Nicht erst seit dem Champions-League-Finale 2012 sind religiöse Motive offenbar ein wirksames Werbemittel. In diesem Fall ist es eine Abwandlung des Vaterunsers. Dabei wird offensichtlich Wert darauf gelegt, dass eine direkte Assoziation mit dem Gottesdienst enstehen kann. Eine Person spricht laut und mehrere Stimmen im Hintergrund folgen, so als ob ein Pfarrer vor und mit der Gemeinde spricht. Unterlegt wird dieser Sprechchor zunächst mit dramatischer Musik, die eine feierlich-ernste Stimmung erzeugt. Gegen Ende jedoch, als der übertragende Sender, Sat1, erwähnt wird, folgen Orgelakkorde, die wie ein verkürztes Nachspiel anmuten.
Den Kommentaren auf youtube kann man entnehmen, dass der Trailer für das Finale bei einigen gut ankommt. Der Veranstaltung wird eine neue Bedeutung zugeschrieben: Es ist nicht nur das Finale eines europäischen Fußballwettbewerbes, sondern auch etwas, wofür man beim „Fußballgott“ beten kann. Man könnte sogar behaupten, es werde ihr eine Form von Heiligkeit zugesprochen.
Doch nicht nur Sat1 verwendet religiöse Motive zu Werbezwecken. McKann&Erickson, eine der weltweit führenden Werbeagenturen, bedient sich nicht des Vaterunsers, sondern hat offensichtlich Jesus persönlich als Mitarbeiter eingestellt, um in eigener Sache zu werben. Dadurch schreibt sich die Agentur eine überwältigende göttliche Autorität in Gestalt des Sohnes Gottes zu. Auch der Fußballverein Rapid Wien nimmt in seinen Wallpapers zum Download Bezug auf Jesus, beziehungsweise auf die Kreuzigung Jesu.
Diese drei Beispiele wurden ausgewählt, da sie dem Autor bekannt waren. Die Erzdiözese Freiburg hat für ihre Schulstiftung eine empirische Analyse der Werbung im Magazin „Der Spiegel“ in den Jahren 1995 bis 1999 in Auftrag gegeben. Dabei wurden 500 überwiegend ganzseitige Werbeanzeigen ausgewertet und auf religiöse Inhalte überprüft und nach Weltreligionen, Thematik und werbenden Konzernen aufgeschlüsselt. Auffällig ist, dass sich die Anzahl der Anzeigen von 1996 bis 1999 von 55 auf 196 erhöht, also beinahe vervierfacht hat.
Das evangelische Religionspädagogische Zentrum in Loccum hat seinereits anhand der beiden letztgenannten Beispiele Material für eine Unterrichtseinheit zur Thematik der religiösen Motive in der Werbung veröffentlicht. hierbei sollen die Schülerinnen und Schüler für diese Form der Werbung sensibilisiert werden und ihre eigenen Eindrücke und Interpretationen reflektieren.
Die Vielfalt, in der Religiöses in der Werbung genutzt wird, verdeutlicht die Relevanz der Thematik. Da gewisse Beispiele für die Werbung, wie zum Beispiel das ans Kreuz genagelte Trikot von Rapid Wien Anstoß erregen können, stellt sich auch immer die Frage, ob die Verwendung der Motive angemessen ist. Was das Vaterunser zum „Finale dahoam“ angeht, ist sich der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider sicher, dass dieses die Gefühle der Christen und die Heiligkeit Gottes verletzt. Ob man generell ein Problem mit religiöser Motivik in der Werbung hat, oder wo auch immer man seine Grenze des guten Geschmacks und der Heiligkeit Gottes zieht, ist aber jedem selbst überlassen. Anhand der Konzerne, die mit solchen Mitteln werben, wird deutlich, dass sie auf jeden Fall eine unbestreitbare Effektivität besitzen.