäre).

Bringt das Internet also das Ende der Religion – wie von der eingangs genannten Autorin suggeriert? Nein. Im Gegenteil: Es ist eine große Chance.

 


[1] Literaturtipps für interessierte Weiterdenker: Berger, Peter L.: Auf den Spuren der Engel, Herder-Verlag, 1991 (oder andere div. Auflagen); Ders.: Der Zwang zur Häresie, Fischer-Verlag, 1980; Ders./Luckmann, Thomas: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit, Fischer-Verlag, 1999.
[2] Dieser Faktor spielt freilich auch schon von Anfang bei Glaubensgemeinschaften eine Rolle. Ich denke jedoch, dass diese Rolle aufgrund der o.g. Beobachtungen immer wichtiger wird.
[3] Den gibt es sowieso, ich beziehe mich auf den speziellen Punkt aus dem vorherigen Absatz.

Teste deinen Glauben – mit dem „Cred-O-Mat“

(Bild: Screenshot blog.br.de/fm/TheoPop)
(Bild: Screenshot blog.br.de/fm/TheoPop)

Geglaubt wird immer, von jedem. Nicht immer unbedingt so, wie es in den großen Weltreligionen tradiert wird. Dennoch glaubt jeder an irgendetwas. An Liebe, an Zufall, an die Wissenschaft – oder eben an Gott. 

„Woran glaubst du wirklich?“ fragen zwei Journalistinnen vom Bayrischen Rundfunk – sie wollen eine „Mitmach“-TV-Dokumentation darüber produzieren, woran Menschen glauben. Zu diesem Zweck haben sie auf einem eigens eingerichteten Blog („Woran Glauben?„) einen „Cred-O-Mat“ online gestellt. Der ist recht umfangreich. 65 Fragen muss man beantworten, um am Ende eine kleine Auswertung zu bekommen, und vielleicht einen Hinweis darauf, „woran man wirklich glaubt“.

Der Fragebogen wurde offenbar auf wissenschaftlichen Grundlagen entwickelt und soll für die Dokumentation ausgewertet werden. Zudem fordern die Macherinnen dazu auf, ihnen Kommentare oder kurze Videoclips zuzuschicken, die eine Antwort auf die Frage „Woran glaubst du?“ enthalten. Oder einfach die Gedanken, die man sich über sein Ergebnis im Cred-O-Mat macht.

Eine interessante Sache, ich bin wirklich neugierig auf die Dokumentation, die daraus entstehen wird. Gut finde ich: Der Cred-O-Mat zeigt am Ende nicht an, welcher Religion „man am ehesten entspricht“. Er ist dazu gedacht, die eigenen Gedanken anzuregen. Auch wenn vielleicht vieles keine weltbewegende Erkenntnis sein wird – zumindest nicht für diejenigen, die sich bereits mit ihrem eigenen Glauben auseinandergesetzt haben.

Ich jedenfalls glaube, so sagt mir meine Auswertung, an „Gott“ und an die „Kraft der Gemeinschaft“. „Übernatürliche Phänomene“ (im Sinne von Edelsteinen oder Glücksbringern) haben in meinem Weltbild keinen Platz, umso mehr aber das „Wissen und Verstehen“. Nun: So sei es. Da kann ich nun drüber nachdenken. Das werde ich auch tun.

Hier findet ihr den Cred-O-Mat: blog.br.de/woran-glauben/

App-Test: Warum „Die Losungen“ durchfallen

Ein neues Jahr beginnt, und zu einem neuen Jahr gehören auch neue Losungen. Als Smartphone-Nutzer hatte ich bisher eine tolle App, die mir auf meinem Telefon jeden Tag die neuesten Losungen angezeigt hat, über ein sogenanntes Widget. Jedes Mal, wenn ich mein Telefon anschaltete, lachten mich also die Losungen an. Das fand ich toll.

Am 1.1.2014 jedoch fand ich statt des täglichen Verses Folgendes vor:

(Screenshot: fm/Theopop)
(Screenshot: fm/Theopop)

Keine Rechte mehr, die alte App, die mir lange problemlos gute Dienste geleistet hat, ist unbrauchbar und muss deinstalliert werden. Mir war bewusst, dass es für die Losungen Rechte gibt – auch wenn ich es irgendwie befremdlich finde. Aber das wäre ein anderes Thema.  Fakt ist jedenfalls: Die Herrnhuter Brüdergemeine hat offenbar für 2014 eine eigene Smartphone-App programmiert, für die sie sich durch den Entzug der Rechte die Konkurrenz aus dem Weg schafft. Das ist, was auch man immer von der Rechtefrage hält, zumindest nachvollziehbar. Die bisherige App „Losungen“ wurde von einem Privatmann programmiert und gepflegt.

Neue App? Her damit!

Nun gut. Will ich weiterhin auf meinem Handy in den Genuss der Losungen kommen, muss ich mir lizenzierte Original-App herunterladen. Die ist kostenlos im Google-Play-Store verfügbar und schnell installiert. Doch ebenso schnell kommt die Ernüchterung. Die App ist zwar kostenlos, doch für die Daten muss ich zahlen. 4,49 Euro kosten die Losungen für 2014. Ich stutze, denke dann aber: Für das Losungs-Büchlein muss ich ja auch zahlen. Es wundert mich dann aber schon, dass die gedruckten Losungen in der normalen Ausgabe nur 3,90 Euro kosten.

(Screenshot: fm/Theopop)
Die neue, „originale“ Losungs-App.  (Screenshot: fm/Theopop)

Aber ich bin ja nicht so. Und außerdem will ich die Losungen wieder auf meinem Telefon! Auch wenn es mir leicht aufstößt, überhaupt für einen digitalen Bibeltext (ähm, Moment: für die Auslosung eines Bibeltextes) bezahlen zu müssen und ich vor allem die Höhe nicht verstehe, gebe ich klein bei. Und schließlich verstehe ich auch: da steckt Arbeit dahinter, auch die Herrnhuter Brüdergemeine muss sich in schwieriger werdenden Zeiten finanzieren.

Die App ist schlicht gestaltet, sieht hübsch aus. Ich muss sagen: ansprechender als die alte. Per Kalender kann ich mir die Vers-Auswahl für jeden beliebigen Tag anschauen. Schriftgröße (3 Stufen) und Hintergrundfarbe (12 Farben) kann ich auswählen. Mit einem Klick auf die  verlinkte Bibelstelle komme ich auf „die-bibel.de“ zum jeweiligen Textabschnitt direkt in den Kontext der Losung. Das geht natürlich nur, wenn ich Internetzugang habe.

Doch das war es leider auch schon. Bei der vorherigen App gab es zum Beispiel eine Notiz-Funktion zu den Losungen. Die suche ich hier vergeblich.

Kein Widget? Setzen, Sechs!

Doch viel mehr noch stört mich etwas anderes. Die Losungs-App an sich habe ich gar nicht sehr häufig benutzt. Was mich aber täglich begleitete: Das Widget auf der Startseite meines Smartphones. Und ich war schwer enttäuscht, als ich feststellen musste, dass es kein Widget gibt. Die neue App wurde also ohne die Möglichkeit geliefert, sich die Losung auch ohne das zusätzliche Öffnen des Programms anzeigen zu lassen. Das ist mir, ehrlich gesagt, völlig unverständlich. Für mich ein Grund, die App im Test „durchfallen“ zu lassen und zu hoffen, dass bald per Update ein Widget nachgeliefert wird. Das Schöne war doch gerade, dass ich durch das Widget jeden Tag an die Losungen erinnert wurde. So kann ich mir auch für 3,90€ die Buch-Version kaufen.

Was mir vor allem schleierhaft ist: Die Programmierer der App – oder diejenigen, die dafür verantwortlich sind – müssen doch gewusst haben, dass es seit langer Zeit eine gut funktionierende, brauchbare App für ihre Losungen gibt. Die „alte App“ hat eine enorm hohe Nutzerzufriedenheit. Denn sie hat einfach gut funktioniert. Und vor allem: Zwischen 50.000 und 100.000 Leute haben sie nach Google-Angaben auf ihr Smartphone geladen. Wie kann man auf die Idee kommen, hier einfach eine von Grund auf neue App aus dem Boden stampfen zu wollen? Hätte man nicht zum Beispiel mit dem Entwickler der „ersten“ App eine gemeinsame Lösung suchen – und etwa eine Zusammenarbeit in die Wege leiten können? Hätte man nicht aus seinen Erfahrungen lernen können?

Offenbar wollte man das Rad neu erfinden. Das ist nicht nur sinnlos, sondern auch teuer. Denn ich vermute, dass die App auch wegen hoher Entwicklungskosten teurer ist als das Buch. Man hätte viel sparen können, vor allem Ärger. Nicht nur mir, wenn man sich die Bewertungen im Google-Store anschaut. 198 von 257 geben die schlechtmöglichste Wertung. Auch wenn einige Radikal-Kritiker darunter sind: Viele kritisieren nicht grundsätzlich, dass sie bezahlen müssen. Es ist die Höhe, die unangemessen erscheint. Und das Unverständnis darüber, dass kein Widget mitgeliefert wurde. Der App wird also letztendlich zum Verhängnis, dass die Nutzer für eine Verschlechterung zahlen müssen.

[Update 7.01.2014]: Kummerkasten-Email

An dieser Stelle möchte ich Nachreichen, dass es eine Adresse gibt, an die man sich wenden kann. Wer seinem Unmut kund tun möchte, kann eine Mail an support@losungen.de schicken, Manfred Salewski ist der zuständige Pfarrer. Bitte aber: In vernünftigem Ton und sachlich! Pöbelei bringt niemanden weiter und wird seitens der Verantwortlichen sowieso ignoriert.

[Update 12.02.2014]: Neuigkeiten

Es tut sich tatsächlich etwas bei der App. Ausführliche Infos gibt es hier in einem neuen Blogbeitrag.

Nachdenkliche Weihnachten!

Natürlich stimme auch ich an dieser Stelle in die allgemeinen Wünsche ein: Ich wünsche allen Lesern frohe und gesegnete Weihnachten!

Für einen längeren Weihnachtstext an dieser Stelle fehlte mir dieses Jahr leider die Zeit – dafür gibt es an anderem Ort ein kurzes Plädoyer meinerseits für ein nachdenkliches Weihnachtsfest:

[…] Woher? Warum? Wohin? Das sind auch zentrale Fragen, die Weihnachten an diejenigen stellt, die sich darauf einlassen. Die provokative Behauptung, ein Gott sei in Jesus Mensch geworden, sprengt den Rahmen dessen, was sich „wissenschaftlich“ nennt. Sie bringt eine andere Dimension ins Spiel: den Glauben. Den Glauben daran, dass es vielleicht Dinge gibt, die über diese Welt, die wir mit Worten und Zahlen beschreiben können, hinausgehen. Dass das Leben mehr ist als ein Lückenfüller zwischen Geburt und Tod. Ein solcher Glaube weckt zugleich Zweifel. Daran zum Beispiel, dass „Zufall“ die einzige Antwort auf Fragen ist, die sich wissenschaftlicher Erkenntnis entziehen. […]

(Den ganzen Artikel lesen bei n-tv.de)

An Weihnachten ist nicht nur Zeit für Freunde, Familie und gutes Essen. Da ist auch Zeit, über Dinge nachzudenken, die im Alltag untergehen und oft keinen Platz haben. Solche Zeit kann unangenehm sein, aber dennoch erfüllend. Sie ist vor allem eines: wichtig.

In diesem Sinne: Genießt die Feiertage und die Auszeit!

Das (muslimische) letzte Abendmahl

Gerade entdeckt: Ein tolles Bild. Es ist ein Gruppenbild, das einige Freunde gemacht haben – allerdings ein besonderes. Nämlich das hier:

(Foto: twitter.com/imanali / @imanali)
(Foto: twitter.com/imanali / @imanali)

Zum Vergleich das wohlbekannte Original von Leonardo da Vinci:

(Bild: Leonardo da Vinci "Das letzte Abendmahl"/ Public Domain)
(Bild: Leonardo da Vinci „Das letzte Abendmahl“/ Public Domain)

Der Huffington Post sagte Fatima Ali, die offenbar die Idee zu diesem Foto hatte: „For this year’s photo, we wanted to do something that, in its own humble way, aimed to bridge the gap between Eastern and Western cultural and religious norms. We looked up the painting, assigned each person a character, and meticulously tried to mimic the image, while also making it our own.“ Die meisten der Personen in dem Bild seien gläubige Muslime, sagt Fatima Ali zudem.

Manchmal kann ein Anstoß zu Dialog und Diskussion so einfach sein. Muslime stellen ein Bild nach, das eine zutiefst christliche Prägung und Wirkungsgeschichte hat. Nicht, um sich darüber lustig zu machen, sondern um damit ein Zeichen zu setzen, ihre eigene Interpretation mit hineinzubringen und zum Nachdenken anzuregen. Es hat funktioniert, zumindest bei mir. 

Für den Dialog zwischen Kulturen und Religionen sind solche Aktionen überaus hilfreich, wenn sie auch in noch so kleinem Kreis geschehen. Vielleicht fühlt sich manch einer provoziert, andere sind begeistert. Doch eines ist allen gemeinsam: Man spricht darüber, tauscht sich aus. Über solch kreative Ideen kommt man leichter ins Gespräch als über abstrakte Themensetzungen. Und es fällt auch kaum auf, dass ein muslimischer Jünger fehlt.

Glückwunsch an die Foto-Truppe – und danke für das tolle Bild!

Die Jesus-Analyse bei „Google Trends“

Google weiß ja bekanntlich alles. Und es gibt eine Menge Google-Tools, mit denen man rumspielen kann. Besonders interessant finde ich Google Trends – dort kann man (unter anderem) sich anzeigen lassen, wie oft bestimmte Schlagwörter zu einer bestimmten Zeit gesucht wurden. Dabei kommen mitunter ganz interessante Sachen raus.

Ich habe zum Beispiel einmal nach dem Keyword „Jesus“ geschaut. Im folgenden Diagramm ist dargestellt, wie oft der Begriff im Zeitraum 2004-2013 in Deutschland gesucht wurde. Ich habe nur die interessanten Jahres-Peaks dargestellt, das sind jeweils die Oster-Monate der entsprechenden Jahre und der Dezember. Die Zahlen sind nicht absolut, sondern in Relation zum Monat mit den meisten Suchanfragen angegeben (April 2010 = 100). Die Daten für Dezember 2013 sind eine Google-Prognose aufgrund bisheriger Suchanfragen in diesem Monat:

 

Was zeigt das? Zunächst einmal fällt der Ausreißer im Dezember 2012 auf, bei dem fast der Spitzenwert von April 2010 erreicht wird. Die Erklärung ist simpel: In diesem Monat kam in Deutschland der Film „Jesus liebt mich“ in die Kinos. Google Trends sagt auch, dass die Suchkombination „Jesus liebt mich“ tatsächlich für diesen Ausreißer verantwortlich ist. 

Lassen wir also den Dezember beiseite und ordnen ihn in etwa wie den Dezember des Vorjahres 2011 ein, zeigt sich eine Entwicklung: Es gibt einen Höhepunkt an Ostern 2010 (dieser zeichnet sich in den Originaldaten schon im März 2010 ab [Wert: 82]). Von 2004 an gibt es eine stetige Steigerung hin zu diesem Datum, besonders ab Weihnachten 2008. Nach dem Dezember 2010 gibt es allerdings einen groben Bruch: Viele Google-Nutzer verlieren das Interesse an „Jesus“. Tendenz: Fallend? Das ist nicht ganz klar, da sowohl die Daten von Dezember 2012 als auch die von Dezember 2013 noch unzuverlässig sind. Stimmt die Google-Hochrechnung (in einigen Wochen werden wir es wissen), erreicht das Diagramm in diesem Dezember einen neuen Tiefpunkt.

Was kann man daraus schließen? Vielleicht nicht viel. Es ist zwar nicht verwunderlich, auf jeden Fall aber interessant, dass sich tatsächlich zu Ostern und in der Adventszeit offenbar deutlich mehr Leute als im Jahresschnitt für das Schlagwort „Jesus“ interessieren. Ich finde die Hoch-Zeit von 2008-2010 bemerkenswert, auch wenn ich keine Erklärung dafür habe. Und auch die Tatsache, dass die Suche nach  „Jesus“ wieder abnimmt: Weniger Menschen wollen sich (via Google) über Jesus informieren. Die Gründe hierfür können vielschichtig sein: Nimmt das Interesse ab? Kennen sich die Leute besser aus? Oder ganz banal: Wenden sich Leute von Google ab und suchen zunehmend über andere Wege nach Informationen?

All das geht aus den Daten nicht hervor. So ist „Google Trends“ in diesem Fall vielleicht nur eine nette Spielerei. Aber: eine interessante.