Theopop im Advent: Jeden Sonntag gibt es einen neuen Artikel mit einer etwas anderen Sichtweise auf die Vorweihnachtszeit – zum Nach- und Mitdenken.

Spätestens jetzt kommen die materialgewordenen Sünden zum Vorschein. Die Saure-Gurken-Ornamente, das Lametta, die Heere von teilinvaliden Engels-Chören. You name it. Plastik oder Alu finde ich dabei völlig egal. Natürlich werden da teure Materialien nachgemacht. Aber das Zeug glitzert und macht Spaß, gerade weil es eben kein echtes Gold oder Silber ist, sondern weil Glitzern mittlerweile Bürgerrecht erster Ordnung ist. Das macht das Gehirn glücklich und lässt die Synapsen knistern (vgl. meinen Beitrag zu Gold hier auf Theopop). Schon immer mal gerne wurde Glitzern eingesetzt für die Darstellung von Gott.

Aber ich finde, dass gerade auch Kitsch eine Erfahrung mit Gott ermöglicht. Weil er religiös ist oder sein kann. Nicht weil er irgendwie was richtig oder falsch künstlerisch darstellt. Sondern, weil er von der Freiheit der Menschen zeugt, sich selbst – jenseits von vorgegebenem oder sanktioniertem Geschmack – Umgebungen für Gotteserfahrungen zu gestalten.

O Holy Kitsch

Ich singe also das Hohelied des Kitsch an Weihnachten. Weil es ästhetische (eben gerade für Ästhetiker*innen mehr oder minder ästhetische) Wege zur Erlösung bzw. erlösungsanalogen jenseits der offiziellen bourgeoisen oder akademischen oder theologischen Diskurse aufdeckt. Was wäre kitschiger als die pietistische oder puritanische Konversionsliteratur – und die Konversionsobjekte und -Praktiken (vgl. Katharina Krause, Bekehrungsfrömmigkeit, Mohr Siebeck, 2018). Und dennoch ist das ein ganzes Reich an von der offiziellen Theologie vernachlässigten Wissens von Gott.

Das steckt eben in jedem ausgepacktem Glas-Engelchen, dem mexikanischen Verlegenheits-Wickelstern und der fragwürdigen Krippe, in jedem staubigen Geruch von Altem und süßlich-plastizinen Gerucht von Neugekauftem Schmuck. Denn der markiert frei, was wichtig ist, zu Hause, im Geheimen und Halb-Geheimen, in der Familienreligion. Der markiert, was weitergegeben wird, was bleibt. Und was funktioniert hat, was Erfahrungen von Gott ermöglicht hat, auch wenn das keiner gedacht hätte.

Billig aber bewährt – Gott erfahren

Kitsch ist billig und reproduziert. Aber Kitsch funktioniert. Es beruhigt. Es ist sicher. Klar, ist es auch verlogen, vereinfachend, verdummend. Aber es lähmt auch angenehm und fokussiert und ist verbindlich, es ist auch geheimnisvoll und verboten, und man zeigt es nicht ungefragt und es ist ein bisschen ungehörig und subversiv – und wenn das keine Gotteserfahrungen sind… Aber es ist die Trash-Art und die Junk-Collage nicht der Dadaisten oder von Braques, sondern von jedermann ohne Kontrolle und Bewertung.

Der Gipfel des Kitsch steht offiziell fest

Und deswegen hier mein Geständnis: Ich finde Weihnachten kann man sehr gut in dieser Weihnachtspyramide finden, die mir ein amerikanischer Episkopaler gezeigt hat. Bitte nicht kaufen, nur akzeptieren. Die ist so falsch und Disney, dass sie schon wieder überspringt und mich ganz glücklich macht.

Mickey steigt auf und sammelt Geschenke ein, bis er dann ganz oben mit Pluto über Cinderellas Schloss fliegt. Er wird Santa und fliegt über die Heilige Stadt und eine kitschigere und bessere Installation von Pop-Weihnachten muss mir erstmal jemand zeigen.