War Jesus hässlich?

(Bild: pixsellr/flickr.com unter cc.by-sa 2.0)
(Bild: pixsellr/flickr.com unter cc.by-sa 2.0)

Jesus war eine Schönheit. Das zumindest könnte man annehmen, wenn man diversen Jesus-Darstellungen heutiger Popkultur Glauben schenkt. Lange, braune Haare, gepflegter Bart – egal ob „Jesus liebt mich“ oder „Die Passion“ – selten bis nie wird in solchen Darstellungen ernsthaft hinterfragt, wie Jesus tatsächlich aussah. Warum auch. Jesus soll darin meist Sympathieträger sein, also muss er auch irgendwie unseren heutigen Schönheitsidealen entsprechen.

Doch auch in der (westlichen) Kirchengeschichte überwiegt ein solches Bild von Jesus – da muss man sich nur einmal diverse Kruzifixe über die Zeit hinweg anschauen. Oder etwa das „Turiner Grabtuch“. Jesus, der schlanke, gut gebaute Typ, der durch Galiläa zog. Natürlich: All dies sind, wie auch in der heutigen (Pop-)Kultur, Kunstdarstellungen. Irgendwie muss man Jesus ja abbilden. Das ist auch alles nicht weiter schlimm – solange man sich bewusst darüber ist, dass diese Vorstellungen einem jeweiligen kulturellen Kontext entspringen. Folgerichtig bedeutet das, dass Jesus auch in anderen Kulturen den Vorstellungen der jeweiligen Umfeldes entsprechend dargestellt wird. Ob afrikanisch, chinesisch, indonesisch, koreanisch, indisch. (Einen kleinen Eindruck bekommt man zum Beispiel hier.) All diese Darstellungen Jesu haben ihre Berechtigung – und sind (mindestens) genauso zutreffend wie unsere europäischen.

Es gab freilich auch ernsthafte Versuche von Forschern, anhand der Gegebenheiten zu Jesu Zeiten und etwa durch Rekonstruktion mit Hilfe eines Schädels eines (ungefähren) Zeitgenossen Jesu,  Anhaltspunkte für ein mögliches Aussehen Jesu zu rekonstruieren. Sie schlussfolgerten: Orientalischer Typ, kurze Haare, Vollbart.

Origenes: Jesus war „hässlich“

Alle diese Darstellungen haben eines gemeinsam: Sie stellen Jesus als einen „schönen“ oder zumindest „durchschnittlichen“ Typen dar (wie auch immer sich dies im jeweiligen Kontext definiert). Doch wer sagt überhaupt, dass dem so war? Es wirkt schon fast anmaßend, zu fragen: Was, wenn Jesus „hässlich“ war?((„Hässlich“ steht bewusst in Anführungszeichen, der Titel dieses Posts ist ebenso bewusst provokant gewählt. Es wäre eine eigene Diskussion, zu fragen: Was ist eigentlich „schön“ und „hässlich“? Können diese Attribute überhaupt auf Menschen angewendet werden?)) Es gab Theologen, die sind genau davon ausgegangen. Origenes zum Beispiel, der in seiner Erwiderung gegen den antiken Philosophen Celsus seinem Widersacher in einem Punkt recht gibt:

Übereinstimmend also ist aufgezeichnet, dass der Körper Jesu „missgestaltet“ gewesen sei.Contra Celsum 6, 75

Celsus vermutet zudem, Jesus sei besonders klein gewesen. Dem kann Origenes nicht uneingeschränkt zustimmen, denn: es wird „nicht klar und bestimmt berichtet, dass er ‚klein‘ war.“ (Ebd.) Im weiteren Verlauf spricht Origenes davon, dass Jesus den Schlechten „hässlich“ erscheine, den Guten aber „schön“. Auch unter einigen Heiligen und frühen Kirchenvätern (Irenäus, Justin) scheint die Vorstellung, dass Jesus nicht gerade eine Schönheit war, nicht abwegig gewesen zu sein (direkte Quellen dazu konnte ich im Internet nicht finden, ich berufe mich hierauf).

Wie aber kommt man auf den Gedanken, dass Jesus hässlich war? Die Berichte im Neuen Testament geben über das Aussehen Jesu keine Auskunft. Dafür aber gibt es einen Text im Alten Testament, der in der christlichen Tradition auf Jesus hin gedeutet wird – eines der sogenannten „Gottesknechtslieder“. Und da, im vierten, steht:

Wie sich viele über ihn entsetzten, weil seine Gestalt hässlicher war als die anderer Leute und sein Aussehen als das der Menschenkinder Jes 52,14

[…]

Er hatte keine Gestalt und Hoheit. Wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte. Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet. Jes 53,2.3

Aus diesen Stellen schlossen manche offenbar recht drastisch auf das Aussehen Jesu. Der Gottessohn musste ihrem Verständnis nach „hässlicher“ sein als andere Leute.

Woher kommt eigentlich unser Jesusbild?

Die älteste uns bekannte Darstellung Jesu ist übrigens eine Karikatur: Ein Graffito aus dem 2. Jahrhundert. Ein Mann, der einen anderen Mann mit Eselskopf am Kreuz anbetet. Darunter steht: "Alexamenos betet seinen Gott an". (Bild: Digitale Nachzeichnung, Public Domain)
Die älteste uns bekannte Darstellung Jesu ist übrigens eine Karikatur: ein Graffito aus dem 2. Jahrhundert. Es zeigt einen Mann, der einen anderen Mann mit Eselskopf am Kreuz anbetet. Darunter steht: „Alexamenos betet seinen Gott an“. (Bild: Digitale Nachzeichnung, Public Domain)

Ein Bild von Jesus zu zeichnen, das wäre Origenes aber vermutlich nicht in den Sinn gekommen. Die frühe Christenheit hatte keine religiösen Abbildungen: Das Bilderverbot (Jesus fiel als „Gott“ darunter) und die Abgrenzung zum heidnischen (bilderreichen) Kult waren die entscheidenden Motivationen, auf solche Abbildungen zu verzichten.

Ab dem 4. Jahrhundert kamen mehr und mehr Zeichnungen und Malereien auf. Zunächst von Märtyrern oder biblischen Protagonisten, dann auch von Jesus selbst. Theologisch fanden sich Befürworter wie Gegner, doch in der Volksfrömmigkeit verbreitete sich diese Praxis. Das Ganze gipfelte im sogenannten „Bilderstreit“ (726-843) – dies nun genauer auszuführen, wäre zu viel. Nur so viel: 787 wurde in einem Konzil in Nizäa festgelegt, dass eine Verehrung von Bildern in Ordnung sei, solange sie von der Anbetung Gottes deutlich unterschieden werde. (( Wer zu diesen ganzen Streitigkeiten ein wenig mehr lesen will, kann das zum Beispiel hier tun: Ohme, Heinz: Art. Bilderkult (VI. Christentum), in: RGG4, Bd 1, 2008, 1571-1574 und Hausschild, Wolf-Dieter: Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte, Bd. 1, Alte Kirche und Mittelalter, 2007, 208-212.))

Warum aber haben die Künstler nun – durch alle Zeiten hinweg – Jesus so gezeichnet, wie sie ihn gezeichnet haben? Da es keine überlieferten Beschreibungen über Jesu Aussehen gibt, blieb wohl nichts anderes übrig, als auf die Phantasie zurückzugreifen. Und so gilt, was ich oben schon ausgeführt habe: Die Vorstellungen waren schon immer entscheidend durch das jeweilige kulturelle und historische Umfeld geprägt. Eine besondere Bedeutung spielten dabei sicher Wunderbilder, sogenannte Acheiropoieta. Denn sie galten (v.a. in der Volksfrömmigkeit) als „nicht von Menschen geschaffen“.

Ach, eigentlich …

Was bleibt nun nach diesem kleinen Exkurs? Natürlich sollte eigentlich jedem klar sein: Wir wissen nicht, wie Jesus aussah. Vermutlich liefert die oben genannte wissenschaftliche Rekonstruktion einige Anhaltspunkte. Mehr aber auch nicht.

In der Bibel wird über das Aussehen Jesu an keiner Stelle gesprochen (wenn man Origenes nicht folgt – und dafür gibt es gute Gründe). Das Schweigen könnte man insoweit interpretieren, dass vermutlich nichts an ihm besonders auffällig war. Aber auch das ist Interpretation. Ganz sicher aber ist das Schweigen ein Hinweis darauf, dass den biblischen Autoren nichts daran lag, etwas über Äußerlichkeiten weiterzugeben.

Und so sollten wir es auch halten. Ob Jesus ein Schönling war oder nicht, kann uns eigentlich herzlich egal sein.

 

Veröffentlicht von Fabian M.

Fabian Maysenhölder, Diplom-Theologe und Online-Journalist, ist Herausgeber des Blogs "Theopop". Während seiner Berliner Studienzeit wurde bei ihm in einem Seminar zu dem Thema „Kirche in den elektronischen Medien“ Interesse für diesen Forschungsbereich geweckt, der immer mehr an Bedeutung gewinnt – nicht nur für die kirchliche Öffentlichkeitsarbeit. In seiner Freizeit spielt er Badminton und engagiert sich ehrenamtlich in der Straffälligenhilfe.

7 Antworten auf &‌#8222;War Jesus hässlich?&‌#8220;

  1. Danke für diesen Blogbeitrag! Nur an einer Stelle wäre ich doch sehr viel vorsichtiger. Nämlich bei der Behauptung, die Darstellung Jesu auf dem Grabtuch von Turin sei eine „Kunstdarstellung“.

  2. Als Jesus am Kreuz hing, war das sicher nicht sehr ästhetisch oder hübsch.
    Will sagen: Zu welchem Zeitpunkt in seinem Leben will man Jes 52 und 53 auf Jesus beziehen?
    Und kann man heute noch so einfach das Judentum „enterben“, dass man nicht mehr nach dem ursprünglichen Gottesknecht fragt? Diese Texte müssen ja auch schon zu Zeiten von (Deutero-) Jesaja einen Sinn ergeben haben.

    Wenn man diese Verse auf Jesus bezieht, machen sie vor allem im Blick auf den gekreuzigten Jesus Sinn und sagen wenig über seine „Normalgestalt“.
    Dass Jesus nicht durchgängig missachtet war, macht der ntl. Befund doch deutlich. Es gab zahlreiche Menschen, die ihn sehr achteten, er war in der Lage, öffentlich aufzutreten; und wenn das so ist, gibt es keinerlei Notwendigkeit zur Annahme, er wäre zu diesen Zeitpunkten derart krank und hässlich gewesen.

    1. Genau das meinte ich mit der Aussage, es gäbe gute Gründe, Origines‘ Interpretation nicht zu folgen 😉 Danke für die Ausführungen!

  3. Die aus der Bibel zitierte Beschreibung von Jesus bezieht sich nicht auf Sein wirkliches Aussehen, sondern auf das „Aussehen“ nach Seiner Misshandlung, Geißelung und Leiden am Kreuz. Er ist dermaßen misshandelt worden, dass nichts menschliches an ihm zu sehen gab. Er war zerschlagen, es gab keine heile Stelle an seinem Körper, nur eine Wunde nach der anderen. Er war quasi von eigenem Blut übergossen und sah schrecklich aus. Kein Wundern nach so einer schrecklichen Misshandlung. Wer kann da noch schön aussehen? Die Aposteln schreiben später, dass sie die Augen verschließen mussten als sie Ihn angesehen haben. Sie haben Jesus zuerst als Verlierer gesehen. Es schien alles verloren zu sein bis sie Jesus von den Toten auferstanden sahen. Die heilige Faustyna Kowalska, der Jesus erschienen ist, beschreibt Ihn als eine unglaubliche Schönheit und sagt, dass kein Maler dieser Welt die Schönheit vom Jesus jemals wiedergeben kann. Die Rede ist von dem Bild „Jesus, ich vertraue auf Dich“.

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