In einer unserer vergangenen Web-Rundschauen hatten wir bereits auf das Projekt „Symphony of Science“ des Musikers John D. Boswell verwiesen. Boswell hat es sich zur Aufgabe gemacht, „Wissenschaftliche Erkenntnis und Philosophie“ zu verbreiten, und zwar in einer besonderen Form: durch die Musik. Zur Einstimmung das Lied „We Are Star Dust“:

Wissenschaft trifft Popkultur – und nicht nur das. Da vermischen sich zwei Ebenen: Die Wissenschaft wird auf eine andere (quasi-religiöse?) Ebene gehoben. Zumindest, was die Emotionalität angeht. Ich bin selbst, muss ich zugeben, ein großer Astronomie-Fan und beschäftige mich außerordentlich gerne mit diesem Themenbereich. Entsprechend lese ich auch viele themenbezogene Bücher, mich faszinieren die Erkenntnisse und wissenschaftlichen Fortschritte in diesem Fachgebiet. 

Und hier nun, in diesem Video, geht es plötzlich nicht mehr nur um Fakten. Da wird das ganze emotional: In melodiöser Stimme, unterlegt mit eingängigen, sphärischen Tönen wird plötzlich noch etwas ganz Anderes angesprochen. Da werden nicht nur Fakten transportiert, sondern mit ihnen das wohlige, angenehme Gefühl der Geborgenheit, dass sich schon nach den einleitenden Zeilen einstellt:

 We are part of this universe,

we are in this universe

the universe is in us, yes, the universe is in us

We are part of this universe,

we are in this universe

the universe itself exists within us

Wir und das Universum sind eins. Das Universum ist in uns, wir sind im Universum! Ist das nicht schön, so eine vollkommene Ganzheit? 

Auch in dem Lied „We Are All Connected“  wird ganz deutlich schon zu Beginn auf diese Einbettung des Menschen in eine Gemeinschaft (wenn auch rein biologisch) angespielt. Und interessant auch der Aspekt, dass die „Natur“ hier personifiziert wird und dann dadurch ein höheres „Etwas“ angedeutet wird: „I think natures imagination is so much greater than man’s […]“ (Minute 0.19). 

Es ist interessant zu sehen, wie hier ein elementares Bedürfnis des Menschen danach, in ein sinnvolles Ganzes eingebunden zu sein, angesprochen wird. Und dieses Bedürfnis wird hier nicht durch Religiosität aufgenommen, nicht durch etwas Übersinnliches, sondern schlicht durch wissenschaftliche Erkenntnisse: Wir sind alle Sternenstaub, gehören alle irgendwie zusammen. Die Sterne sind gewissermaßen unsere Schöpfer (oder zumindest diejenigen, die das Material für unsere Entstehung bereitstellen). Diese Erkenntnisse sind dazu noch schön simpel formuliert und in eine Melodie eingebettet. Das ist doch eine schöne Sache. Wozu braucht’s da noch die Religion? Wissenschaft kann so schön emotional sein – und damit nicht nur die Wissbegierde des Menschen, sondern auch die Sehnsucht nach Geborgenheit und Zugehörigkeit erfüllen. Du bist das Universum!

Eine Welt nur aus Fakten?

(Bild: wokka/flickr.com unter cc-by-sa)
(Bild: wokka/flickr.com unter cc-by-sa)

Sicher, faktisch ist das nicht zu bestreiten. Wir alle sind „Sternenstaub“, das hört sich nicht nur romantisch an, sondern ist tatsächlich status quo der Forschung. Aber das Gefühl der wohligen Geborgenheit im Universum löst sich ganz schnell in Luft auf, wenn man sich darüber Gedanken macht, wie lebensfeindlich der Ort für uns eigentlich ist (mit einer kleinen Ausnahme, auf der wir leben, die aber in Relation zum Ganzen gesehen nicht einmal die Größe eines Staubkornes hat). Irgendwie wird man das Gefühl bei den „Symphony of Science“-Videos nicht los, dass es hier nicht um bloße Fakten geht. Und der Autor selbst schreibt ja: Er will nicht nur wissenschaftliche Erkenntnis, sondern auch die wissenschaftliche Philosophie verbreiten. Eine Philosophie also, die die Welt nur aufgrund überprüfbarer Fakten erklärt? 

Aber unterliegt diese Weltsicht nicht einem Trugschluss? Wissenschaft erklärt nicht, sie beobachtet (so schreibt z. B. Manfred Lütz). Und dann beschreibt sie, was sie beobachtet, versucht Gesetze dafür aufzustellen. So ist es in der Evolutionstheorie, die beschreibt, wie aus Einzellern Menschen wurden. So ist es in der Astronomie, die aus der Beobachtung des expandierenden Universums die Urknall-Theorie hervorgebracht hat. Und die Vergangenheit der Wissenschaftsgeschichte hat auch gezeigt, wie oft komplette Theorien und Weltbilder wieder über Bord geworfen wurden, weil sie falsifiziert wurden. Wissenschaft beobachtet. Und wenn sie etwas beobachtet, was nicht mit bisherigen Gesetzen zu beschreiben ist, dann müssen neue her.

Doch liefert Wissenschaft eine Antwort auf existenzielle Menschheitsfragen? Wer fragt, warum wir Menschen auf dem einzigen uns bekannten sprießenden und blühenden Planeten leben, bekommt keine Erklärung (zumindest, wenn er sich nicht mit „Zufall“ zufrieden geben will). Wer fragt, warum sich der Urknall ereignete oder warum sich tote Materie plötzlich dazu entschloss, zu leben, bekommt keine Erklärung. Und genau deshalb ergibt sich auch kein Widerspruch zwischen Religion und Wissenschaft: Weil sie sich auf unterschiedlichen Ebenen bewegen, unterschiedliche Aspekte der Welt betrachten.  Auch die Wissenschaft muss bei den „letzten Fragen“ nach Leben und Sterben auf den Glauben verweisen. Und sei es der Glaube an den Zufall.

Umso interessanter, wie hier durch die musikalische Verarbeitung wissenschaftlicher Fakten diese Ebenen vermischt werden und die Wissenschaft auf eine quasi-religiöse Ebene gehoben wird. Das begegnet übrigens auch gerne bei Richard Dawkins und seinen Jüngern. Dann werden Formeln zu Dogmen und die Sterne zu unseren Schöpfern. Doch eine Frage sei erlaubt: Wäre diese Welt nicht tristlos, wenn sie nur aus dem bestünde, was man messen und beschreiben kann?  Was ist mit Schönheit, Vertrauen, Liebe oder Zuneigung? Ach, da ist ja noch diese eine Formel:

„The beauty, the majesty, the power of the universe into a single equation: E = mc²“

(Minute 1.39,  „Secret of the Stars„)

 

Weiterführende interessante Links:

 

Veröffentlicht von Fabian M.

Fabian Maysenhölder, Diplom-Theologe und Online-Journalist, ist Herausgeber des Blogs "Theopop". Während seiner Berliner Studienzeit wurde bei ihm in einem Seminar zu dem Thema „Kirche in den elektronischen Medien“ Interesse für diesen Forschungsbereich geweckt, der immer mehr an Bedeutung gewinnt – nicht nur für die kirchliche Öffentlichkeitsarbeit. In seiner Freizeit spielt er Badminton und engagiert sich ehrenamtlich in der Straffälligenhilfe.

5 Antworten auf &‌#8222;Ein feste Burg ist unser E=mc²&‌#8220;

  1. Kein Mensch wird wohl herausfinden was die „Singularität“ ist.
    Hier ist die Wissenschaft zunächst an ihrer Grenze – hier beginnt wohl der Glaube —

    1. … und dann kriegt die Wissenschaft raus, dass andere Modelle das Universum doch besser erklären als die „Singularität“ – und dann stehst Du ohne Gott da???
      …außerdem wäre mir persönlich ein solcher „Uranstoßer“ zu wenig, um darauf zu bauen.
      Ich denke, dass „Gott“ und „Welt“ zwei nebeneinander stehende Momente sind: Innerweltlich können wir Gott nicht erklären [vielleicht „braucht“ die Welt ihn auch gar nicht – es gibt keine „Lücke in den Formeln“, die gefüllt werden müsste]. „Innergöttlich“ können wir die Welt nicht erklären, denn sie ist sein freier Entschluss, er „braucht“ die Welt nicht, um Gott zu sein [vermutlich würde er sich dann aber ziemlich einsam fühlen].
      Das heißt natürlich nicht, dass Gott die Welt nicht „berührt“: er begleitet sie und seine Schöpfung – und die Welt Gott nicht „berührt“: er lässt sich ansprechen von seiner Schöpfung

    2. Ich denke, dass “Gott” und “Welt” zwei nebeneinander stehende Momente sind: Innerweltlich können wir Gott nicht erklären.

      Dem würde ich zustimmen, das ist ja das, was ich mit den Ebenen ausdrücken wollte. Und weil man Gott aus der Welt heraus nicht „erklären“ kann, sind auch solche Versuche, die Ebenen zu vermischen, fruchtlos. (vgl. Dawkins und Konsorten)

  2. Sehr schöner Blogpost, danke! Und ich kann nur zustimmen: In der Rede vom “Sternenstaub“ wird nicht mehr wertfrei beschrieben, sondern massiv gedeutet. Ich meine, Rees hat dazu einmal eingewendet, man könne mit gleichem Recht deuten, wir wären “Atommüll“! 🙂

    1. Richtig: Und schon ist die ganze Romantik dahin! Die „Emotionalisierung“ der Wissenschaft beginnt also nicht erst bei solchen Liedern wie oben, sondern schon viel früher…:-)

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