Theopop im Advent: Jeden Sonntag gibt es einen neuen Artikel mit einer etwas anderen Sichtweise auf die Vorweihnachtszeit – zum Nach- und Mitdenken.
Vor-Advent ist eigentlich schon eine ganze Serie an Events. Ad-Advent, oder Ad-Events könnte man sagen. Oder eben viele Events. Damit sich das ganze so lange wie möglich zieht und Content generiert. Gar nicht mal verkauft. Einfach die Gemütlichkeitsmaschine anwirft. Die hilft auch immer gut gegen Protestbewegungen. Mit ganz vielen neuen populären Stufen und Veranstaltungen und Zeitmarkierungen, die gar nicht so einfach zu vermeiden sind. Die gesamtgesellschaftlichen und zivilreligiöse Liturgien verändern sich so, dass man selbst als hochkonservative*r Liturgiker*in gezwungen wäre, sich zumindest mit neuen auseinander zu setzen.
Medienmäßig sind Post-Gen-X-Menschen mittlerweile an die Reihenfolge Halloween-Thanksgiving-Christmas-Special gewöhnt. Auch wenn die US-amerikanische Tradition nicht wirklich einen Fuß in die Tür kriegt, was Traditionen hierzulande angeht – irgendwie feiere ich das passiv doch noch mit. Und es ist nochmal ein ganz anderes medial schon sehr vertrautes Ereignis als unser kollektiveres und öffentlicheres Erntedank. Sowas wie Christmas Stage 1 vielleicht.
Trumps Liturgie und Kampf um die (Vor-Weihnachtszeit)
In der Woche vor dem ersten Advent hat Donald Trump in Florida (wo sonst) bekannt gegeben, dass er in einen neuen „Krieg um Thanksgiving“ eintreten will:
As we gather for Thanksgiving, you know, some people want to change the name ‚Thanksgiving.‘ They don’t want to use the term ‚Thanksgiving […] „But everybody in this room, I know, loves the name ‚Thanksgiving‘ and we’re not changing it.“
Donald Trump
Das ist eine neue Version des sogenannten Kriegs gegen Weihnachten. Und Trump behauptet, er hätte den Krieg um Weihnachten schon gewonnen. Denn jetzt dürfen endlich alle wieder sagen „Frohe Weihnachten“ statt „Frohe Feiertage“.
Dabei hat Trump selber eine sehr kohärente Liturgie entwickelt. Und sein gesamtes politisches Programm basiert eigentlich auf, hat seine eigentliche Substanz, in diesen überwältigenden, Erfolg-zeigenden und einfach leider sehr gut gemachten Rally-Shows. Die entlehnen nicht nur gezielt Techniken aus der evangelikalen Worship-Kultur – mit Call-and-Response (Fake News, Crooked Hillary, Obamacare, protesters who need haircuts , walls, winning, USA! USA! USA!). und Emotionalisierung und Prosperity-Gospel (we will all be so rich!).
Und obwohl Trump unter vorgehaltener Waffe nicht das Vaterunser zusammenkriegen könnte, verteidigt er christliche Feiertage. Die sind aber nur sowas wie einige von vielen Hülsen oder leeren Markierungen für ihn.
Ich finde gerade in diesen Event-Stufen und gerade mit Blick auf den US-Präsidenten, gerade mit dem Blick auf die ganzen Ereignisse direkt vor der offiziell von der Kirche nach Ewigkeitssonntag freigegebenen Liturgie und Abfolge, lassen tief blicken. Ich glaube, die Substanz dessen, was wirklich passiert und bewegt und aufregt hat sich schon seit über 50 Jahren konsequent vor die Feiertage geschoben.
Ad-Vent – Das Event vor dem Vor-Event mit den vielen Ads
Man nehme nur Amazons Cyber-Monday-Wochenende, das ist eine so derbe semiotische Verschiebung, die eigentlich kaum noch Sinn macht. Aber ich bin sie gewöhnt. Das ist das Wochende vor dem neuen auf Online-Shopping gepolten Montag nach dem auf Rabatte gepolten Freitag vor dem Beginn der Adventszeit vor der eigentlichen Weihnachtszeit (die ist dann aber schlagartig am 26. vorbei, Mariä Lichtmess interessiert da kaum wen).
Denn die Substanz, die tatsächlichen Interaktionen und Transaktionen beziehen sich so auf die traditionellen kirchlichen Advents- und Weihnachtsliturgien, dass diese eigentlich ins unendliche verschoben und verdehnt werden.
Und das Problem ist wieder, dass von Kirchenseite nichts weiter zu den neuen Vor-Vor-Eventisierungen kommt als moralinsaures Gemecker. Klar bin ich gegen Konsum, aber irgendwie ist es langweilig jedes Jahr durch die ernsten Verzichtsaufforderungen zu Black Friday zu scrollen. Und Witze über den Verlust der Menschenwürde bei Amerikaner*innen abzunicken, die einen Walmart in ein Kriegsgebiet verwandeln.
Wieso nicht mal was Konstruktives dagegensetzen, was Positives, wo man was machen kann, auch zusammen. Vor-Saison-Events wie Church-for-Friday-Gemüseschmoren oder Refugee-Appreciation-Week vielleicht? Zugegeben, es muss wohl mehr sein, als die Zerdehnung noch weiter zu fördern. Weihnachten und Advent gehen jedenfalls schon lange vorher los und dabei nur den Mahnefinger zu heben finde ich auch dieses Jahr zu hochkulturell-spaßbremserisch.