Auf die Gefahr hin, dass das Thema bereits ausgelutscht ist (obwohl erst seit wenigen Tagen wieder so prominent in den Medien), muss ich doch noch einmal ein paar Worte zur sogenannten „Ehe für alle“ verlieren. Der längst überfällige Beschluss des Bundestags, gleichgeschlechtlichen Paaren uneingeschränkt die Ehe zu ermöglichen, ist aus christlicher Sicht m. E. ein wichtiger Schritt. Es zeigt sich nämlich an diesem Beispiel, wie verdreht und verquer der gerne zitierte Begriff der „christlichen Werte“ genutzt wird.

Vielerorts wird nun von Gegnern der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare (das ist sperriger als „Ehe für alle“, aber dafür korrekter) darauf verwiesen, man gebe eine jahrhundertealte (wenn nicht gar 2000 Jahre alte) Tradition auf, in der die Ehe als exklusive Verbindung eines Mannes und einer Frau verstanden wurde. Und man entferne sich damit von biblischen/christlichen Werten.

Aber was genau sind denn diese Werte? Die Ehe, die in solchen Kreisen als „jahrhundertealt und christlich“ verteidigt wird, gibt es noch gar nicht so lange. Was genau eine Ehe ist, zu welchem Zweck sie dient, war immer wieder starken Wandlungen und Umdefinitionen unterworfen (siehe z.B. hier). Und wer sich auf ein „biblisches Ehebild“ beruft, der muss auch damit klar kommen, dass damals Vergewaltiger verpflichtet waren, ihre Opfer zu heiraten (vgl. 5. Mose 22,28-29). Und damit, dass Mädchen zu Paulus‘ Zeiten in der Regel mit 12 Jahren, Jungs mit 14 verheiratet wurden. Und zwar von den Eltern, häufig aus sozialen und/oder politischen Gründen. Und damit, dass der Mann uneingeschränkt das Sagen hatte. Die biblischen Autoren kennen die Ehe, von der wir heute reden, schlicht nicht.

Will sagen: An alle diejenigen, die behaupten, nun werde ein Ehebegriff umdefiniert, der Jahrhunderte lang bestand hatte – das ist Quatsch. Ihr haltet vielmehr an einem Ehebegriff fest, der noch ziemlich jung ist, und glorifiziert ihn. „Ehe“ wird durch den Beschluss des Bundestags umdefiniert, ja. Aber das wurde sie – zum Glück! – schon häufig.

Ist die Ehe an sich ein christlicher Wert?

Angesichts dieser Umdefinitionen stellt sich also viel mehr die Frage: Was ist denn das, was eine Ehe im Kern ausmacht? Was haben wir Christen dazu zu sagen? Ich glaube: Es ist nicht die Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehepartner, denn die war über die Zeit hinweg auch in den (z. B. oben genannten biblischen) Konstellationen gegeben, die wir heute nicht mehr als eine Ehe verstehen würden, die auf Basis christlicher Werte geführt wird.

Nein, die Ehe für Lesben und Schwule zu öffnen, war dringend nötig, die absolute Gleichstellung längst überfällig. Die Ehe an sich ist kein christlicher oder biblischer Wert, sondern ein weltliches Ding. Als Christen können wir lediglich (auch biblisch begründet) Aussagen darüber treffen, wie eine solche Partnerschaft optimalerweise gestaltet sein sollte. 

Und da kommen in dieser Hinsicht die Werte ins Spiel, die meines Erachtens tatsächlich als christlich begründet gelten können, wie z. B. Verantwortung für den Partner, absolute Gleichberechtigung, Treue, Liebe und lebenslange Annahme „in guten und in schlechten Zeiten“. Und da bin ich der Überzeugung: Die Ehe samt all ihren Rechten und Pflichten für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen, das schwächt oder verwässert keineswegs diese christlichen Werte. Es stärkt sie, weil mehr Menschen sie nun als Ehepartner mit Leben füllen können.

Veröffentlicht von Fabian M.

Fabian Maysenhölder, Diplom-Theologe und Online-Journalist, ist Herausgeber des Blogs "Theopop". Während seiner Berliner Studienzeit wurde bei ihm in einem Seminar zu dem Thema „Kirche in den elektronischen Medien“ Interesse für diesen Forschungsbereich geweckt, der immer mehr an Bedeutung gewinnt – nicht nur für die kirchliche Öffentlichkeitsarbeit. In seiner Freizeit spielt er Badminton und engagiert sich ehrenamtlich in der Straffälligenhilfe.

4 Antworten auf &‌#8222;Die #Ehefüralle stärkt christliche Werte&‌#8220;

  1. Mag stimmen, dass die Ehe immer wieder umdefiniert wurde. Doch an den Kern wurde noch nie gegangen. Der Kern, dass eine Ehe aus Mann und Frau besteht? Nun wurde er gespalten. Gleichgeschlechtliche Paare sollen anerkannt und alle Rechte wie Ehepartner erhalten, das find ich super! Doch es ist ein Armutszeugnis, dass der Bundestag es nicht geschafft hat, ohne die EHE, wie sie Gott einst definiert hat zu belassen was sie ist. Eine Verbindung zwischen Mann und Frau.

    1. Eben das glaube ich nicht, wie ich oben schreibe: Dass der Kern einer Ehe die Verbindung zwischen Mann und Frau ist bzw. sein muss.

      Die Aussage „wie Gott sie einst definiert hat“ finde ich schwierig, weil wir uns damit enorme Probleme schaffen. Denn Gott hat im AT noch ganz andere Dinge gesagt, die wir heute keinesfalls mehr so ohne weiteres übernehmen. Sprich: Man muss die Bibel in ihrem Kontext lesen und verstehen und registrieren, dass die Bibel m. E. eben nicht Gottes unmittelbares Wort ist, sondern Gottes bezeugtes Wort. Gerade deswegen ist es so wichtig, angesichts dauerenden Wandels nach Konstanten (und damit z. B. dauerhaft vertretbaren christlichen Werten) zu fragen. In der Frage der Ehe halte ich eine Umdefinition deshalb für gut und richtig; eben weil „Mann plus Frau“ m.E. nicht unter diese Konstanten fallen kann.

  2. Danke für deinen Denkanstoß. Denke auch, dass eine Ehe nach christlichen Werten „Verantwortung für den Partner, absolute Gleichberechtigung, Treue, Liebe und lebenslange Annahme in guten und in schlechten Zeiten“ geführt werden sollte. Aber ich bin der Meinung, dass es aus biblischer Sicht nicht egal ist wer die Ehe führt. Da kann ich alledering nicht mit dem Ehebegrif argumentieren, ob er sich ändert oder nicht (das tut er nämlich und muss er notwendiger Weise auch. Und ob es gut ist, dass Eltern ihre Kinder verheiraten, oder Zweckehen vermittelt wurden etc. ist zu diskutieren – Gott sei Dank hat sich der Begriff Ehe da weiterentwickelt). Ich möchte versuchen in dem ganzen Diskurs über „Ehe für Alle“ ein vielschichtiges Bild zu bekommen. Es gehört nämlich nicht nur rein, wie wir den Begriff Ehe jetzt neu denken können, sondern auch, was für ein Menschenbild ich dem voraussetze oder zugrundelege. Und hier wird zu schnell argumentiert mit dem Wert der christlichen Nächstenliebe. Klar, ich verurteile homosexuelle Menschen nicht. Sie sind geliebte Geschöpfe Gottes und ich will sie nicht dazu „missionieren“ ihre Homosexualität wie ein T-Shirt abzulegen. Christen die lieblos über die Leute herziehen, ihren Wert mindern und sich arrogant über die Leute stellen, weil sie denken, dass sie was besseres seien, hat wirklich nichts mit christlichen Werten zu tun. Dennoch will ich Fragen stellen dürfen, die eine Ehe für Alle stark hinterfragt: Der Mensch wurde als Mann und Frau geschaffen und ein Mann wird seine Familie verlassen, um einer Frau anzuhangen. Wie beziehen sich Vertreter für eine Ehe für alle darauf? Ein anderes: Die Bibel beschreibt, dass Gott den Menschen die Aufgabe zuspricht: Seid fruchtbar und mehret euch. Muss ich als homosexuelles Paar nicht dich wieder auf das „klassische“ Bild zwischen Mann und Frau zurückgreifen um dieser Aufgabe (wenn ich sie denn für mich ernst nehme) nachzukommen? Ein weiteres: Homosexualität wird in der Schrift negativ bewertet (Homosexualität an sich, das NT sagt natürlich den Nächsten annehmen und lieben, heißt für mich nicht Homosexualität lieben und annehmen, bitte aufpassen – leide nicht unter Homophobie). Zumindest muss man auch dazu irgendetwas sagen, wenn man die Bibel erst nimmt.
    Ich gebe dir recht, dass der Begriff Ehe im Wandel steht. Das muss er auch. Aber ich denke nicht jeder Wandel ist automatisch gut, weil sich was tut. Es ist nicht egal wer sich da verheiratet. Gehe ich diesem Wert weiter, habe ich in Zukunft damit mehr Probleme. Denn ich würde behaupten, dass das sogar zum Rückschritt führt. Wenn es egal ist, wer mit wem, dann führt mich das in die Antike oder Mittelalter (zum Beispiel Knabenliebe, Inzest). Es ist also nicht egal wer mit wem, deswegen will ich fragen stellen und nicht zu schnell fertig sein, mit der Diskussion.

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