Weiße-Weihnachts-DNA

Wenn Du Dir die kulturelle DNA von irgendwas angucken willst, dann schau Dir die Kinderbücher an. Wenn man es als kritisch postkoloniale Kulturwissenschaftler*in mal knallen lassen will, dann analysiert und kritisiert man traditionellerweise Kinder- und Jugendbücher. Dieses Jahr kann ich nicht anders, als das nochmal zu machen, das nochmal zu unterstreichen, nochmal zu fordern.

Die kulturelle DNA von Weihnachtsdarstellungen ist einfach zu nordeuropäisch-weiß. Das schlägt mir nochmal ins Gesicht, als ich verzweifelt versuche, einen christlichen Adventskalender zu finden. Also was mit Türchen, hinter denen christliche Bilder vom Advent zu sehen sind. Nicht Schokolade, nicht Deo, nicht skandinavisch-diffuse Wichtelchen, nicht Lego, nicht Playmobil – einfach nur Bilder von Lukas und Matthäus. Totale Fehlanzeige. Und zwar anders als ich gedacht habe. In einer Missionsbuchhandlung werde ich dann doch fündig, aber: Baby Jesus ist blond. Joseph und Maria sind ätherisch-weiß, die Hirten noch am ehesten ‚anders‘, und die Engel sehen aus wie Wasserfarbenzeichnungen, die das Süddeutsche Christkindl mit Germanys Next Topmodel crossovern. Groß, blond, unversehrt, gesund, rosige Bäckchen.

Schon klar, jetzt wird es moralisch. Brauch ich das jetzt gerade, bei Corona und Wirtschaftskrise, noch so ein Gemecker, das Weihnachten nicht mehr gut genug ist?  Wie von diesen Gender-Leuten, die zuviel Wut und zuviel Zeit haben? Ich finde Ja. Denn auch hier, wenn wir es nicht machen, wenn wir Weihnachten nicht dekolonisieren, dann machen das andere für uns. Z.B. die Edeka Kampagne „Lasst uns froh und bunter sein“, die Multikulturalismus als lecker konsumierbar reinszeniert. Da finde ich es völlig okay, mal inhaltlich ein bisschen in unserer Weiße-Weihnachten-Ikonographie rumzustochern.

Weihnachten dekolonisieren?

Was heißt denn hier Weihnachten dekolonisieren? Für mich heißt es, koloniale Muster zu entlarven und zu entfernen oder zumindest mit Alternativen zu versehen. In groben Strichen: Die Verwebung von eurozentrischen Narrativen auseinanderzunehmen, die davon ausgehen, dass Nordwesteuropa und die weiße Gesellschaft des Neunzehnten Jahrhunderts das Nonplusultra sind und alles andere, eben DAS ANDERE, das böse Dunkle gegenüber, dass das Licht (Achtung erste Weihnachtsmetapher) der Aufklärung, Zivilisation, kurz Christentum in einer bestimmten kulturellen Ausprägung braucht. Hallo? Master-Narrativ des Neunzehnten Jahrhunderts? Was kann da heftiger weiter wüten und hat sich kulturimperialistisch mehr durchgesetzt als Weihnachten? Mit dem absurden Leidensdruck, dass es kalt sein muss und schein, sonst ist es nicht mehr Weihnachten. Da hat uns das Klima schon zwangsdekolonisiert. Mit Liedern, über die ich jedes Jahr wieder stolpere, wie „Stern auf den ich schaue“ mit dem „Führer“, dem man da folgt oder die wackelige Situation von „Wisst ihr noch, wie es geschehen“ von dem auf einem Kolonialanwesen aufgewachsenen Nazi-Sympatisanten Christian Lahusen. Mit einem weißen Nikolaus von Myra, aus der heutigen Türkei. Mit dem festgefrorenen Time-Frame des dickensianischen Viktorianismus als Kulisse für Weihnachten bis zu Netflix neuem, erstmals vornehmlich mit People of Colour besetztem „Jinge Jangle“-Weichnachsmusical. Mit weißen Krippendarstellungen von Menschen, die sowas von People of Colour waren.

Auch die Vermarktung von ‚Ethno‘-Weihnachten als konsumierbar und anders, mit ‚lustigen‘ indigenen Krippen haut gerne mal in die: „Guck mal wie komisch und exotisch“-Kerbe. Oder eben die Krippen, wo People of Colour die weiße Kernfamilie besuchen und Geschenke bringen. Schon komisch, dieses Bildprogramm, oder?

Angels of Colour

Ich will gar nicht viel. Nur mal drüber nachdenken und vielleicht mal Diversität repräsentieren oder überlegen, wie seltsam die Übertragungen von Deutschen Winterromantikfantasien vor einem Plastikweihnachtsbaum in Australien wirken (vgl. als Atmo hier: https://www.youtube.com/watch?v=084PJr7iFQg).

Ich will gerne verstärken und zeigen, was @Metablabla auf Instagram geschrieben hat und von den sich stärker und lauter sprechenden People of Colour in den Reihen der Kirchenamtlichen repostet wurde: @Metablabla stellt das großartige Weihnachtsbilderbuch Silent Night von Lara Hawthorne vor. Da sind alle Menschen repräsentiert mit allen möglichen Selbstzuschreibungen. Die Engel, so schreibt sie, sind BIAC, „Black, Indigenous, and Angels of Colour“! Das einfach zum Bücherschrank dazustellen oder sich damit mal auseinanderzusetzen.

Black Face at the most wonderful time of the year

Und ich will mich nicht erklären müssen, wenn ich Caspar in Black-Face am Gemeindehaus vorbeiziehen sehe und überlege, wie sich das anfühlen muss für die Geflüchteten aus dem Nachbarort, falls sie sich in unsere Gottesdienste verirren. Nein, dass ist nicht unter „Oma findet’s okay“ abrechenbar, genausowenig wie die Schaumkussdebatte. Sprache baut Welt. Bilder bauen Menschen. Da kann es nicht bunt genug sein, aber bitte ohne kulturelle Dominanz von Weißsein und Reinszenierung von Schwarzsein als ‚anders‘. Klingt ein bisschen wie „War on Christmas“, ist aber das Gegenteil.