patheos.com ist wohl die größte Webseite, die sich mit religiösen Themen beschäftigt – mehr als 450 Blogs sind dort gehostet, von Atheisten, Katholiken, Protestanten, Muslimen, Pantheisten. Da ist alles dabei. Ich lese dort selbst sehr gerne und häufig.
Nun gibt es dort offenbar Vorgänge, die wenig erfreulich sind – und die die Frage aufkommen lassen, wie es mit der multi-religiösen Plattform weitergeht. Im vergangenen Jahr wurde Patheos von Beliefnet gekauft. Und dort hat man einen evangelikal-christlichen Hintergrund. Schon kurz nach Bekanntwerden der Übernahme wurden vor allem bei paganistischen Bloggern Sorgen formuliert, welche Auswirkungen das haben könnte. Die offizielle Antwort darauf lautete damals: Es sind keine Änderungen geplant.
Das bewahrheitete sich offenbar nicht. Anfang diesen Jahres flatterte bei den Patheos-Bloggern ein neuer Vertrag ins Haus. Darin heißt es, man behalte sich künftig vor, Beiträge redaktionell zu editieren oder gar zu löschen. Einige Blogger berichten auch, dass dies passiert sei. Zudem sei es untersagt, Patheos und irgendeine damit verbundene Firma zu kritisieren. Nun gehört dazu zum Beispiel auch das „American Center for Law and Justice“, das mit Beliefnet verbandelt ist, sprich: Nicht kritisiert werden darf. Bei dieser Non-Profit-Organisation hat man sich unter anderem auf die Fahne geschrieben, sich in Afrika für christlich-konservative Gesetzgebungen einzusetzen. Das heißt auch zum Beispiel Kriminalisierung von Homosexualität (im Klartext: ACLJ setzt sich für die Todesstrafe für Homosexuelle ein).
Es ist aus Sicht eines Plattformbetreibers durchaus nachvollziehbar, die Kritik am eigenen Unternehmen vertraglich zu untersagen. Obwohl man fragen könnte, ob es nicht gerade für eine gute Unternehmenskultur spricht, sich auch selbst zu hinterfragen und zu kritisieren. Ein gutes Beispiel, das mir da kürzlich begegnet ist, ist Zeit Online, dort veröffentlicht man auch Artikel, die (sehr) kritisch mit eigenen Artikeln umgehen.
Mindestens 18 Blogger haben jedenfalls aufgrund dieser Vorgänge die Plattform Patheos verlassen, auch wenn andere wiederum die ganze Debatte für überzogen halten und keine Angst haben, dort künftig nicht mehr das schreiben zu können, was sie wollen.
Unabhängigkeit ist wichtig
Ganz abgesehen davon, wie „dramatisch“ die Vorgänge bei Patheos nun sind: Es zeigt sich doch ein Problem, wenn die „Conversation of Faith“ (so die eigene Beschreibung von Patheos) zentral gehostet wird. So schön eine solche Plattform als Anlaufpunkt ist, so viele Probleme kann sie auch bereiten. Wenn der Besitzer plötzlich wechselt oder aus irgendeinem Grund bestimmte Interessen vertritt (oder Weltanschauungen bevorzugt), war’s das mit dem gleichberechtigten Nebeneinander. Das ist fatal.
Gerade bei einer riesigen Webseite wie Patheos haben die einzelnen Blogger über Jahre natürlich auch eine große Community und Reichweite aufgebaut. Und alles liegt in den Händen der Plattformbetreiber, denen man quasi komplett ausgeliefert ist. Und solche Gedanken sind, da erzähle ich nichts Neues, keineswegs auf Patheos beschränkt. Sie sind ebenso zum Beispiel auf alle sozialen Medien anwendbar, in unserem privaten Umfeld. Erschreckend, wie abhängig wir in unserer persönlichen wie beruflichen Kommunikation heute von große US-Firmen abhängig sind. Aber das nur nebenbei.
Mir zeigen die Vorgänge – wie gesagt, ganz unabhängig davon, was nun tatsächlich passiert -, wie wichtig es ist, auch völlig unabhängige Stimmen zu haben. Blogger, die ihre eigene Webseite betreiben, auf der sie alles in der Hand haben. Die sich eine eigene Plattform schaffen. Das ist zwar mühsamer und braucht mehr Zeit und Pflege. Dafür kann einem niemand die Stimme rauben.