(Bild: Droemer Knaur)
Bluff! – die Fälschung der Welt. ISBN 978-3426275979, erschienen bei Droemer, 2012. Hardcover, 16,99 €. (Cover: Droemer Knaur)

Entlarvende Bücher haben Hochkonjunktur. Verspricht ein Autor der Leserschaft, ihnen etwas zu enthüllen, am besten noch etwas, das für sie ganz persönlich (über-)lebenswichtig ist – wer kann da schon einfach vorübergehen? „Bluff! Die Fälschung der Welt“ ist ein solches Buch. Manfred Lütz, seines Zeichens katholischer Theologe, Psychiater und Psychotherapeut, verspricht gleich im Vorwort:

„Jeder [läuft] Gefahr, während der vergleichsweise kurzen unwiederholbaren Zeit zwischen Geburt und Tod einem Bluff aufzusitzen, bloß ein gleichgültiges Spiel zu spielen und am Ende sein eigentliches Leben aus Versehen zu verpassen.“

Und natürlich, es wäre keine gute Werbung für das Buch, wenn nicht zugleich Antworten und Lösungen angekündigt würden. Und, mal ehrlich: Wäre es nicht eine furchtbare Vorstellung, das Leben zu verpassen? Am Ende Resümee zu ziehen und nur fragen zu können: Was um Himmels willen war das nun? Nein, das will keiner. Doch hat Lütz die Antworten, die er verspricht zu geben?

Die Welt, in der wir leben, ist eine Fälschung. Das ist die Behauptung, die Manfred Lütz in seinem Buch aufstellt. Anfangs noch als Frage an die Leser gerichtet, macht sich Lütz daraufhin ans Eingemachte. Kapitel für Kapitel schält er eine Schicht nach der anderen von unserer erlebten „Wirklichkeit“ herunter:  Wissenschaftsgläubigkeit, Medien, „Life Coaches“, Patchwork-Religion, der Gesundheitswahn, der die Gesundheit als höchstes Gut darstellt – all dies seien Scheinwelten, die uns davon abhalten, das wahre Leben zu erleben. Und tatsächlich: Lütz schafft es, zu irritieren. Er hört mit dem Schälen der Wirklichkeit nicht auf, wenn die vermeintliche Schale ab ist, sondern säbelt das Fruchtfleisch gleich mit runter. Doch was bleibt am Ende: der Kern? Und, noch viel wichtiger: Was ist dieser Kern?

Lütz‘ Lieblingsmetapher um das zu beschreiben, was wir tagtäglich erleben, ist die Truman Show. Wir leben, so Lütz, in einer Welt voller Kulissen, die allesamt die wahre Welt vor uns verbergen. Der Maßstab, an dem er alles misst, ist die Frage nach existenziellen Erfahrungen. Für ihn sind dies: Liebe und Gott. Diese seien in den Scheinwelten nicht möglich. 

Interessant, aber …

Lütz liefert interessante Beobachtungen, amüsant und gut lesbar dargebracht. Letztlich jedoch stören zwei Dinge. Zum einen: Lütz schreibt zu sehr als Theologe. Dies ist zwar aus christlicher Sicht freilich nicht zu kritisieren, jedoch wirkt es, da braucht man sich nur die Amazon-Kundenrezensionen anschauen, offenbar aufdringlich. Mitunter wird ihm sogar unterstellt, die Leser bekehren zu wollen. Vielleicht hätte man hier an einigen Stellen vorsichtiger formulieren können. 

Zum anderen: Lütz Gedanken sind zwar teilweise aufschlussreich, sein Fazit ist aber vorhersehbar. Die Lösung des Problems der „Scheinwelt“ denkbar einfach. Im Prinzip ist es ein Aufruf zum kritischen Denken und bewussten Umgang mit allem, was uns begegnet. Letztlich, so Lütz, sei es in Ordnung, alle diese „Scheinwelten“ zu nutzen und mit ihnen zu leben, so lange man sich nicht von ihnen gefangen nehmen lässt und sich somit seine eigene, falsche Realität zusammenbastelt. Natürlich – das ist ein guter und wichtiger Hinweis, letztlich aber nichts, auf das man als einigermaßen kritisch denkender Mensch nicht auch selbst kommt.

„Die Fälschung der Welt […] ist keine Fiktion, sondern sie ist reale Gegenwart, kein Stoff für einen Actionfilm, sie ist viel subtiler als die »Matrix« und doch in ihrer Wirkung nicht weniger dramatisch.“

Das sind die Worte, die Manfred Lütz gegen Ende seines Buches formuliert. Und tatsächlich, nach seinem radikalen Durchgang durch unsere vermeintliche Wirklichkeit sieht man einige Dinge vielleicht anders als vorher. Man kommt ins Nachdenken. „Es scheint, als haftete der Wirklichkeit etwas zutiefst Unwirkliches an“, schreibt unser Autor Uli Fries zu dem Gedankenspiel, die Welt sei vielleicht einfach nur simuliert. Und beide ziehen am Ende, freilich verkürzt, dasselbe Fazit: Es gibt da vielleicht mehr als wir sehen.

Veröffentlicht von Fabian M.

Fabian Maysenhölder, Diplom-Theologe und Online-Journalist, ist Herausgeber des Blogs "Theopop". Während seiner Berliner Studienzeit wurde bei ihm in einem Seminar zu dem Thema „Kirche in den elektronischen Medien“ Interesse für diesen Forschungsbereich geweckt, der immer mehr an Bedeutung gewinnt – nicht nur für die kirchliche Öffentlichkeitsarbeit. In seiner Freizeit spielt er Badminton und engagiert sich ehrenamtlich in der Straffälligenhilfe.

3 Antworten auf &‌#8222;Alles Fake, nur Gott nicht?&‌#8220;

  1. In der Tat bietet das Buch keine neuen Erkenntnisse. Muss es aber auch nicht, denn für viele Menschen, die sich nicht so intensiv auf dem Pfad der spirituellen Suche befinden, wird er reichlich neue Erkenntisse bieten.
    Lütz Vorteil: Er schreibt klar, präzise und mit Humor. Und damit erreicht er Menschen, die sonst um die Bücher spiritueller und religiöser Weisheitslehrer eher einen Bogen machen.

    Was bleibt, wenn wir die Wirklichkeit schälen, übrig? Diese Frage konnte mein spiritueller Lehrer Osho besser beantworten: Nichts! Reines Sein! Pure Essenz oder auch Liebe und Gott! Ein Zen-Meister könnte es auch so beantworten. Wenn er die Frage überhaupt beantworten würde, denn er weiß genau, dass der Frager die Antwort nicht verstehen kann.
    Die Welt ist Maya – ein Schleier der Illusionen. Aus der Sicht der modernen Physik kann man dies auch so betrachten. Wir bestehen aus – NICHTS!

    Und was bedeutet dies nun? Wir können in den Scheinweltet mit Freude und Leichtigkeit mitspielen, ohne sie zu ernst zu nehmen. Es ist schön, wenn wir gerade materiellen Erfolg haben – aber nicht wichtig. Es ist unangenehm wenn wir gerade pleite sind – aber es betrifft unseren Wesenkern nicht.
    Wir können den Scheinwelten also mit Liebe und Gelassenheit begegnen.

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