Theopop im Advent: Jeden Sonntag gibt es einen neuen Artikel mit einer etwas anderen Sichtweise auf die Vorweihnachtszeit – zum Nach- und Mitdenken.
Netflix hat die Weihnachtszeit mit Klaus eingeleitet. Eine Parallel-Weihnachtsmann-Origin-Story. Und ich finde die ist sehr gelungen. Die hat natürlich nichts mit der offiziellen Kirchen-Weihnachtsmann-Booh-Origin-Story zu tun: Erfindung von Coca Cola, Bischof von Myra, Kommerzialisierung etc.
Santa ist schon lange sein eigenes Ding (wie David S. Pumkins vor ein paar Jahren sein eigenes Halloween-Ding wurde). Das Gegenwarts-Symbol hat sich schon lange abgetrennt von dem, auf was es ursprünglich mal bezogen war. Kluge Franzosen wie Derrida und Barthes finden das gar nicht so schlimm. Also, dass man gar nicht mehr an den Ursprung von einem Symbol zurückfinden kann.
Vor allem aber, dass es gar nicht anders geht, dass so ein Symbol relevant bleibt, ohne dass es sich immer weiter verschiebt und verändert und neues Material aufnimmt. Klaus (man beachte die archaisierende Verwendung des Deutschen im Amerikanischen Film) ist die zigtausendste Wiederholung der Wiederholung, Iteration und Kopie von Santa, von Santa Claus, von Sankt Nikolaus, … .
Jungianische Santa-Substanz
Dabei ist einiges auf der Strecke geblieben und einiges dazu gekommen. Aber was ich wirklich mal spannend fände, wäre, zu gucken was eigentlich an Santa-Substanz geblieben ist. Carl Jung ging davon aus, dass es so etwas sie Archetypen gibt, universelle religiöse und quasireligiöse Erfahrungskristallisationen. Dabei ist Klaus der weise alte Mann. Wie Dumbledore, Gandalf oder Rowan Williams – massiver Bart, seltsamer Hut, klüger als andere, erklärt die Welt.
Santa steht für diffuses Gut-sein, harte Arbeit, fordianische Produktionsmethoden, meritokratisches Gesellschaftsbild und Geben-Können. Und Santa ist auch ein alter, weißer, einflussreicher Mann. Und Mrs. Santa bleibt zu Hause. Egal, dass Nicolaus gar keine Frau hatte so als Bischof – oder doch in den dunklen Wirren der Kirchengeschichte verloren? Mmh.
Santa ist Glauben
Santa steht aber auch für den Diskurs des – ebenso diffus-zivilreligiösen – Glaubens an Unsichtbares und Unerwachsenes. So sehr, dass Santa eben auch irgendwie für Gott steht. Auf einer vielverpackten Ebene der zigtausenden Wiederholungen zumindest. Deswegen parallelisieren Atheist*innen auch gerne die Frage nach Gott mit der Frage nach dem Weihnachtsmann – und Christ*innen kommen ins Rudern, wenn die eigenen Kinder nach den Feinheiten der Unterscheidung der beiden Omnipotenz-Figuren kommen.
Santx- Gender-neutral Santa
15 Prozent befragter Brit*innen und 20 Prozent befragter Amerikaner*innen sehen Santa entsprechend einer gottesanalogen Aufladung als eine genderneutrale Kraft . Das kann man jetzt gerne diskutieren. Auch die Modernisierung von Santa. Ich finde es berechtigt. Eben weil ich finde, dass Santa und Klaus und der Weihnachtsmann schon lange frei sind, neu aufgeladen und anders verwendet zu werden. Warum nicht mal als Kraft oder Frau oder Abstraktum?
Vielleicht können wir ja einfach wieder mehr Heilige, Frauen, Männer und Undefinierbare, ins Weihnachtsgeschäft zurückbringen. Wieso nicht mal wieder St. Stephanus rausholen und abstauben. Hat immerhin mein liebstes Weihnachtslied dazu – Good King Wenceslas.