Joseph Mumpert ist Raelist. Er glaubt, dass die Menschen von Elohim – das sind Aliens – geschaffen wurde, und zwar in Klonlaboren in der Gegend von Jerusalem. Raelisten sind davon überzeugt, dass die Elohim heute auf einem fernen Planeten leben. Offenbart hätten sie sich unter anderem dem Propheten Rael – daher auch der Name de Glaubensgemeinschaft.
Joseph Mumpert ist eine von vielen Personen, die Gideon Böss in seinem neuen Buch „Deutschland, deine Götter“ besucht. Wicca-Hexen, Mandäer, Bahai, Heiden – die religiöse Landkarte in unserem Land geht ist weitaus vielfältiger als „evangelisch“ und „katholisch“. Ein Jahr lang hat Böss sich auf den Weg durch die Republik gemacht um herauszufinden, ob da auch was für ihn dabei ist. Herausgekommen ist ein sehr amüsanter Überblick über insgesamt 26 Glaubensgemeinschaften von der Nordsee bis zu den Alpen.
Besuch beim intoleranten „Kalif Spaghetti“
Egal ob Piusbruder, Sunnit oder Mitglied einer Osho-Kommune: Keiner der Gesprächspartner des Autors ist vor seinen direkten, teilweise (gewollt) naiven Fragen gefeit. Denn der will natürlich wissen, was ihm die jeweilige Religion zu bieten hat: Leben nach dem Tod? Einstellung zu Homosexualität? Verhältnis zur Gewalt? Böss schafft es tatsächlich, unvoreingenommen mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Ihm geht es nicht darum, sich über bestimmte Glaubensvorstellungen lustig zu machen, sondern darum, sie kennenzulernen.
Und so ist es auch ausgerechnet die „Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters“, von der er sich am meisten enttäuscht zeigt. Er weiß zwar um den satirischen Charakter der Gemeinschaft – ist jedoch schwer enttäuscht davon, dass „Bruder Spaghettus“ sich bei seinem Treffen keinerlei Mühe macht, seine Fassade aufrechtzuerhalten, sondern direkt in Religionskritik übergeht:
Ich kam hierher, um zu sehen, wie weit Bruder Spaghettus wohl das Spiel mitspielt, sich über theologische Fragen zu streiten. Er spielt es gar nicht. Er ist ein normaler Religionskritiker mit Schwäche für Piratenkostüme.
Nachdem er mit der Frage „Kann ich zugleich katholisch und Mitglied in eurem Verein sein?“ Bruder Spaghetttus eigene Intoleranz („Dann hast du kein rationales Weltbild. […] Wir würden so jemanden nicht aufnehmen. […] Religionen sind ein Grundübel.“) entlarvt, zieht er sein Fazit:
Hier sitzt der unnachgiebige Kalif Spaghetti, der keine Abweichung von der reinen gottlosen Lehre duldet. […] Diese Satirereligion hat mit Satire eigentlich nichts zu tun. Satire darf sich nicht selbst entlarven. Sie muss sich ernst nehmen, sonst ist sie keine Satire, sondern nur ein infantiler Witz. Wenn dieser Anspruch aufgegeben wird, bleibt nicht mehr als eine normale Religionskritik mit albernen Kostümen übrig. Schade eigentlich.
Kurzweilig, respektvoll, amüsant
Kurz und gut: Es macht Spaß, dieses Buch zu lesen. Der angenehme Schreibstil und trockene Humor macht „Deutschland, deine Götter“ trotz seiner 398 Seiten zu einer kurzweiligen Lektüre, die man nicht aus der Hand legen möchte – ein gelungenes Sachbuch im Reportage-Stil. Die gute Vorbereitung des Autors sorgt dafür, dass man über die Glaubensgemeinschaften viel erfährt, weit über das hinaus, was die jeweiligen Gesprächspartner direkt erzählen.
Besonders angenehm ist die unpolemische Art, mit der Böss diesen „ungewöhnlichen Deutschlandführer“ (so steht es auf der Buchrückseite) verfasst hat. Bei aller Absurdität diverser Glaubenssätze, die er auch aufzeigt oder entlarvt, begegnet er seinen Gesprächspartnern ernsthaft und respektvoll. Es geht ihm niemals darum, andere lächerlich zu machen – obwohl das manchmal nahe läge. Hut ab!
Was will er denn nun?
Wollte man etwas Kritisches finden, so sind es vielleicht zwei Dinge: Zum einen wird nicht so ganz klar, was eine Religion tun müsste, um „zum Autor zu passen“. Ist sie streng und/oder fundamentalistisch, passt es ihm nicht. Ist sie hingegen liberal bzw. interpretiert z. B. die Bibel historisch-kritisch, so wirft er ihnen Gleichgültigkeit vor. So ganz schlau wird man daraus nicht. Vielleicht aber weiß Böss das selbst nicht so genau – das zumindest könnte man aus seinem agnostischen Fazit schließen.
Zum anderen scheint Böss mitunter davon auszugehen, Religionen hätten auf alle existenziellen Fragen passende Antworten parat. Das dem nicht so ist, wir in dem Buch immer wieder deutlich. Vielmehr zeigt sich in den Gesprächen: Wer einer Religion anhängt, hat deswegen nicht „die Weisheit mit Löffeln gefressen“, sondern ringt weiterhin mit diesen Fragen – aber aus einer spezifischen Perspektive. Der eigentlich sympathische Zug – dass Religion und Theologie nämlich prozesshaft zu charakterisieren sind und nicht unbedingt ein dogmatisch festgefahrenes System darstellen – kann somit in dem Buch leider nicht zum Tragen kommen, weil der Autor darauf nicht wirklich eingeht.
Nichtsdestotrotz: Das Lesevergnügen wird dadurch nicht geschmälert, denn das stützt sich nicht auf den Ansichten des Autors. Wer mehr über die (teilweise verborgene) religiöse Landschaft in Deutschland erfahren möchte, macht mit „Deutschland, deine Götter“ ganz sicher keinen Fehler.
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