Gott kommt aus dem Urlaub. Eine Woche war er Angeln, nun spaziert er fröhlich durch sein himmlisches Büro, gut gelaunt und erholt. Jesus, Gottes Sohn und zugleich seine Urlaubsvertretung, sollte während der Urlaubswoche ab und an mal einen Blick darauf werfen, was so auf der Erde abgeht. Und er hat’s vermasselt. Das Problem ist nämlich, dass ein Tag im Himmel 57 Jahren auf der Erde gleicht. Gott hat also die letzen 400 Jahre Erdengeschichte verbummelt – und Jesus war anscheinend mit der Stellvertretung überfordert. Der aus dem Urlaub Heimgekehrte beginnt nun also, aufzuarbeiten, was er verpasst hat. Aushalten kann er das, was er da über Sklavenhandel, religiösen Fundamentalismus oder Mord und Totschlag liest, nur dank einiger Joints und ein paar Shots Whiskey.
Gott ist außer sich. Erst vor einem Monat war doch Jesus auf der Erde! Und was ist nur aus der Botschaft, die er damals schon Mose mitgegeben hat, geworden? „Seid lieb!“ war alles, was er Ihnen befohlen hatte. Und nun so etwas! Gott sieht nur einen Ausweg: Jesus muss noch einmal runter, mit den Leuten reden und Ihnen klar machen, worauf es Gott ankommt.
So beginnt nun also die Geschichte, die John Niven in seinem satirischen Buch „Gott bewahre“ (im Original passender: „The second coming“) erzählt. Es ist eine Passionsgeschichte der anderen Art, eine, die beschreibt, wie Jesus – alias „JC“ – sich als armer Musiker in New York durchschlägt. Seine besten Kumpels sind Menschen, mit denen sich sonst keiner zusammentut: Obdachlose, psychisch Kranke, Junkies. Und auch für Jesus geht nichts über einen guten Joint.
Radikale Gesellschafts- und Religionskritik
Ich weiß ehrlich gesagt nicht so recht, was ich von dem Buch halten soll. Die Geschichte an sich ist toll, sie ist spannend und kurzweilig erzählt. Häufig muss man schmunzeln, noch häufiger aber trifft die Kritik, die sich hinter der Geschichte verbirgt, die traurige Wahrheit ins Schwarze. Es ist nicht nur eine Kritik an religiösem Fundamentalismus, auch unsere Gesellschaft bekommt ihr Fett weg. So containert Jesus etwa. Zum einen, weil ihm das Geld fehlt, zum anderen ist in dieser Szene auch die Kritik an unserer Wegwerfgesellschaft nicht zu überlesen. Auch in Gesprächen, die Jesus zum Beispiel mit christlichen Aktivisten in Amerika führt, die wegen ihrer Homosexuellen-Feindlichkeit gegen eine AIDS-Klinik demonstrieren, wird die Lächerlichkeit solcher (und anderer) Aktionen vor Augen geführt.
John Niven, der Autor des Buches, ist Atheist. Entsprechend hat er auch keine Hemmungen, radikal zu formulieren und zu schreiben. An sich ist das nichts Schlechtes, denn manchmal braucht es krasse Worte, um Aufmerksamkeit zu erregen. Bezüglich der Sendung „Götter wie wir“ habe ich schon einmal gefragt, was denn der Sinn und Zweck von Religionssatire sein sollte. Ist es ein reiner Unterhaltungszweck? Falls nicht, falls also Satire das Ziel verfolgen sollte, durch radikale und harte Kritik auch zum Denken anzuregen, dann ist die Grundvoraussetzung dafür, dass Satire diejenigen erreicht, die sie betrifft.
Das Problem von „Gott bewahre“: Fäkalsprache
Und dazu komme ich zu einem weiteren Gedanken: „Götter wie wir“ wurde in manchen christlichen Kreisen hart kritisiert, als „blasphemisch“ abgetan. Warum gibt es einen solchen Aufschrei nicht bei „Gott bewahre“, das doch um Einiges (!) härter ist? Meine Vermutung: Keiner, der sich darüber aufregen würde, hat das Buch gelesen.
Und das ist auch der Grund, warum ich nicht weiß, wie ich dieses Buch bewerten soll. Jeder, der es einigermaßen ernst nimmt mit der Religion (und auch manch anderer), braucht sehr gute Nerven, um den ersten Teil des Buches zu „überstehen“. Fäkalsprache, wohin das Auge liest. Gott flucht mit Wörtern, die ich in meinem Leben noch nie benutzt habe. Und als es dann zur Lagebesprechung während einem Dinner mit Mephisto in der Hölle kommt, musste ich pausieren und das Buch aus der Hand legen. Denn dann bleibt es nicht bei Fäkalsprache. Was dort beschrieben wird, ist schlicht – ich kann es nicht anders sagen – pervers. Nicht nur jenseits allen guten, sondern auch allen schlechten Geschmacks. Erst als Jesus auf die Erde kommt, bessert sich das Ganze etwas, die Fäkalsprache verschwindet zwar nie ganz, ist dann aber auszuhalten (vielleicht liegt das aber auch nur an der anfänglichen Schocktherapie?).
Das finde ich schade. Ich musste im Verlauf des Buches oft schmunzeln, fand die Idee des Buches kreativ und die Geschichte gut umgesetzt, oft merkt man die Liebe zum Detail in dieser modernen Passionsgeschichte. Auch bei manchen Grundideen hat Niven, denke ich, gar nicht so unrecht. Es ist zum Beispiel gut vorstellbar, dass es Gott zum Heulen zumute ist, wenn er sieht, wie die Menschheit mit seiner Schöpfung umgeht.
Natürlich liegt inhaltlich-theologisch einiges im Argen. Ist Gott ein Gott, dem es egal ist, ob wir an ihn glauben? (Laut Buch: Ja.) Hat Gott den Menschen tatsächlich nicht mehr zu sagen als „Seid lieb?“ (Laut Buch: Nein). Doch theologische Ungenauigkeiten sind einem Satirebuch dieser Art zu verzeihen, zumal es, so glaube ich, letztlich nicht mehr sein wird als ein Unterhaltungsroman für Leute, die mit Religion nichts am Hut haben. Denn diejenigen, die die Kritik angeht, werden es nie lesen – oder spätestens nach einigen Seiten wieder angewidert aus der Hand legen. Wer mag, kann ja gerne einen Blick in du unten verlinkte Leseprobe wagen. Es sind die ersten 40 Seiten des Buches, vor der Hölle wird man also verschont.
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