Heilige Alexa, bete für uns

Auf diesen Saugroboter gehören Wackelaugen, denke ich, als ich mir anschaue, wie lebendig dieses Ding auf dem Boden gegen Kanten knallt, zögert und stutzt und niedlich blinkt. Wie diese mäuseähnlichen Bodenroboter aus Star Wars. Mir fällt es schwer, bei diesem Anblick nur an eine Platine und Softwareroutinen zu denken. Und natürlich braucht so ein Saugroboter auch einen Namen. Wie die Roboterhaustiere, die in Zukunft den Markt überschwemmen und die Bewegungen von Disney-Pixar-Charakteren und Terminator verbinden.

Irgendwie kriegen diese Dinge, in denen Menschen hilfreiche Routinen abspeichern, wenn man sie beobachtet, schnell so etwas wie einen Subjektstatus. Sie werden zu einem Gegenüber, wie die Haustier-Katzen, die sie erschrecken oder die mit ihnen spielen. Nicht ganz Mensch, halbes Haustier, aber nicht mehr ganz Ding – aber dann doch nur eine Projektion vom Menschen, etwas was Menschen ablegen und abspeichern und was ihnen dann wieder vorgespielt wird? Simulierter Subjektstatus und Spielzeug? Niedlich und mehr nicht. Jedenfalls ohne eigene Stimme. Noch.

Genauso war das auch mit dem Segensroboter der Reformations-Expo in Wittenberg, über den ich hier im letzten Jahr geschrieben habe. Eine Spielerei, bei der eine vorher aufgenommene Stimme von einer Pfarrerin oder einem Pfarrer der Kirche Hessisch-Nassau die Menschen segnet. Eine Audioaufzeichnung also, zusammen mit einer abgespeicherten Bewegungsroutine der Arme verteilt robotisch-mechanisierte Segensgesten. Der eigentliche Segen wurde, so die weitläufige Interpretation und Intention der Macher*innen, nicht vom Roboter oder von Künstlicher Intelligenz (KI) gemacht, sondern nur übertragen.

Ein „Ding“, die KI, übernimmt die religiöse Rede

Offenbar ist die Mechanisierung religiöser Rede nun einen Schritt weiter. In der vergangenen Woche hat die Church of England einen „skill“ für die Haushalts-Smart-Devices Alexa und Echo gelauncht. Die Anglikaner*innen ergänzen so eine Reihe von Apps, die Menschen Zugang zu Gebeten, Lesungen und Gottesdienstelementen unterwegs und daheim bieten sollen. Die englische App betet auf Befehl Gebete zum Morgen, für den Tag oder auch am Tisch. Sie beantwortet Fragen zur Bibel, zum Wesen Gottes, zum Christsein, zu Hochzeiten und Beerdigungen – und vermittelt an lokale Parochien.

Der Erzbischof von York, John Sentamu sagt, der Service, „ermöglicht regelmäßigen Kirchgänger*innen und solchen, die sich an den Glauben annähern, auf eine andere Weise mit Gott in Verbindung zu kommen und zu einer Zeit, die für sie richtig ist. Ein Viertel aller Haushalte im Vereinigten Königreich verfügen über solche Smart-Devices und (…) dieses schnell wachsende Areal wurde als Priorität für die Weiterentwicklung identifiziert.“ ((Harriet Sherwood, Church of England app lets Alexa say grace, The Guardian Weekly, 01.06. 2018)).

Anders als beim Segensroboter spricht hier keine aufgezeichnete Stimme eines anderen, sondern die KI selbst. Im Akt des Betens – auf Befehl oder nach vorher festgelegter Zeit – generiert ein Gerät selbst aktual Laute. Die religiöse Rede, so könnte man argumentieren, wird erstmals von einem Ding gemacht. Alleine, wenn Alexa sagt: „Dear God Almighty“ – was passiert da eigentlich? Ein Ding adressiert Gott! Oder nicht? Irgendwie ist das mehr, als wenn ich eine Audioaufnahme abspiele. Und Alexa schließt sich selbst ja auch performativ ein, wenn – sie? es? – wenn Alexa das Vaterunser betet. (Was auch immer das täglich Brot von Amazon ist, mit der Schuld und den Schuldnern ist das einfacher…). Wie verändert das religiöse Gewohnheiten und wie ist das eigentlich mit Datenschutz und Beichtgeheimnis, wenn ein offenes Mikro mit WLAN-Zugang mein Beten ‚begleitet‘?

Alexa bleibt ein Spielzeug menschlicher Spiritualität

Eine Roboterstimme, generiert von künstlicher Intelligenz interagiert also mit anderen und für andere und das vor Gott. Darin ist Alexa dann nicht anders als liturgisch Beauftragte – vielleicht sogar nicht anders als klassische Interzessor*innen wie die Jungfrau Maria oder St. Judas – Vertreter*innen in einer anderen Sphäre. Ungeachtet der Frage, ob Computer überhaupt beten können, haben die Engländer sie jedenfalls einfach damit anfangen lassen. Scheinbar.

Aber ist das wirklich etwas anderes, als wenn ich einem Papagei oder einem begabten Schwein beibringe, ein Gebet aufzusagen? Auch wenn sie mit eigener Stimme sprechen, fehlt mir etwas dazu, die religiöse Rede Alexas wirklich als Gebet zu verstehen. Alexa hat eben immer noch keinen Subjektstatus oder Bewusstsein, Entscheidungsmöglichkeit etc. Und Alexa bleibt ein Spielzeug menschlicher Spiritualität – nicht der Beginn einer eigenen künstlichen.

Trotzdem ist die Technologie der Kirche von England innovativ. Denn durch sie wird das Roboterding zum Gegenüber für menschliche religiöse Rede, wird zum Aktant und Teil des Gebets, zum Auftaktgeber und zur Vorbeter*in, zur Vermittler*in religiösen Wissens und Zugangsgarant für religiöse Repertoires der Lebensgestaltung und -bewältigung. Darin – so könnte man argumentieren – transformiert sich das Home-Device zu einem normalen liturgischen Gebrauchsgegenstand – nicht anders als Gebetsleuchter, Altarbild oder Rosenkranz – ein Gegenüber und Interaktant um gemeinsam mit Gott in Kontakt zu kommen. Nur eben privat, überall, jederzeit und daheim und ohne weitere liturgische Gegenstände vielleicht nicht ganz so immersiv.

Ich jedenfalls spüre den Drang nicht nur zur Ergänzung von Augen, die der Gebetsroboter schon hatte und die dem Saugroboter fehlten, sondern auch von einer Stola. Die würde ich um die kommerzielle Klangsäule drapieren, für die neue medienaffine gestaltete Mitte, auch wenn sich kaum noch ein Kreis um sie bildet.

Das sind die christlichen Top-Blogs 2017

Ein katholisches Feuilleton-Blog, eine Satire-Seite und ein persönliches Blog einer Christin: Die Spitze der reichweitenstärksten Blogs im vergangenen Jahr ist bunt. Das zeigt eine Analyse der Ranking-Seite Theoradar.

Das theologische Feuilleton feinschwarz.net ist das christliche Blog mit der größten Reichweite in den Social Media im Jahr 2017. Das ergibt die Theoradar-Auswertung von über 4700 Artikeln, die im vergangenen Jahr auf mehr als 400 christlichen Blogs veröffentlicht wurden. Beiträge von feinschwarz.net wurden dabei insgesamt 19613 Mal geteilt, geliked, kommentiert oder auf Twitter erwähnt.

Platz zwei der reichweitenstärksten christlichen Blogs wird mit 16815 Interaktionen in den Social Media von dem Satireblog Theoleaks belegt. Platz 3 geht mit 12101 Interaktionen an die Webseite GekreuzSiegt.

In den TopTen der reichweitenstärksten Blogs findet sich eine bunt zusammengewürfelte Mischung unterschiedlichster Prägungen. Während mit feinschwarz.net die universitäre Theologie an der Spitze liegt, repräsentiert GekreuzSiegt eine sehr individuell-persönliche Prägung. Platz 4 geht an den katholischen Blogger und Publizisten Josef Bordat (9465 Interaktionen). Mit „The Cathwalk“ (6444 Interaktionen) landet ein konservativ-katholisches Blog auf Platz  5, mit „kreuz und queer“ (4128 Interaktionen) ein liberal-evangelisches Blog mit einem Schwerpunkt auf Gender-Themen auf Platz 6.

Satire-Beiträge werden am heißesten diskutiert

Die beiden Artikel, die im vergangenen Jahr am meisten Resonanz in den Social Media hervorgerufen haben, stammen beide vom Satire-Blog Theoleaks. Mit großem Abstand (5585 Interaktionen) liegt der Beitrag mit dem Titel „Nordsee gewinnt vor Gericht -Christen dürfen Fischaufkleber nicht mehr nutzen“ weit vorne.

Auf Platz zwei landet ein Beitrag, der kurz vor der Bundestagswahl veröffentlicht wurde: „Kehrtwende: AfD distanziert sich von ihren christlichen Wählern!“ (2663 Interaktionen). Platz drei belegt mit 1351 Interaktionen ein Beitrag von GekreuzSiegt zum Thema „Ehe für alle“.

Impact-pro-Beitrag- Analyse zeigt Überraschungen

Besonders interessant ist, dass sich von dem Top-Blog feinschwarz.net kein Beitrag in den TopTen der meistverbreiteten Artikel findet. Erst auf Platz 11 findet sich hier der Artikel mit dem Titel „Denn Gott bin ich und nicht Mann (Hosea 11,9)“ ( 712 Interaktionen). Dies lässt sich dadurch erklären, dass die feinschwarz-Redaktion mit 256 von Theoradar erfassten Artikeln eine sehr hohe Blog-Frequenz aufweist (mehr Beiträge veröffentlicht mit 576 nur der katholische Blogger und Publizist Josef Bordat).

Verrechnet man die Anzahl der veröffentlichten Artikel mit den Impact-Werten in den Social Media, landet feinschwarz auf Platz 23 in der deutschsprachigen christlichen Blogosphäre. Ganz oben steht hier das Blog „Gardinenpredigerin“, die mit einem einzigen publizierten Artikel („Wer Kinder liebt, pfeift auf Kindergottesdienste“) 744 Interaktionen hervorgerufen hat. Platz 2 liegt hier bei Pastoracara (344 Interaktionen pro Beitrag), dann folgt Theoleaks (290 Interaktionen pro Beitrag).

Die Analysen beruhen auf der Datenbank der christlichen Blog-Topliste Theoradar, die derzeit 415 christliche Blogs ständig beobachtete und dort publizierte Beiträge auf ihre Resonanz in den Social Media hin untersucht (Facebook, Twitter, Google+). Aus diesen Daten werden Toplisten generiert, die einen Überblick darüber geben, welche Themen und Beiträge gerade besonders intensiv diskutiert werden.

Von der Datenbank erfasst werden Beiträge, sobald sie mindestens fünf Interaktionen aufweisen. Es wurden also nicht ausnahmslos alle Blogartikel erfasst, sondern nur diejenigen, die eine gewisse Mindest-Resonanz hervorgerufen haben. Das ist besonders für die Impact-pro-Beitrag- Analyse von Bedeutung, da diese hierdurch unter Umständen fehleranfällig wird. Deshalb wurde das Theoradar-System am 1. Januar 2018 umgestellt, sodass künftig alle erschienenen Beiträge – unabhängig von deren Resonanz in den sozialen Netzwerken – erfasst werden.

Top 10 christliche Blogs 2017

(In Klammern die Anzahl aller erfassten Social-Media-Aktionen im Jahr 2017)

  1. feinschwarz.net (19613)
  2. Theoleaks (16815)
  3. GekreuzSiegt (12101)
  4. Jobo72 (9465)
  5. The Cathwalk (7466)
  6. kreuz und queer (4306)
  7. Natur des Glaubens (4188)
  8. Laudetur Jesus Christus (3253)
  9. Hanniel (3035)
  10. Aufatmen in Gottes Gegenwart (2948)

Top 10 Blogartikel 2017

  1. Nordsee gewinnt vor Gericht: Christen dürfen Fischaufkleber nicht mehr nutzen! [Impact:5585] (TheoLeaks,31.07.2017)
  2. Kehrtwende: AfD distanziert sich von ihren christlichen Wählern! [Impact:2663] (TheoLeaks,18.09.2017)
  1. Ehe für Alle?! [Impact:1351] (GekreuzSiegt,03.07.2017)
  1. Hier stehe ich. Wenn ich kann. [Impact:982] (Kuschelkirche,18.03.2017) 
  1. Die Reformation des Lebens [Impact:938] (Pastoracara,29.10.2017), https://pastoracara.wordpress.com/2017/10/29/die-reformation-des-lebens/
  1. Gebetskette vom Gebetshaus gerissen? ​Dr. Johannes Hartl im Gebet eingeschlafen! [Impact:928] (TheoLeaks,16.01.2017)
  1. Worthaus – Universitätstheologie für Evangelikale? [Impact:877] (Aufatmen in Gottes Gegenwart, 02.10.2017)
  1. Jetzt hat Erdogan die Christen im Visier [Impact:837] (Kopten ohne Grenzen, 07.04.2017)
  1. Augen, die nicht weinen können. Mein persönlicher Rückblick auf den Kirchentag. [Impact:832] (relevanzvakanz,28.05.2017)
  1. Wer Kinder liebt, pfeift auf Kindergottesdienste [Impact:744] (Gardinenpredigerin,23.04.2017), 

 Top 10 Blogs nach Artikelfrequenz

Ranking der Top-Blogs 2017 nach Anzahl der publizierten Artikel, die mindestens 5 Interaktionen in den Social Media hervorgerufen haben

  1. Jobo72 (576 Artikel) 
  2. feinschwarz.net (256 Artikel)
  3. Andachten für jeden Tag (235 Artikel)
  4. Hanniel (218 Artikel)
  5. The Cathwalk (177 Artikel)
  6. fasten seat belts (135 Artikel)
  7. Glauben verbindet (107 Artikel)
  8. GekreuzSiegt (104 Artikel)
  9. Huhn meets Ei (89 Artikel)
  10. Steffen Paar (88 Artikel)

Top 10 Blogs nach der Impact/Artikel-Analyse

Für diese Topliste wurde die Anzahl der gesamten erfassten Interaktionen eines Blogs durch die Anzahl der publizierten Artikel geteilt. Daraus ergibt sich der Wert für die Interaktionen, die ein Artikel eines Blogs im Durchschnitt im Jahr 2017 hervorgerufen hat (dieser Wert steht jeweils in Klammer).

  1. Gardinenpredigerin (744)
  2. Pastoracara (344)
  3. TheoLeaks (290)
  4. Populo congregato (268)
  5. Aufn Kaffee mit Rolf Krüger (235)
  6. Herz im Wandschrank (173)
  7. Relevanzvakanz (165)
  8. Online mit Gott (138) 
  9. Wir sind Mosaik (136) 
  10. GekreuzSiegt (116)

 

Keine Segnung homosexueller Paare – Offener Brief

Ich bin aufgebracht und verärgert: In der Evangelischen Landeskirche in Württemberg wird es weiterhin keine Möglichkeit geben, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf hat am Mittwoch in der Synode die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit verpasst. Und, das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Es haben nur zwei Stimmen gefehlt. damit waren 64,6{f93736a893c6e046304d525abb1465af73deee69e038680266ed32680ad12164} in der Synode für eine Möglichkeit der Segnung, die dem Entwurf zufolge in das Ermessen der jeweiligen Ortsgemeinden gelegt werden sollte.

Ich bin traurig, dass eine Minderheit in der Landeskirche eines offenbar nicht schafft: Denjenigen, die anders denken als sie, wenigstens ihr Gewissen zuzugestehen. Ich verstehe, dass nicht jeder meine Position teilt. Und ich käme nie auf die Idee, jemanden gegen sein Gewissen oder Glauben zu verpflichten, bestimmte (Segens-)Handlungen vorzunehmen. Aber ich verstehe nicht, wie man andere dazu zwingen kann, gegen ihre Überzeugungen zu handeln, nur weil man selbst anders denkt und glaubt. 

Ich bin froh, derzeit in einer Gemeinde beheimatet zu sein, die genauso enttäuscht ist wie ich. Die fassungslos und verärgert ist. Gestern wurde dort im Kirchengemeinderat (einstimmig!) ein offener Brief an Bischof July und die Landessynode verabschiedet, den ich hier teilen möchte – mit dem nachdrücklichen Hinweis, dass ich ihn uneingeschränkt unterstütze. 

Lasst uns, die wir uns für eine liebende, offene Kirche der Vielfalt einstehen, nicht schweigen. Lasst uns laut sein. Jetzt erst recht!

Keine Segnung homosexueller Paare – Offener Brief zum gescheiterten Gesetzentwurf der Landessynode

Mit großem Bedauern, Ärger und großer Fassungslosigkeit haben wir als Kirchengemeinderat der evangelischen Christuskirchengemeinde in Böblingen die Entscheidung der Landessynode vom 29. November zur Kenntnis genommen, nach welcher der Kompromissvorschlag des Oberkirchenrats zur Segnung homosexueller Paare die notwendige Zweidrittelmehrheit um zwei Stimmen verfehlt hat. Unsere Betroffenheit und Hilflosigkeit ist groß.

Wir verstehen den kirchlichen Segen als eine Wirkmacht Gottes, mit der Gott uns als Gemeinschaft wie auch als Individuen durchs Leben begleitet und stärkt. Wenn die Liebe Gottes allen Menschen gilt, dann gilt auch der Gottes Segen allen Menschen. Dies findet seine Entsprechung in unserem kirchlichen Handeln. Der Segen Gottes steht am Ende eines jeden Gottesdienstes und begleitet und stärkt die Menschen, wenn sie in den Alltag zurückkehren. Darüber hinaus wird der Segen Menschen ganz bewusst an existentiell bedeutsamen Lebensabschnitten zugesprochen: bei der Taufe, der Konfirmation, bei Trauungen oder am Sterbebett. Auch aus anderen Anlässen werden Einzelne oder bestimmten Gruppen gesondert gesegnet (Einschulung, Entsendung kirchlicher MitarbeiterInnen, spezielle Segnungsgottesdienste). In all diesen Formen drückt sich der Segen als Wirkmacht Gottes aus, mit der Gott uns durch unser Leben – und gerade an markanten Wendepunkten des Lebens begleiten und stärken will. Angesichts der Vielfalt von Segenshandlungen erscheint es uns unvorstellbar, den Segen Gottes einer bestimmten Personengruppe bewusst zu verweigern.

Es ist uns wichtig, dass wir als Kirchengemeinde offen sind für alle Menschen – ausdrücklich auch für Männer und Frauen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Und wo zwei Menschen beschließen, ein gemeinsames Leben in Verantwortung, Verlässlichkeit, Treue und Gleichberechtigung zu führen, da steht dieses Vorhaben nach unserem Verständnis unter dem Segen Gottes, ohne dass damit die besondere Stellung der Ehe von Mann und Frau in Frage gestellt wäre.

Wir akzeptieren, dass unsere Auffassung nicht von allen Christinnen und Christen in gleicher Weise geteilt wird. Und genau dieser Tatsache wurde der Kompromissvorschlag des Oberkirchenrats mehr als gerecht. Denn dieser sah vor, dass die Entscheidung für oder gegen die Segnung homosexueller Paare von jedem einzelnen Kirchengemeinderatsgremium und von jeder Pfarrerin und jedem Pfarrer eigens getroffen werden kann. Dass aber eine Minderheit unserer Landeskirche nicht bereit ist zu akzeptieren, dass ihre Meinung eben nicht von allen anderen geteilt wird, und dass diese Minderheit durch ihr Votum in der Landessynode allen anderen Kirchengemeinden, Pfarrerinnen und Pfarrern vorschreibt, wie sie sich in der Frage der Segnung homosexueller Partnerschaften zu verhalten haben, stößt bei uns einhellig auf Fassungslosigkeit, Ärger und Unverständnis.

Wir erleben das Abstimmungsergebnis der Landessynode zudem als ein fatales Signal für unsere Gesellschaft, das dazu führen wird, dass weitere Menschen der Kirche den Rücken zukehren werden. Und wir befürchten auch, dass auch junge Theologinnen und Theologen unserer Landeskirche verlassen werden. Wir wissen um Theologiestudierende und um Vikarinnen und Vikare, die sich angesichts der aktuellen Beschlussfassung ernsthaft die Frage stellen, ob sie in unserer Landeskirche arbeiten wollen. Und sie stellen sich diese Frage in einer Zeit, in der wir in unserer Landeskirche über den massiven Pfarrstellenabbau im Jahr 2024 beraten müssen, der wesentlich auch dadurch mitbedingt ist, dass es uns in unserer Landeskirche an jungen Pfarrerinnen und Pfarrern mangelt.

All dies erfüllt uns mit großer Sorge. Und wir appellieren als Kirchengemeinderat einstimmig an Landesbischof Frank Otfried July und an die Synode unserer Landeskirche, dass es nicht bei diesem gescheiterten Versuch, die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare zu ermöglichen, bleiben darf. Mut machen uns dabei Aussagen von Landesbischof July, der sich verpflichtet fühlt, in dieser Sache weiter aktiv zu bleiben. Diese Verpflichtung wird nicht nur den fast zwei Dritteln der Synode gerecht, die sich für eine Reform ausgesprochen haben. Sie wird vor allen den betroffenen gleichgeschlechtlichen Paaren gerecht, die sich zurecht von unserer Kirche im Stich gelassen fühlen.

Pfarrer Moritz Twele, Pfarrerin Friederike Strauß und der gesamte Kirchengemeinderat der Christuskirchengemeinde Böblingen

Eine Theologie der CCTV-Überwachung

Der Zirkel ist fast komplett. Der Bundestagswahlkampf forderte Sicherheit durch mehr Kameras. Jedesmal wenn ich am Südkreuz bin, falle ich fast hin, weil ich den Bodenmarkierungen folgen muss, die dafür sorgen, dass ich gerade nicht von der Gesichts- und Verhaltenserkennungssoftware erfasst werde. Das Summen von Polizeidrohnen am Brandenburger Tor und im Tiergarten wird langsam gewohnt. Der Überwachsungszirkel ist fast fertig.

The Circle, der Roman von Dave Eggers, dessen Verfilmung gerade in den Kinos läuft (zugegeben mittelmäßig, aber als Buch einflussreich), scheint die Gegenwart ganz gut erkannt zu haben. Die Protagonistin Mae Holland (immerhin Emma Watson) schafft es endlich einen Job zu landen bei dem Unternehmen, das in der Vermessung des gläsernen Menschen Google, Facebook und co. schon lange überholt hat. Mae ordnet sich dort in einem Glaspalast in einen Alltag ein, in dem jede Bewegung überwacht wird. Der Circle ist in Eggers‘ Buch eine Metapher für die sektenartige Firmenpolitik, für vieles andere aber auch für die Architektur. Der Anspruch auf Leben und Raum der neuen Großunternehmen manifestiert sich eben auch in Gebäuden wie dem, das Apple gerade in Auftrag gegeben hat. Der Zirkel dominiert Gemeinschaft. In ihm verbindet sich eine neue Selbststeigerungs-Spiritualität der Silicon-Valley-Unternehmenskultur mit Überwachungstechnologien. ((Vgl. Joachim von Soosten, Myrthenduft und Gartenlust, Meister Eckhart in Silicon Valley, PrTh, 3 (2017), 140-145.))

Mae löst eine Kulturrevolution aus, als sie beginnt, non-stop ihr Leben über eine Kamera an Millionen übertragen zu lassen. Der Circle nennt das „clear“ werden oder „transparent“ werden und die gesamte Politik macht mit. Wie das aussieht, zeigt auch die Black-Mirror-Folge „The Entire History of You“, in der sich alle Menschen ihr gesamtes Leben filmen und jederzeit zurückspulen und auf Bildschirmen Erinnerungen visualisieren können.

„Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen“

Mae wird berühmt. Sie schlägt vor, jede Bürger_in mit einem Circle-Account zum Wählen zu verpflichten und alle Daten über Schüler_innen, medizinische Dokumente, Führerscheinangelegenheiten komplett in die Hand des Privatunternehmens The Circle zu geben. In der Nacht, in der Mae das feiert, da trifft sie auf einen Theologen. Oder eher, einen ehemaligen Theologen, der ins Silicon Valley gegangen ist. Und der sagt:

Du hast einen Weg gefunden, alle Seelen zu retten. Das haben wir in der Kirche probiert, alle zu retten. Wie sollte man sie alle retten? Das war die Arbeit von Missionaren für Jahrtausende. Du und deine Leute beim Circle, ihr werdet alle Seelen retten. […] Jetzt werden alle Menschen die Augen Gottes haben. Kennst du die Bibelpassage? Alle Dinge sind nackt und offen unter den Augen Gottes. Jetzt sind wir alle Gott Jeder von uns wird bald sehen und richten können über jeden anderen. Wir werden sehen, was ER sieht. Wir werden sein Gericht ausüben. Wir werden Seinen Zorn kanalisieren und seine Vergebung verteilen. Auf einem konstanten und globalen Level. Jede Religion hat genau auf das gewartet, wenn endlich jeder Mensch ein direkten und unmittelbarer Botschafter von Gottes Willen wird.

Der Silicon-Valley-Theologe zitiert Hebr. 4,13: „Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, dem wir Rechenschaft geben müssen. Da geht es um Furcht und um Unruhe von Ungehorsam und Gericht.“

Im Buch bricht Mae in Lachen aus. Aber eigentlich zeigt sich hier eine interessante Verschiebung der Beobachtung und Beobachtbarkeit im Christentum in der Popkultur und Öffentlichkeit. Amerikanische Kirchen werden von Sicherheitsunternehmen mit Sacred Security beworben, Videoüberwachung für Heilige Räume. Weil die Leute Angst haben. Dazu gibt’s kugelsichere Altarverkleidungen. Nur für Christen, nicht für Buddhisten oder Muslime. Wir kleben unsere Notebookcameras ab. Und der konservativere Flügel schreit selbst in Großbritannien nach mehr Kameras in der Öffentlichkeit. Der Zirkel ist komplett, wenn alle alle überwachen können, so die These des Buchs. Die These vieler?

Aber es zeigt sich auch ein Zirkel der Überwachung, wie ihn vor allem der Protestantismus hervorgebracht hat. Gottes allessehendes Auge. Gott sieht, wenn der Timmy masturbiert und dann weint Jesus. Die Vorstellung, das Gott alles und jeden sieht.

Nicolaus von Kues hat ließ in einer Abtei ein Bild von Jesus anbringen, dessen Augen den Mönchen folgte. Und es war Ruhe. Die Augen Gottes klagen Menschen auf Billboards an, im Great Gatsby wie auf den Highways von Trumps Amerika heute. Michel Foucault hat beschrieben, wie über den ägyptischen Monotheismus, das Judentum bis hin zum Christentum, das Beobachtetwerden das Sich-Selbst-Beobachten der Antike abgelöst hat. Menschen begannen, Pfarrern oder Mönchen ihr Innerstes sichtbar zu  machen statt sich selbst darum zu kümmern. Wie Gefängnis und Schule haben auch die Kirche und ihre Architektur sich bemüht, dass die Pastoren die anderen gut sehen und beobachten können. Allbekannt ist Benthams Panopticon-Überwachungsturm des Rundgefängnisses, durch das man alle zentral sehen kann, ohne selbst gesehen zu werden.

Die Kanzel ist im Protestantismus nicht nur zum Hören des Wortes, sondern auch dafür, dass der Pfarrer, vicarius-dei-style, die Anwesenden beim Hören gut beobachten kann. Und das allsehende Auge hinten an der Kirche erinnert daran, dass auch ER zuschaut, der Gott der permant surveillance. Aber was passiert, wenn dazu noch ein Plastik-Auge kommt, das ab und zu surrt und blinkt? Kameras sind vielleicht ein Bild für die Moderne, nur dass wir sie selbst auf uns richten.

Theologie muss Stellung beziehen

Wie verändert sich Alltags-Leben und was ändert sich an heiligen Räumen, wenn man permanent beobachtet wird und alles für immer archiviert wird. Was passiert, wenn eintrifft, was der Silicon-Valley-Theologe und das Circle-Buch voraussagen? Gibt es eine neue öffentliche Moral und weniger Kriminalität?

Was wäre eine Theologie der CCTV-Überwachung, wenn wir die Kameras im öffentlichen Raum in ihre Geschichte der Überwachungstechnologien einordnen, bei der das Christentum mit seinen Bildern und Praktiken am einflussreichsten war? Dass all-sehende Auge, was bedeutet es für unser Verhalten, für unsere öffentliche Glaubenspraxis, wenn Kameras an die Stelle eines imaginierten göttlichen Beobachters treten. Vielleicht ist es gut, Menschen an Stelle von Gott zu stellen, wo ich Gott als Überwachungsinstanz grob verzerrt empfinde und mich über Rückzugsorte auch vor Gottes Präsenz im Alltag und im Privaten freue.

Vielleicht ist es aber besser, sich von Gott beschützt und beobachtet zu fühlen, als von anderen Menschen, weil unsere menschliche Gerechtigkeit nicht die gnädige und revolutionäre Gnade Gottes sein kann. Auf jeden Fall gilt es, theologisch Stellung zu beziehen, bevor wir Überwachungstechnologien unhinterfragt übernehmen. Was begonnen hat, ist, wie ein Kommentator von Benthams Beobachtungserfindung sagte und heute noch mehr gilt denn je: Der erste Schritt in der Konstruktion Gottes. Der Zirkel ist fast vollendet.

Die #Ehefüralle stärkt christliche Werte

Auf die Gefahr hin, dass das Thema bereits ausgelutscht ist (obwohl erst seit wenigen Tagen wieder so prominent in den Medien), muss ich doch noch einmal ein paar Worte zur sogenannten „Ehe für alle“ verlieren. Der längst überfällige Beschluss des Bundestags, gleichgeschlechtlichen Paaren uneingeschränkt die Ehe zu ermöglichen, ist aus christlicher Sicht m. E. ein wichtiger Schritt. Es zeigt sich nämlich an diesem Beispiel, wie verdreht und verquer der gerne zitierte Begriff der „christlichen Werte“ genutzt wird.

Vielerorts wird nun von Gegnern der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare (das ist sperriger als „Ehe für alle“, aber dafür korrekter) darauf verwiesen, man gebe eine jahrhundertealte (wenn nicht gar 2000 Jahre alte) Tradition auf, in der die Ehe als exklusive Verbindung eines Mannes und einer Frau verstanden wurde. Und man entferne sich damit von biblischen/christlichen Werten.

Aber was genau sind denn diese Werte? Die Ehe, die in solchen Kreisen als „jahrhundertealt und christlich“ verteidigt wird, gibt es noch gar nicht so lange. Was genau eine Ehe ist, zu welchem Zweck sie dient, war immer wieder starken Wandlungen und Umdefinitionen unterworfen (siehe z.B. hier). Und wer sich auf ein „biblisches Ehebild“ beruft, der muss auch damit klar kommen, dass damals Vergewaltiger verpflichtet waren, ihre Opfer zu heiraten (vgl. 5. Mose 22,28-29). Und damit, dass Mädchen zu Paulus‘ Zeiten in der Regel mit 12 Jahren, Jungs mit 14 verheiratet wurden. Und zwar von den Eltern, häufig aus sozialen und/oder politischen Gründen. Und damit, dass der Mann uneingeschränkt das Sagen hatte. Die biblischen Autoren kennen die Ehe, von der wir heute reden, schlicht nicht.

Will sagen: An alle diejenigen, die behaupten, nun werde ein Ehebegriff umdefiniert, der Jahrhunderte lang bestand hatte – das ist Quatsch. Ihr haltet vielmehr an einem Ehebegriff fest, der noch ziemlich jung ist, und glorifiziert ihn. „Ehe“ wird durch den Beschluss des Bundestags umdefiniert, ja. Aber das wurde sie – zum Glück! – schon häufig.

Ist die Ehe an sich ein christlicher Wert?

Angesichts dieser Umdefinitionen stellt sich also viel mehr die Frage: Was ist denn das, was eine Ehe im Kern ausmacht? Was haben wir Christen dazu zu sagen? Ich glaube: Es ist nicht die Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehepartner, denn die war über die Zeit hinweg auch in den (z. B. oben genannten biblischen) Konstellationen gegeben, die wir heute nicht mehr als eine Ehe verstehen würden, die auf Basis christlicher Werte geführt wird.

Nein, die Ehe für Lesben und Schwule zu öffnen, war dringend nötig, die absolute Gleichstellung längst überfällig. Die Ehe an sich ist kein christlicher oder biblischer Wert, sondern ein weltliches Ding. Als Christen können wir lediglich (auch biblisch begründet) Aussagen darüber treffen, wie eine solche Partnerschaft optimalerweise gestaltet sein sollte. 

Und da kommen in dieser Hinsicht die Werte ins Spiel, die meines Erachtens tatsächlich als christlich begründet gelten können, wie z. B. Verantwortung für den Partner, absolute Gleichberechtigung, Treue, Liebe und lebenslange Annahme „in guten und in schlechten Zeiten“. Und da bin ich der Überzeugung: Die Ehe samt all ihren Rechten und Pflichten für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen, das schwächt oder verwässert keineswegs diese christlichen Werte. Es stärkt sie, weil mehr Menschen sie nun als Ehepartner mit Leben füllen können.

Zwischen Maschinensegen und Verglückskeksung

Fast die Hälfte der Arbeitsplätze werden in den nächsten 20 Jahren durch die Digitalisierung wegfallen. Aber besonders solche wunderbar sozialen Berufe wie Pfarrer_in müssten doch sicher sein. Wer kann schon die Wärme und Sicherheit bieten, die eine Seelsorger_in erzeugt oder die Zuversicht, die Predigende versprühen wollen? Weit gefehlt: Die Bedrohung durch Digitalisierung, eine Reformbewegung auch der klerikalen Klasse geht viel weiter – könnte man zumindest denken.

In Wittenberg – wo sonst – als Teil der Weltausstellung, etwas abseits der Schlosskirche, im nördlichen Grünstreifen unweit des Tierparks, wartet in einem Kasten aus hellem Holz eine Maschine. Die macht eben das, und macht das vielleicht genauso, was sonst die Hauptamtlichen machen: Bless-U-2. Ein Segensroboter. Und schon sieht auch der britische Guardian in diesem Gerät die neue Priesterklasse.

Tatsächlich sieht das Ganze ein bisschen aus wie ein EC-Automat mit Kopf und Armen und Händen, zusätzlich verkleidet mit silbern-spaciger Folie. Augenbrauen hat er, die sich bewegen, und Kameraaugen, die einen fokussieren. Ein kleiner Monitor zeigt einen roten Mund, der sich bewegt. Der Segensroboter bietet unterschiedliche Sprachen an: Englisch, Spanisch, Polnisch, Französisch und ganz exotisch: Hessisch. Denn: Niemand anderes als die hessisch-nassauische Kirche hat das Ding aufgestellt. Nach der Sprachwahl folgt die Wahl des Geschlechts des Roboters – eigentlich der Stimme – und dann die Wahl des Segens: Lieber klassisch-traditionell, erneuernd, erbauend oder modern? Auf Screentouch hin geht es dann ab: Der Roboter hebt die Arme flott und mit mechanischem Surren, die Augenbrauen beginnen zu spielen. Ein einzelner Finger spreizt sich und –oooooh – da kommt aus den Handflächen gleißendes Licht.

 

 

Auf mich wirkt das ein bisschen wie ein Iron-Man-Zitat. Und das macht vieles klar, was Segen bringt, nämlich durchaus einen Energieimpuls. Aber ikonographisch viel klassischer verstanden ist Gott natürlich (wie) Licht, das ausstrahlt, unfassbar, aber faszinierend und Menschen angehend. Das Licht und die Händen verbinden zwei Traditionslinien: Handauflegen und Unfassbarkeit Gottes in gleißendem Licht. Nur eben als Special Effect und maschinisiert.

Gerade wenn solche Gedanken zum Anti-Ironman losgehen, übertönt dann aber alles eine Stimme, und zwar eine Menschenstimme – und übernimmt das ganze Geschehen. Das ist der Trick des Segensroboters. Und das ist auch der Trick der Menschen, die drum herum stehen und ihn erklären: Der Roboter spielt eine Audioaufnahme (u. a. des Pfarrers, der diese Installation betreut) einer menschlichen Stimme.  Segnen tut hier nicht die Maschine selbst, es ist keine automatische KI-Stimme, wie die vom Navi im Auto. Segnen, das macht eine aufgezeichnete Stimme.

Wird Segen konsumierbar?

Und so ist der Segensroboter kein Experiment, ob Maschinen Handlungsmacht genug zukommt, religiös zu agieren, ob sie illokutionäre performative Akte vollbringen kann, also etwas mit eigenem Willen durch ihre Sprache tun, oder gar perlokutionäre Akte, also etwas in den Empfangenden bewirken kann – Gesegnet-Sein zum Beispiel. Es handelt sich um eine mediale Verschiebung. Und die gestellte Frage ist eigentlich, ob ein aufgezeichneter Segen wirken kann. Das resoniert dann eher mit der weniger radikalen Neugierde, ob ich mich über den Fernseher oder eine CD segnen lassen, oder da was á la Uri-Geller-Gabeltrick übertragen werden kann – oder nicht.

Der Roboter jedenfalls ist in dieser Konfiguration kein Akteur, sondern ein Medium. Ist Segen überhaupt medienmäßig übertragbar? Wird er dann konsumierbar – bzw. ist Segen überhaupt konsumierbar? Was ist mit Wiederholbarkeit? Hält dreimal Segnen besser? Oder braucht es doch eine Interaktion von Angesicht zu Angesicht und eine Aura der Live-Anwesenheit?

Das Ritual entsteht buchstäblich auf Knopfdruck und aus der Dose mit Verglückskeksung von Segensworten. Denn seinen Segen kann man ausdrucken und mitnehmen. Aber die Kamera-Augen zeichnen gar nichts auf, man wird gar nicht angesehen (wie es der im Hessen-Nassauen-Segensparcour ubiquitäre Aaronitische Segen suggeriert), sondern angesprochen – von einem Kirchenmenschen und nicht von einer Künstlichen Intelligenz.

Und die spannende Frage, die sich mir  so kurz nach der Realverfilmung von Ghost in the Shell und den Gotteseinsichten von Robotern in Michael Crichtons Westworld-Serien-Fortschreibung so gerne gestellt hätte – nämlich ob ein Maschinenwesen nicht nur spirituell sein kann, sondern auch segnen und nicht nur Segen medial weitertragen, stellt sich (noch) nicht. Dafür viele andere.

27 Podcast-Empfehlungen

So, Ostern ist rum, jetzt komme ich endlich zur überfälligen Auswertung der Theopop-Blogparade, bei der ich nach euren Lieblings-Podcasts gefragt habe. Vier Blogger haben teilgenommen und ein Kommentator unter dem Beitrag hier bei Theopop, dessen Beitrag man fast auch als Blogartikel zählen kann  – dafür vielen Dank an Jason (wirsindmosaik.de) , Sebastian (rueckspultaste.de)Tobias (tobi.leichtdio.de), Lea (reflektionenblog.wordpress.com) und Peter (tranfunzel.blogspot.de).

Insgesamt wurden 27 Podcasts genannt – eine Menge Stoff zum Anhören. Und sicher für dein ein oder anderen was dabei. Zufälligerweise gibt es genau drei Podcasts, die häufiger genannt wurden. Die Top-3-Empfehlungen sind deshalb folgende: 

Und dann gab es eine ganze Latte an Einfachnennungen (ich beziehe hier auch noch die mit ein, die mich via Facebook & Twitter erreicht haben). Die habe ich alphabetisch sortiert:

Ich habe schon in den ein oder anderen reingehört und werde meinen Horizont fleißig erweitern. Und euch wünsche ich viel Spaß beim Stöbern!

Und Gott spricht: Nicht in meinem Namen!

Eigentlich hat sich der Kabarettist Bodo Wartke auf lustige Musik spezialisiert. Hier wird er aber ganz ernst: Es geht um Gewalt im Namen einer Religion. Wenn er Gott wäre, so Wartke, hätte er nur eine Botschaft an die „Gläubigen“: Ihr handelt nicht in meinem Namen.

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Warum ich evangelisch.de nicht lese

Es gibt eine Webseite, auf der sollte ich als Protestant wohl viel häufiger vorbeischauen, als ich es tue: evangelisch.de. Es stimmt nicht, dass ich dort gar nichts lese. Aber: sehr wenig. Und wenn, dann meist, weil mir irgendeine interessante Headline bei Facebook begegnet ist oder ich über meinen RSS-Reader auf einen interessanten Beitrag von „Stilvoll Glauben“ oder „kreuz & queer“ stoße. Aus eigenem Antrieb surfe ich eigentlich nie auf evangelisch.de, aus meinen Bookmarks ist es schon lange verschwunden.

Das liegt nicht etwa an den Inhalten (auf die will ich an dieser Stelle gar nicht eingehen). Es liegt am Design. Ich glaube, dass gute Inhalte in schlechtem Design (fast) genauso wenig taugen wie schlechte Inhalte in gutem Design. Denn: Wenn mich schon das Design vom regelmäßigen Besuch einer Webseite abhält, dann nehme ich den Inhalt oft gar nicht erst wahr. Im Folgenden zwei Aspekte, die mich davon abhalten, evangelisch.de regelmäßig zu besuchen. Es geht mir dabei nicht um Bashing, sondern um eine nachvollziehbare Kritik.

1. Die Farben

Ich habe mir mal die Mühe gemacht, alle Farben und Farbtöne, die einem auf der Startseite von evangelisch.de begegnen, zu extrahieren. Ich beschränke mich auf Hintergrundfarben: #FF6B00, #D53C0A, #FF6B01, #8615B6, #B715E4, #FFB400, #FFEC00, #00ABD8, #00D7F5, #729D3F, #88B501, #6200D2, #B98700, #38A293, #333333, #7700FF, #38A293, #38D2AD, #A7AB32, #DFFF46, #B98700, #FFAD01, #0A5A96, #0090C5, #A4008D, #FF00BE, #615651. (Hier könnt ihr euch das bunte Treiben anschauen.)

Na, mitgezählt? Es sind 27 verschiedene Farben. Und ich schließe nicht aus, dass ich welche vergessen habe. Ich bin kein Webdesign-Profi, aber nach allem, was ich mir im Laufe der Zeit so angelesen habe, heißt es: Sparsam mit Farben umgehen, vor allem mit grellen. Man kann und sollte sie gezielt nutzen, um Akzente zu setzen, den Leser zu lenken und bestimmte Assoziationen zu wecken. Jedenfalls wirkt es bei dem Layout von evangelisch.de eher so, als wolle man unbedingt das komplette Farbspektrum unterbringen, egal, wie sinnvoll das ist. Das wirkt nicht frisch, modern und jugendlich, sondern amateurhaft.

Ich vermute, dass diese Buntheit vermutlich sowas wie „schaut her, wir Evangelischen sind bunt wie der Regenbogen, jeder ist willkommen“ bedeuten soll. Das ist ja auch eine schöne Aussage. Aber kann man das nicht irgendwie in einem bunten Logo auffangen? Und die Seite dann so layouten, dass man sich gern dort aufhält und keine Angst vor der nächsten Signalfarbe haben muss? In dieser bunten Farbenpracht erstrahlt evangelisch.de übrigens erst seit gut zwei Jahren, seit März 2015. Das haben zumindest meine Nachforschungen bei bei archive.org ergeben. Noch am 23. Februar 2015 wurde dort die alte Version der Webseite archiviert. Die vorherige Version war zwar auch kein Augenschmaus, aber: Es war übersichtlicher, klarer strukturiert und um einiges angenehmer für die Augen. Ein Anlass für den Relaunch war vermutlich auch, dass die Seite nicht „responsive“ war, das heißt, auf Mobilgeräten nicht vernünftig angezeigt wurde. Man muss sagen: Das ist evangelisch.de heute immerhin.

Man könnte noch annehmen, dass die Farben dafür sorgen sollen, dass der Besucher sofort weiß, in welchem Bereich von evangelisch.de er sich befindet, weil sie jeweils einer bestimmten Kategorie zugeordnet sind. Nur: Dem ist nicht so. Ich nehme mal als Beispiel die Kategorie „Blogs“: Zuerst begegnen Sie grün, ganz unten auf der Seite nochmal in grellem Pink. Die Überschriften der einzelnen Beiträge sind dann Orange hinterlegt, und in der Seitenleiste findet sich gefühlt erneut das komplette Farbspektrum. Ein System ist nicht erkennbar.

2. Die Usability

Klickt man auf den Menübutton oben links, geht der nächste Klick instinktiv eigentlich direkt zum kleinen Kreuz ganz oben rechts am Bildschirm, um den Browser zu schließen. Es öffnen sich 61 Menüpunkte. Was? Wo? Wie? Richtig. 61. Ich konnte es nicht glauben, habe deshalb gleich nochmal nachgezählt.

Der Nutzer ist völlig orientierungslos und verloren. Nichtssagende Unterteilungen wie „Krieg und Frieden“ und „Unheil und Bewältigung“ tun da ihr Übriges dazu. Ein Navigationsmenü, für das ich erst einmal eine zweistündige Einführung brauche, um es überhaupt nutzen zu können, kann ich eigentlich auch gleich weglassen. Und mit Usability hat das rein gar nichts zu tun.

Noch ein weiteres kommt hinzu: Hinter den meisten Menüpunkten verbergen sich uralte Inhalte. Ich habe nicht alle durchprobiert, liefere aber mal ein Beispiel: Unter „Kirche -> Ökumene und Weltreligionen“ prangt auf dem prominenten Platz ganz oben ein Beitrag vom 11. September 2012 (!). Fünf Jahre alt. Unter den ersten fünf Artikeln ist der aktuellste aus dem Jahr 2014, der älteste gar aus dem Jahr 2010. Erst dann kommen die aktuelleren Inhalte. Ähnlich ist es bei „Glaube -> Theologie“, „Politik-> Krieg und Frieden“, „Gesellschaft -> Bewahrung der Schöpfung“. Und bei zahlreichen anderen Kategorien.

Der Leser ist also nicht nur völlig verloren angesichts des unstrukturiert und willkürlich wirkenden Mega-Menüs, er bekommt auch den Eindruck, dass große Teile von evangelisch.de verwahrlosen, weil sich niemand die Mühe macht, die Inhalte aktuell zu halten. Und wir reden hier wie gesagt nicht von Artikeln, die einige Wochen alt sind. Wir reden von Jahren. Das ist ein absolutes No-Go. 

Fazit: Weniger ist mehr als du glaubst

Das sind nun nur zwei größere Punkte, man könnte sicher noch über viele weitere Dinge schreiben. Aber an diesen beiden Punkten hängt meines Erachtens ein ganzer Rattenschwanz: Eine schlecht gestaltete Webseite, die zudem noch unüberschaubar ist und den Nutzer orientierunglos zurücklässt, schreckt an sich schon so sehr ab, dass man über weitere Aspekte erst in der Folge reden muss. 

Wie oben geschrieben – mir geht es hier nicht um Bashing. Kritik deutlich und auch hart zu formulieren, ist nicht identisch mit Bashing. Ich kritisiere so hart, weil ich mir ein evangelisches Portal im Internet wünsche, auf das ich gern surfe, auf dem ich mich gern aufhalte, in dem ich gerne stöbere. All das tue ich momentan bei evangelisch.de vor allem aus genannten Gründen nicht. Ich habe keine Lust zu stöbern, weil ich auf der Seite verloren gehe und die Signalfarben langsam wirklich nicht mehr sehen kann. Wenn ich doch mal auf der Seite lande, bin ich ziemlich schnell wieder weg. Kurz und hart: Evangelisch.de macht mir keinen Spaß.

Es sind große, aber keine unüberwindbaren Hürden, die evangelisch.de zu einem Portal machen würden, das ich gerne besuche. Auf jeden Fall wäre dafür eine Generalsanierung fällig – und bitte diesmal mit einer anderen, kompetenten Webdesign-Agentur. Farbenfroh darf ja sein, aber nicht in einer solchen Intensität und beschränkt auf wenige Bereiche, bei denen es tatsächlich erfrischend wirken kann. Text liest sich – bis auf sehr wenige Ausnahmen – immer noch am Besten schwarz auf weiß. Und nicht weiß auf hellblau (weiß auf hellblau!). Das macht meine Augen kaputt.

Dann noch: Eine klare Seitenstruktur, ein klares Konzept, das dem Nutzer auch ersichtlich ist. (Auch darüber müsste man bei Gelegenheit wohl mal reden – was genau will evangelisch.de eigentlich sein?) Aus dem Menü können alle Punkte ersatzlos rausfliegen, die dem Besucher sowieso nicht klar sagen, was sich dahinter verbirgt. Und, bitte, bitte: Alte Inhalte in den Kategorien rausschmeißen, das macht einen enorm verwahrlosten Eindruck. Bei zeitlosen Dingen (Wie zum Beispiel in der Rubrik „Evangelisch werden“) könnte man ja wenigstens den Zeitstempel verbergen…

Nun interessiert mich aber auch: Vertrete ich da eine pöbelige Sondermeinung – und alle anderen surfen total gern täglich auf „unser“ protestantisches Informationsportal?

Der Secta-Podcast ist online!

Es ist so weit – Secta, der Podcast über Sekten und religiöse Sondergemeinschaften erblickt das Licht der Welt. Ich habe das neue Projekt hier bereits kurz vorgestellt. Heute ist das offizielle Launch-Datum, Folge 1 ist nun also online. Es geht in der Pilotfolge um die Frage, was eigentlich Sekten sind, was eine Sekte ausmacht und ob der Begriff überhaupt taugt – oder es nicht vielleicht bessere gibt.

Zum Start wurde natürlich auch das hauseigene Secta-Blog (secta.fm) freigeschalten. Dort werden die Shownotes zur zu den Folgen veröffentlicht, und dort kann auch über die jeweiligen Episoden diskutiert werden oder ihr könnt mir Feedback geben. Eigene Beiträge unabhängig vom Podcast wird es dort nicht geben. Die Facebook-Seite von Secta findet ihr hier.

Auf der Seite des Podcastes findet ihr auch den Feed, den ihr in eurem Podcast-Player abonnieren könnt. Oder ihr klickt einfach auf diesen Link. iTunes-Nutzer finden den Podcast hier. Wie auch immer ihr wollt.

Weitere gute & hörenswerte Podcasts findet ihr auch in diesem Beitrag.

Viel Spaß!