Das heilige Olympische Feuer
Das heilige und göttliche Olympische Feuer? (Foto:flickr/Merelymel13)

Die ganze Welt blickt nach London. Die britische Hauptstadt wird in den kommenden zwei Wochen zum Zentrum der Aufmerksamkeit, wenn Sportler aus aller Welt im Rahmen der Olympischen Spiele 2012 gegeneinander antreten. Eine gute Gelegenheit, ein wenig den Blick zu schärfen: Für religiöse Symbolik in dieser doch anscheinend so säkularen Veranstaltung. Eine erste Beobachtung soll dem olympischen Fackellauf gelten, der seine Kreise bereits seit mehreren Monaten immer enger um London zieht. Bei der großen Eröffnungszeremonie wird das Olympische Feuer feierlich in der englischen Hauptstadt ankommen. Und Millionen Menschen werden weltweit vor den Bildschirmen sitzen, um diesen Moment mitzuerleben.

Schon seit 70 Tagen, seit dem 18. Mai 2012, reist die Fackel mit dem Olympischen Feuer durch Großbritannien. Der Fackellauf im Vorfeld zu den Spielen ist seit 1936 ein fester Brauch. Auch wenn es einige Anknüpfungspunkte zur griechischen Antike gibt, so ist der Fackellauf doch eine Erfindung der Neuzeit – genauer gesagt, eine der Nationalsozialisten. Doch das soll hier nicht das Thema sein. Überraschend ist, was das Internationale Olympische Komitee (IOC) über die Bedeutung des Fackellaufs sagt. In der Veröffentlichung „Das Olympische Feuer und der Fackellauf“ heißt es über den Ursprung und die Symbolik des Feuers:

„Im Rahmen der Spiele der Neuzeit verkörpert das Olympische Feuer die positiven Werte, die der Mensch diesem Element von jeher zuschreibt. Die Reinheit des Feuers wird dadurch gewährleistet, dass es auf  ganz besondere Art und Weise – mithilfe der Sonnenstrahlen – entzündet wird.“

Schon hier fällt auf: Das Feuer wird, sehr bedeutungsschwanger, durch die Kraft der Sonne entzündet. Nicht etwa durch Menschenhand. So soll die besondere Reinheit des Feuers gewährleistet werden. Hier sei die Frage erlaubt, warum ein durch die Sonne entzündetes Feuer „reiner“ sein soll als ein solches, das etwa durch ein Streichholz entfacht wird? Eine mögliche Antwort findet man, wenn man in dem IOC-Dokument weiter liest. Dann wird auch klar, wie eng die dahinterstehende Symbolik tatsächlich (und beabsichtigt) mit dem Götterglauben der alten Griechen verbunden ist. Ganz bewusst soll durch den Ursprung der Flamme in Olympia eine „Verbindung zwischen den Olympischen Spielen des Altertums und jenen der Neuzeit“ hergestellt werden, schreibt das IOC. Und weiter:

„Der göttliche Ursprung des Feuers machte es zu einem heiligen Element. Aus diesem Grund brannten im antiken Griechenland vor den wichtigsten Tempeln Ewige Feuer. Um das Feuer zu entzünden, wurden die Sonnenstrahlen im Zentrum einer Schale, der Skaphia, gebündelt. Mit der so erzeugten enormen Hitze wurde eine Flamme entfacht. Nach dem Vorbild der Skaphia wurde der Hohlspiegel geschaffen, der heute der Entzündung des Olympischen Feuers dient.“

Das „Ewige Feuer“ ist also Vorbild für das Olympische Feuer. Und damit könnte ein religiöser Bezug näher nicht liegen, brannten die Feuer doch als Zeichen der Verehrung der jeweiligen Götter. Nur bleibt das IOC die Antwort schuldig, für welchen Gott das Olympische Feuer brennt.

Rein, heilig und göttlich

Die Entzündung des Feuers ist eine regelrechte göttliche Zeremonie: „Vor den Ruinen des Heratempels zelebrieren Schauspielerinnen in der Rolle von Priesterinnen die Entzündung des Feuers. Choreografie und Kostüme sind dabei der Antike nachempfunden. […] Anschließend wird das Feuer in einem Tongefäß ins alte Stadion getragen. Hier überreicht die Hohepriesterin, die die Zeremonie leitet, das Feuer mithilfe einer Fackel dem ersten Läufer.“ (Hier gibt es dazu ein Video)

Das Olympische Feuer – rein und heilig, von göttlichem Ursprung. Ganz bewusst wird diese Symbolik auch heute durch Zeremonien und Rituale gefördert: Die Flamme, die von den Läufern getragen wird, stammt nicht aus Menschenhand, sondern ist – im wahrsten Wortsinne – nicht von dieser Welt.

Wie wichtig die Bewahrung dieser Symbolik zu sein scheint, zeigt auch der Plan B, falls die Fackel während ihrer Reise durch einen unglücklichen Umstand erlöschen sollte, so geschehen Anfang Juli beim diesmaligen Fackellauf. Ein Ersatzfeuer, das ebenfalls an der heiligen Ursprungsstätte entzündet wurde, begleitet den Lauf die ganze Zeit. So muss im Notfall kein Mensch das Feuerzeug zücken. Das ist nur konsequent, denn durch jeden Eingriff eines Menschen wäre das Feuer nicht mehr das reine, heilige Element, das es für Olympia sein soll.

Veröffentlicht von Fabian M.

Fabian Maysenhölder, Diplom-Theologe und Online-Journalist, ist Herausgeber des Blogs "Theopop". Während seiner Berliner Studienzeit wurde bei ihm in einem Seminar zu dem Thema „Kirche in den elektronischen Medien“ Interesse für diesen Forschungsbereich geweckt, der immer mehr an Bedeutung gewinnt – nicht nur für die kirchliche Öffentlichkeitsarbeit. In seiner Freizeit spielt er Badminton und engagiert sich ehrenamtlich in der Straffälligenhilfe.