Facebook - die neue Weltreligion?
Das soziale Netzwerk Facebook befriedigt religiöse Bedürnisse. (Bild: fm/Theopop)

Der Sprung zur Milliarde ist nicht mehr weit. Nach eigenen Angaben verzeichnete Facebook im Juni 2012 rund 950 Millionen aktive Mitglieder. Das Christentum hat – in all seinen Facetten –  schätzungsweise um die 2,1 Milliarden Anhänger, der Islam rund 1,3 Milliarden. Und die Zahl der auf der Welt lebenden Hindus unterschreitet mit geschätzten 850 Millionen schon die Mitgliederzahl der Webseite von Mark Zuckerberg. Der katholische Theologe Alexander Görlach behauptet, Facebook weise religiöse Züge auf und ähnele in vielen Dingen einer Religion. Ist Facebook also nach Christentum und Islam vielleicht die drittgrößte Weltreligion? Oder gar eine riesige Sekte?

Zumindest auf funktionaler Ebene lassen sich deutliche Schnittmengen aufzeigen – einige davon sind offensichtlich, andere vielleicht erst bei genauem Hinsehen erkennbar. Gleich vorneweg: Auch ich bin Teil der Facebook-Gemeinde. Folgendes soll als das verstanden werden, was es ist – Beobachtung. Nicht unbedingt Kritik, und wenn, dann auch Selbstkritik.

Eine Gemeinschaft zum Wohlfühlen

Gemeinschaft ist der Grund, warum Facebook überhaupt existiert. Es ist von seinem Schöpfer Mark Zuckerberg geschaffen worden, um die Welt zu vernetzen. Um eine riesige Gemeinschaft zu schaffen, in der Jeder mit Jedem in Kontakt treten kann: die Facebook-Gemeinde. Und diese zeichnet sich nicht nur durch nominelle Mitgliedschaft, sondern auch durch eine eigene Sprache aus. Facebookianer „liken“, bis der Mausknopf glüht. Sie „sharen“ oder „teilen“ Dinge, die eigentlich nicht teilbar sind. Sie „adden“ („Freunde“) und „posten“ ihren „Status“ auf ihrer „Pinnwand“. Wer einmal versucht, seinen Großeltern das in vernünftigem Deutsch zu erklären, merkt schnell, wie exklusiv die Facebook-Sprache (und die Prozesse, die dahinterstehen) tatsächlich ist.

So weit, so gut – Sprache ist eine Sache. Problematisch wird das Ganze aber dort, wo für Nicht-Mitglieder ein sozialer Druck entsteht, sich einer bestimmte Gemeinschaft anzuschließen. Wie ist das denn bei Facebook? Das soziale Netzwerk erfüllt seine Aufgabe so gut, dass viele Bereiche der Kommunikation, die vorher etwa über Email, ICQ oder ähnliches abliefen, nun fast komplett über Zuckerbergs Server rauschen. Und wer mit denen nicht verbunden ist, bleibt außen vor. Was früher Emailverteiler waren, sind heute Facebook-Gruppen. Und wer Facebook nicht beitritt, bleibt eben uninformiert. Er oder Sie ist kein Teil der Gemeinschaft, kann nicht mitreden, wenn die ArbeitskollegInnen interessante Videos und Bilder sharen. Ja, es gibt ihn: den sozialen Druck, Facebook beizutreten. Und der Druck auf die Außenstehenden steigt mit jedem, der sich ihm beugt. Facebook erfüllt, wie Religion auch, die Funktion, eine Gemeinschaft zu bilden. An dieser Stelle lasse ich es mir nicht nehmen, auf die Sekten-Checkliste des EBI-Sachsen zu verweisen. Punkt 11: „Die Gruppe grenzt sich von der übrigen Welt ab, etwa durch Kleidung, Ernährungsvorschriften, eine eigene Sprache, strenge Reglementierung zwischenmenschlicher Beziehungen.“ 

Zuckerberg, der Facebook-Guru

Facebook-Servergebäude
Ein Facebook-Servergebäude in Prineville, Oregon – Hort der Wahrheit? (Bild:IntelFreePress/flickr.com)

Bleiben wir doch gleich bei besagter Checkliste. Punkt 5: „Die Gruppe hat einen Meister, ein Medium, einen Führer oder Guru, der allein im Besitz der ganzen Wahrheit ist.“ Nun gut, über die Beliebtheit des Facebook-Gründers lässt sich streiten. Dennoch ergeben sich knapp eine Milliarde Menschen dem Machtbereich des jungen Unternehmers, der als „Meister“ ganz alleine bestimmt, wo es lang geht. Nehmen wir einmal an, Mark Zuckerberg würde von heute auf morgen beschließen, die Nachrichtenfunktion von Facebook abzuschaffen: Millionen von Menschen könnten nicht mehr miteinander kommunizieren, weil sie weder Email noch Telefonnummer ihrer „Freunde“ besitzen. Und noch mehr: potenziell hat der Facebook-Guru auch Vollzugriff auf intimste Daten seiner Jünger. Die „ganze Wahrheit“, gespeichert auf streng bewachten Servern.

Neben der Tatsache, dass Facebook für den Nutzer enorm einfach und unkompliziert funktioniert, zeigt sich in dem Erfolg des Netzwerkes eine Wandlung, die auch sich in den großen Religionen beobachten lässt. Individualität heißt das Zauberwort, dem sich viele heute verschrieben haben. Mit Blick auf die Religion führt dies zu einem Synkretismus. Bei Facebook führt es mitunter dazu, dass auf Profilseiten mancher Mitglieder das Bedürfnis nach Individualität und Einzigartigkeit nicht zu übersehen ist; nur wird dieses Bedürfnis nicht, wie etwa im Christentum, durch die Gottesbeziehung definiert und gestillt. Bei Facebook sind es die Reiserouten, die Arbeitsplätze, die besuchten Universitäten und die Bilder der besuchten Sehenswürdigkeiten im eigenen Profil, die die menschliche Sehnsucht nach Einzigartigkeit für alle sichtbar werden lässt. Und so manches Statusupdate schreit förmlich heraus: „Meine Facebook-Gemeinde, habt mich lieb!“

Wie Statistiken der letzten Jahre zeigen, verlieren die großen, institutionellen Kirchen (zumindest in der „westlichen Welt“) an Mitgliedern. In einer Gesellschaft, in der man sich sein Weltbild zunehmend selbst zusammenbastelt, verlieren solche Institutionen an Bedeutung. Für viele war Facebook zu Beginn ein Ausdruck der Freiheit, die im Internet vorgeblich herrscht. Doch das soziale Netzwerk ist ein autoritär geführtes Unternehmen. Die Freiheit dort ist eine Freiheit in engen Grenzen, abhängig vom Gutdünken einer amerikanischen Firma. Und die hat letztlich nicht das Wohl seiner Nutzer, sondern den Profit zum Ziel. Kritik gab und gibt es immer wieder an der Organisation und Struktur von Facebook, und selbiges zeigt immer mehr institutionelle Züge auf. Und  je institutionalisierter die Plattform wird, desto mehr Nutzer werden ihr, analog zu sonstigen Institutionen der Gesellschaft, wieder den Rücken kehren – das wäre zumindest eine These, über die man nachdenken könnte.

Was also ist das Fazit? Facebook als eine Weltreligion zu bezeichnen, wäre vermessen. Dennoch lässt sich nicht abstreiten, dass Facebook Bedürfnisse der Menschen befriedigt, die auch seit jeher in der Religion angesprochen werden. In der Facebook-Gemeinschaft wird man bedingungslos angenommen und die Sehnsucht nach Einzigartigkeit kommt hier wie kaum sonst zum Ausdruck. Hier soll ein letzter Verweis auf die Sekten-Checkliste nicht fehlen, denn dort wird deutlich, wo die Probleme beginnen. Wie oben gezeigt, sind zumindest die Frage nach der Abgrenzung und dem Guru bei Facebook klar zu „bejahen“. Das sind nur zwei von 17 Aussagen, nach denen die Checkliste fragt. Doch sie schließt mit den Worten: „Schon bei einem Ja: VORSICHT“.

Veröffentlicht von Fabian M.

Fabian Maysenhölder, Diplom-Theologe und Online-Journalist, ist Herausgeber des Blogs "Theopop". Während seiner Berliner Studienzeit wurde bei ihm in einem Seminar zu dem Thema „Kirche in den elektronischen Medien“ Interesse für diesen Forschungsbereich geweckt, der immer mehr an Bedeutung gewinnt – nicht nur für die kirchliche Öffentlichkeitsarbeit. In seiner Freizeit spielt er Badminton und engagiert sich ehrenamtlich in der Straffälligenhilfe.

5 Antworten auf &‌#8222;facebook – eine neue Weltreligion?&‌#8220;

  1. Facebook- eine neue Weltreligion?

    Man kann durchaus eindeutige Parallelen zwischen Facebook und einer Weltreligion erkennen, dennoch würde ich nicht nicht soweit gehen und davon sprechen, dass Facebook allmählich den Platz einer Religion einnimmt. In der heutigen digitalisierten und technisierten Welt, spielt das Internet und alles was damit verbunden ist eine große Rolle, da man durch soziale Plattformen wie Facebook, die größte soziale Plattform im Internet, alles und jeden erreichen kann und das in Sekundenbruchteilen. Facebook verbindet, lautet es immer und überall sobald man das Thema Facebook anspricht. Und tatsächlich ist man durch Facebook immer auf dem neusten Stand, was Neuigkeiten anbelangt sei es von Freunden oder Verwandten, seinem Idol (Stars, Promis usw.) oder etwaigen anderen Personen. Durch Facebook hat man die Möglichkeit, sich so zu „entfalten“ in seiner Persönlichkeit, wie man möchte ohne dafür vor den Kopf gestoßen zu werden. Die Kirche bot diese Möglichkeit sowohl früher als auch heute nie, die freie Meinung und Leben und Leben lassen wurde schon früher von der Kirche unterbunden, wer sich nicht an das Wort „Gottes“ hielt oder entgegen der 10 Gebote lebte, der wurde von der Kirche (den Abgesandten des göttlichen Willens) auf Ewig in die Hölle verbannt. In der heutigen Zeit ist dies allerdings nicht mehr möglich, die Gläubigen mögen zwar noch daran glauben, dass es etwas ähnliches wie die Hölle gibt, allerdings hat sich das Weltbild und damit auch die Meinung der Bevölkerung durch die Wissenschaft geändert, die Kirche ist nicht mehr in der Lage, ohne tatkräftige Beweise den Leuten etwas von Hölle und Apokalypse zu erzählen. Dennoch ist die Kirche ein wichtiger Teil der Menschheit, denn durch sie erfährt man Gemeinschaft, Liebe, Glaube an sich selber und an andere, Freundschaft und Trost, aufgrund dieser Funktionen der Kirche wird Facebook immer mehr in das Gebiet der Religion geschoben, da man auch durch Facebook all diese Funktionen erleben kann. Aber man kann nicht davon sprechen, dass Facebook im Begriff ist eine Weltreligion zu ersetzen, da Facebook zwar einen „Schöpfer“ hat der allerdings nicht angebetet oder vergöttert wird, und Facebook jederzeit in der Lage ist aus dem Netz zu verschwinden. In der Religion ist das anders, man kann nicht einfach von Heute auf Morgen entscheiden, dass es keine Religion mehr gibt, dass es Gott nicht mehr gibt. Gott macht eine Religion aus, man kann nicht sagen ob er existiert oder nicht, man kann nur an ihn glauben. Bei Facebook kann man gewiss sagen, dass es einen Schöpfer besitzt und man hat deswegen auch nichts woran man glaubt, weswegen ich finde das Facebook niemals den Platz einer Religion annimmt.

    1. Danke für die Anmerkungen. Ich teile den Gedanken, das zu einer „Religion“ neben funktionalen Asspekten natürlich auch transzendente gehören; mir ging es in dem Beitrag vor allem um Parallelen auf der funktionalen Ebene. Natürlich fehlt da noch ein ganzes Stück zur Religion 😉 (Wie ich finde, wird in dem Werbespot von Facebook, über den ich hier schreibe, zumindest ein „mehr“ angedeutet.)

Kommentare sind geschlossen.