Am vergangenen Freitag hatte ich das Vergnügen, im Vorfeld des Barcamp Kirche Online beim Treffen theologischer Blogger*innen einen kleinen Vortrag über das Projekt Theoradar halten zu dürfen. Im anschließenden Austausch haben wir uns unter anderem über die Frage unterhalten, wie denn eigentlich Theologie auf Blogs läuft. Wie verändert und wie prägt das Bloggen Theologie?

Ich habe dazu ein fünf kurze Thesen in den Raum gestellt – und damit sie da nicht für alle Zeiten bleiben, möchte ich sie hier an dieser Stelle auch noch veröffentlichen. Sie sollen Gedanken anregen, Feedback einzuholen, darüber zu diskutieren (siehe These 3 :-)). 

Die Thesen beziehen sich auf bestimmte Spezifika, die sich meines Erachtens bei dieser Fragestellung beobachten lassen – und sich teilweise schon aufgrund der besonderen Eigenschaften des Mediums Blog als solches ergeben. Das bedeutet nicht, dass Theologie außerhalb von Blogs nie so zu finden wäre (natürlich ist sie das); genausowenig, dass Theologie auf Blogs immer und ausschließlich so zu finden ist. Es ist ein Versuch, bestimmte Beobachtungen und Gedanken pointiert zusammenzufassen. 

These 1: Theologie auf Blogs ist aktuelle Theologie

Die Ebene der Aktualität gilt bei Blogs vor allem auf zwei Ebenen, die sich bedingen – und beide sind eigentlich recht banal. Die eine Ebene ist die des persönlichen Interesses der Autor*innen. Was der eigenen Person in ihrem eigenen Leben gerade relevant erscheint oder in irgendeiner Weise interessant, darüber wird geschrieben. Gebloggte Theologie ist also zunächst in einem persönlichen Sinne aktuell. Die zweite Ebene ist folgende: Der Impuls, theologische Fragestellungen in einem Blogbeitrag zu bearbeiten, kommt häufig von außen. Von Themen, Problemen oder Diskursen, die gerade gesamtgesellschaftlich oder binnenkirchlich stattfinden. Es findet also auf dieser Ebene in besonderer Weise eine Verknüpfung von Theologie und Aktualität statt, die bei universitären Diskursen häufig so und in diesem Tempo nicht gegeben ist (und nicht sein kann). Gebloggte Theologie ist also auch in einem gesellschaftlichen Sinne aktuell.

Beide Ebenen entsprechen dem Genre Blog an sich – handelt es sich doch dem Ursprung nach um ein veröffentlichtes Tagebuch, in dem sich die Autor*innen mit dem beschäftigen, was sie gerade bewegt.

These 2: Theologie auf Blogs ist fokussierte Theologie

Wer Theologie auf Blogs treibt, will keinen Rundumschlag machen. Es ergibt sich vielleicht auch ein wenig aus ihrer Aktualität, dass es vielmehr darum geht, sich fokussiert zu äußern. Eine komplette Dogmatik findet man auf Blogs nicht. Hier und da vielleicht mal etwas ausgiebigere Abhandlungen zu einem Thema. Aber es bleibt: Ein Thema, häufig auch nur ein Teilaspekt eines Themas.

Ich glaube, dass dieser Aspekt sogar in gewisser Weise technisch bedingt ist. Natürlich gibt es auf Blogs keine Zeichenbegrenzung wie in den Sozialen Netzwerken. Theoretisch wäre es also möglich, anstatt einer zwölfbändigen Dogmatik einfach einen Blogbeitrag zu schreiben.  Doch allein die einigermaßen absurde Vorstellung, dass jemand solch einen Beitrag in dieser Form lesen würde, zeigt: Es gibt irgendwie doch Grenzen. Vielleicht nicht durch die Technik selbst, aber durch das Rezeptions- und Publikationsverhalten, das das Medium Blog mit sich bringt.

These 3: Theologie auf Blogs ist fragmentierte Theologie

Unfertig – das ist ein Stichwort, das mit Blogs in mehrfacher Hinsicht verbunden ist. Zum einen auf das Blog als ganzes bezogen. Weil es keine statische Webseite ist, ist ein aktives Blog stets nur eine Momentaufnahme einer Webseite, die sich (weiter-)entwickelt. Blogs sind an sich also bereits „unfertige Medien“. Zum anderen gilt das Schlagwort „unfertig“ aber auch für die einzelnen Beiträge. Wer bloggt, schreibt seine Gedanken zu einem Thema auf. Die sind mal mehr, mal weniger fundiert, durchdacht oder ausformuliert. Es gibt sie zwar auch, die Blogbeiträge mit vielen Fußnoten, doch bilden sie eher die Ausnahme. Auch das ist eine Folge des Mediums Blog an sich (siehe These 1): Weil man sich eben nicht in einem dezidiert wissenschaftlichen Kontext bewegt, muss auch nicht alles bis ins letzte durchdacht sein. Gedanken werden einfach einmal geäußert, um zu sehen, welche Resonanz sie erzeugen. Fragen werden offen gelegt und gestellt, vielleicht gerade, weil man noch keine Antwort darauf hat. 

Theologie auf Blogs ist also  in besonderer Weise Theologie in Bruchstücken – fragmentierte Theologie.

These 4: Theologie auf Blogs ist dynamische Theologie

Blogs sind soziale Medien. Es gibt ganz verschiedene Arten sozialer Medien, die jeweils ganz unterschiedliche Dinge bezwecken. Eines ist an dieser Stelle dabei festzuhalten: Blogs dienen weniger der Vernetzung (wie z. B. Facebook, Instagram, Twitter – die sozialen Netzwerke), sondern sie sind in erster Linie Publikationsmedien. Das vorrangige Ziel ist nicht, ein Netzwerk aufzubauen (auch wenn das sicherlich in manchen Fällen über die Blog-Community entsteht), sondern, die eigenen Gedanken zu veröffentlichen und ggf. mit denen, die sie rezipieren, in Austausch darüber zu treten. 

Theologie auf Blogs passiert also im Austausch  und in der Diskussion mit anderen – entweder in den Kommentaren auf dem Blog selbst oder in den Sozialen Netzwerken, in die ein Artikel hinein gestreut wird. Wer bloggt, macht sich angreifbar. Er/Sie muss für seine/ihre Position unter Umständen schneller und unmittelbarer einstehen und auf Kritik oder Anfragen reagieren, als wenn diese in einem Buch oder (Zeitschriften-)Artikel erscheint. Zugleich werden theologische Gedanken zwar initial auf Blogs geäußert, dort verbleiben sie aber nicht. Sie werden potenziell weitergetragen, modifiziert, angepasst und in anderen Kontexten rezipiert und reproduziert – und zwar deutlich schneller als „Offline-Theologie“.

Theologie auf Blogs ist deshalb in zweierlei Hinsicht betont dynamische Theologie im Wortsinne: Den Kräften ausgeliefert. Zum einen den Kräften die unmittelbar auf die Urheber*innen zurückwirken, im positiven wie negativen Sinne. Zum zweiten den unkontrollierbaren Kräften, die die Theologie weitertragen, modifizieren und adaptieren -den Rezipient*innen und Produzent*innen (die sich im Social Web nicht mehr voneinander unterscheiden lassen, weil jeder beides zugleich ist).

These 5: Theologie auf Blogs ist häufig implizite Theologie

Es gibt zahlreiche Blogger*innen, die sich explizit mit theologischen Fragen beschäftigen – und ihr „treiben“ auf den Blogs auch als Theologie bezeichnen würden. Oft jedoch schreiben (christliche, religiöse) Autor*innen einfach über ihren Glauben. Über ihre Gedanken zu bestimmten Themen. Über ihre Fragen. Den Begriff „Theologie“ braucht es da gar nicht, und vielen mag er vielleicht sogar fremd sein.

Dennoch findet sich auch in solchen Beiträgen Theologie. Was genau darunter zu verstehen ist, hängt wohl auch vom eigenen Verständnis von „Theologie“ ab (dazu blogge ich vielleicht auch mal noch etwas, um diesen Punkt zu verdeutlichen). Ich würde aber behaupten: Wer aus christlicher Sicht über ein Thema bloggt, setzt sich aktiv mit seinen Gedanken darüber auseinander, weil sie in Worte gefasst werden müssen. Die jeweils eigene Theologie der bloggenden Person steht dabei aber immer im Hintergrund – sie wird durch das Bloggen also implizit veröffentlicht.

Veröffentlicht von Fabian M.

Fabian Maysenhölder, Diplom-Theologe und Online-Journalist, ist Herausgeber des Blogs "Theopop". Während seiner Berliner Studienzeit wurde bei ihm in einem Seminar zu dem Thema „Kirche in den elektronischen Medien“ Interesse für diesen Forschungsbereich geweckt, der immer mehr an Bedeutung gewinnt – nicht nur für die kirchliche Öffentlichkeitsarbeit. In seiner Freizeit spielt er Badminton und engagiert sich ehrenamtlich in der Straffälligenhilfe.