Bei dieser Geschichte musste ich (mindestens) zwei Mal hinschauen, im ersten Moment habe ich das Ganze für einen Hoax gehalten. Aber es scheint tatsächlich zu stimmen: Taiwan hat nun eine „Kirche“ aus blauem Glas. Das ist noch nicht das Besondere daran. Seht selbst:
Wanna hold ur wedding ceremony in a special place? Come to high-heel-shaped glass church in Jiayi of #Taiwan pic.twitter.com/ijDWPLCjwn
— China Xinhua News (@XHNews) 13. Januar 2016
Ja, es ist tatsächlich das, wonach es aussieht: Ein gigantischer Stöckelschuh. Wenn ihr auf den Tweet klickt, könnt ihr die Bilder größer betrachten und euch selbst vergewissern. Das Gebäude besteht aus 320 getönten Glas-Paneelen, gekostet hat der Spaß rund 686.000 Dollar (knapp 630.000 Euro). Am 8. Februar soll das groteske Gebäude eröffnen.
Inwieweit eine Glaubensgemeinschaft tatsächlich mit dem Bau zu tun hat, ist mir aus den Berichten (z.B.: BBC, NY Times, Daily Mail) nicht klar geworden – es erweckt den Anschein, als stünde alleine der Staat dahinter. Zitiert werden immer nur Vertreter der lokalen Behörden, die den Bau des Schuhs offenbar in Auftrag gegeben haben. Zielgruppe sind, das sagen die Verantwortlichen ganz deutlich, Frauen. Ein Zitat gefällig? Bitteschön:
„There will be 100 female-oriented features in the church like maple leaves, chairs for lovers, biscuits and cakes.“ (Behördensprecher Zheng Rongfeng, zitiert nach der BBC)
Man darf vermuten, dass man mit dem kuriosen Glasgebäude in der Gegend vor allem den Tourismus ankurbeln will. In dem Stöckelschuh sollen außerdem keine gewöhnlichen Gottesdienste, sondern vielmehr Hochzeiten und Hochzeits-Fotoshootings stattfinden. Ganz abgesehen von den ziemlich sexistischen Aussagen zur Intention des Baus (jaaa – Frauen muss man eben nur mit glitzernden Schuhen locken!) steht noch eine lokale Geschichte hinter dem Bau, die man sich in der Gegend erzählt. In den 1960er Jahren soll eine 24-Jährige aus der damals verarmten Gegend an einer Art Wundbrand erkrankt sein, woraufhin ihr beide Beine amputiert werden mussten. Ihre geplante Hochzeit wurde abgesagt, sie blieb unverheiratet und verbrachte den Rest ihres Lebens in einer Kirche. Der riesige Stöckelschuh soll ihr ein Denkmal setzten.
Was macht eine Kirche zur Kirche?
Fassen wir zusammen: Das Gebäude wurde offenbar von lokalen Behörden gebaut, es werden dort keine regulären Gottesdienste abgehalten. Anlass für die Architektur, Gestaltung und Ausstattung sind merkwürdige Ansichten über Frauen und eine lokale Erzählung. Dadurch, das man das Ganze als „Kirche“ bezeichnet, bekommt man natürlich (siehe BBC und auch diesen Blogbeitrag) international Aufmerksamkeit, weil damit bestimmte Vorstellungen einhergehen.
Aber was macht denn einen Kirchenbau aus? Hochzeiten kann man – nach evangelischem Verständnis – überall feiern (in der katholischen Kirche ist man da strenger, vgl. hier). Das allein macht also noch keine Kirche. Während in der katholischen Kirche eine bischöfliche Zustimmung und Weihe des Gebäudes entscheidend für den Status als Kirche ist, kann nach evangelischem Verständnis grundsätzlich jeder Raum „Kirche“ sein, der zum Beispiel für Verkündigung des Wortes Gottes und die Abendmahlsgemeinschaft genutzt wird.
Der Stöckelschuh soll nicht für normale Gottesdienste genutzt werden. Er ist also nicht dazu gedacht, Gläubigen einen Raum zu bieten, ihren Glauben gemeinschaftlich auszuleben. Selbst bei einem sehr weit gefassten Begriff von „Kirche“ denke ich, dass diese Bezeichnung in diesem Fall nichts als ein (gelungener?) PR-Coup ist. Ob Hochzeit oder nicht – der blau schimmernde Cinderella-High-Heel ist nichts anderes als ein ausgefallenes Denkmal.
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