Auf diesen Saugroboter gehören Wackelaugen, denke ich, als ich mir anschaue, wie lebendig dieses Ding auf dem Boden gegen Kanten knallt, zögert und stutzt und niedlich blinkt. Wie diese mäuseähnlichen Bodenroboter aus Star Wars. Mir fällt es schwer, bei diesem Anblick nur an eine Platine und Softwareroutinen zu denken. Und natürlich braucht so ein Saugroboter auch einen Namen. Wie die Roboterhaustiere, die in Zukunft den Markt überschwemmen und die Bewegungen von Disney-Pixar-Charakteren und Terminator verbinden.

Irgendwie kriegen diese Dinge, in denen Menschen hilfreiche Routinen abspeichern, wenn man sie beobachtet, schnell so etwas wie einen Subjektstatus. Sie werden zu einem Gegenüber, wie die Haustier-Katzen, die sie erschrecken oder die mit ihnen spielen. Nicht ganz Mensch, halbes Haustier, aber nicht mehr ganz Ding – aber dann doch nur eine Projektion vom Menschen, etwas was Menschen ablegen und abspeichern und was ihnen dann wieder vorgespielt wird? Simulierter Subjektstatus und Spielzeug? Niedlich und mehr nicht. Jedenfalls ohne eigene Stimme. Noch.

Genauso war das auch mit dem Segensroboter der Reformations-Expo in Wittenberg, über den ich hier im letzten Jahr geschrieben habe. Eine Spielerei, bei der eine vorher aufgenommene Stimme von einer Pfarrerin oder einem Pfarrer der Kirche Hessisch-Nassau die Menschen segnet. Eine Audioaufzeichnung also, zusammen mit einer abgespeicherten Bewegungsroutine der Arme verteilt robotisch-mechanisierte Segensgesten. Der eigentliche Segen wurde, so die weitläufige Interpretation und Intention der Macher*innen, nicht vom Roboter oder von Künstlicher Intelligenz (KI) gemacht, sondern nur übertragen.

Ein „Ding“, die KI, übernimmt die religiöse Rede

Offenbar ist die Mechanisierung religiöser Rede nun einen Schritt weiter. In der vergangenen Woche hat die Church of England einen „skill“ für die Haushalts-Smart-Devices Alexa und Echo gelauncht. Die Anglikaner*innen ergänzen so eine Reihe von Apps, die Menschen Zugang zu Gebeten, Lesungen und Gottesdienstelementen unterwegs und daheim bieten sollen. Die englische App betet auf Befehl Gebete zum Morgen, für den Tag oder auch am Tisch. Sie beantwortet Fragen zur Bibel, zum Wesen Gottes, zum Christsein, zu Hochzeiten und Beerdigungen – und vermittelt an lokale Parochien.

Der Erzbischof von York, John Sentamu sagt, der Service, „ermöglicht regelmäßigen Kirchgänger*innen und solchen, die sich an den Glauben annähern, auf eine andere Weise mit Gott in Verbindung zu kommen und zu einer Zeit, die für sie richtig ist. Ein Viertel aller Haushalte im Vereinigten Königreich verfügen über solche Smart-Devices und (…) dieses schnell wachsende Areal wurde als Priorität für die Weiterentwicklung identifiziert.“ ((Harriet Sherwood, Church of England app lets Alexa say grace, The Guardian Weekly, 01.06. 2018)).

Anders als beim Segensroboter spricht hier keine aufgezeichnete Stimme eines anderen, sondern die KI selbst. Im Akt des Betens – auf Befehl oder nach vorher festgelegter Zeit – generiert ein Gerät selbst aktual Laute. Die religiöse Rede, so könnte man argumentieren, wird erstmals von einem Ding gemacht. Alleine, wenn Alexa sagt: „Dear God Almighty“ – was passiert da eigentlich? Ein Ding adressiert Gott! Oder nicht? Irgendwie ist das mehr, als wenn ich eine Audioaufnahme abspiele. Und Alexa schließt sich selbst ja auch performativ ein, wenn – sie? es? – wenn Alexa das Vaterunser betet. (Was auch immer das täglich Brot von Amazon ist, mit der Schuld und den Schuldnern ist das einfacher…). Wie verändert das religiöse Gewohnheiten und wie ist das eigentlich mit Datenschutz und Beichtgeheimnis, wenn ein offenes Mikro mit WLAN-Zugang mein Beten ‚begleitet‘?

Alexa bleibt ein Spielzeug menschlicher Spiritualität

Eine Roboterstimme, generiert von künstlicher Intelligenz interagiert also mit anderen und für andere und das vor Gott. Darin ist Alexa dann nicht anders als liturgisch Beauftragte – vielleicht sogar nicht anders als klassische Interzessor*innen wie die Jungfrau Maria oder St. Judas – Vertreter*innen in einer anderen Sphäre. Ungeachtet der Frage, ob Computer überhaupt beten können, haben die Engländer sie jedenfalls einfach damit anfangen lassen. Scheinbar.

Aber ist das wirklich etwas anderes, als wenn ich einem Papagei oder einem begabten Schwein beibringe, ein Gebet aufzusagen? Auch wenn sie mit eigener Stimme sprechen, fehlt mir etwas dazu, die religiöse Rede Alexas wirklich als Gebet zu verstehen. Alexa hat eben immer noch keinen Subjektstatus oder Bewusstsein, Entscheidungsmöglichkeit etc. Und Alexa bleibt ein Spielzeug menschlicher Spiritualität – nicht der Beginn einer eigenen künstlichen.

Trotzdem ist die Technologie der Kirche von England innovativ. Denn durch sie wird das Roboterding zum Gegenüber für menschliche religiöse Rede, wird zum Aktant und Teil des Gebets, zum Auftaktgeber und zur Vorbeter*in, zur Vermittler*in religiösen Wissens und Zugangsgarant für religiöse Repertoires der Lebensgestaltung und -bewältigung. Darin – so könnte man argumentieren – transformiert sich das Home-Device zu einem normalen liturgischen Gebrauchsgegenstand – nicht anders als Gebetsleuchter, Altarbild oder Rosenkranz – ein Gegenüber und Interaktant um gemeinsam mit Gott in Kontakt zu kommen. Nur eben privat, überall, jederzeit und daheim und ohne weitere liturgische Gegenstände vielleicht nicht ganz so immersiv.

Ich jedenfalls spüre den Drang nicht nur zur Ergänzung von Augen, die der Gebetsroboter schon hatte und die dem Saugroboter fehlten, sondern auch von einer Stola. Die würde ich um die kommerzielle Klangsäule drapieren, für die neue medienaffine gestaltete Mitte, auch wenn sich kaum noch ein Kreis um sie bildet.

Eine Antwort auf &‌#8222;Heilige Alexa, bete für uns&‌#8220;

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