Wenn eine US-Regisseurin die Welt nicht mehr versteht, dann klingt das ungefähr so: „Als ich jung war, ging es darum, etwas Spannendes zu machen, wofür man dann auch berühmt sein kann. Heute geht es nur noch darum, berühmt zu sein.“ Diesen Satz sagte Sofia Copolla kürzlich in einem Gespräch mit dem ZEIT-Magazin. Er ist die Kritik an einer Kultur, mit der die junge Generation heute heranwächst. Eine „Trashkultur“ sei das, „die geprägt ist von Klatschmagazinen, Promi-Internetseiten und sozialen Netzwerken wie Facebook“, so die 42-jährige Tochter des erfolgreichen Film-Regisseurs Francis Ford Copolla.
Und in der Tat, spontan möchte man ihr zustimmen. Wer sich etwa bei Youtube umschaut, der findet unzählige Videos von Jugendlichen, die sich möglichst durchgeknallt in Szene setzen, in der Hoffnung, dass Tausende ihr Video anklicken. Und auch bei einigen Stars & Sternchen wie Paris Hilton, Daniela Katzenberger oder Nadja Abd el Farrag fragt man sich, was diese eigentlich geleistet haben, um berühmt zu werden. Die Antwort muss lauten: eher nichts. Oder mit Copollas Worten: Sie sind „für nichts anderes berühmt als dafür, berühmt zu sein“.
Die große Sehnsucht
Bekannt also für nichts? Dieser Schlussfolgerung der US-Regisseurin zu folgen, wäre zu kurz gegriffen. Vielmehr ließe sich die Gegenthese aufstellen: Prominente wie Paris Hilton sind – und bleiben – deswegen begehrte Persönlichkeiten auf der Bühne der Öffentlichkeit, weil sie eine Sehnsucht verkörpern. Eine Sehnsucht, die alle Menschen gemeinsam haben: ein erfolgreiches und glückliches Leben zu führen.
Die Definition eines zufriedenstellenden Lebens lässt sich, so meine ich, fast immer auf den Wunsch nach »Freiheit« zurückführen, meist in der Form von Geld und Gesundheit. Und diese Freiheit verkörpern viele Stars & Sternchen in Perfektion. Wer genügend auf dem Konto hat und körperlich nicht eingeschränkt ist, kann tun und lassen, was er will, der oder die kann das Leben und die Welt genießen.
Die „Trashkultur“, geprägt von Klatschmagazinen und Selbst-Inszenierungen auf Facebook, ist also – jedenfalls in vielen Fällen – ein Spiegel menschlicher Wünsche. Menschen schauen sich Doku-Soaps über steinreiche Familien wie die „Geissens“ an, weil diese durch ihre Bootsladungen voll Geld eine potenzielle Freiheit symbolisieren, die gerade auf junge Menschen eine enorme Anziehungskraft ausübt.
Doch noch ein weiteres, zutiefst menschliches Bedürfnis, klingt in der Trashkultur an. Es äußert sich vor allem in der Frage, warum Menschen überhaupt danach streben, berühmt zu sein. Was bewegt jemanden dazu, sich halbnackt auf einem Tisch tanzend der ganzen (Youtube-)Welt zu offenbaren, nur um zu fünfzehn Minuten Ruhm zu kommen? Auch hier liegt die Antwort in der menschlichen „Natur“. Denn seit jeher treibt die Menschen eine tiefe Sehnsucht nach der Unvergänglichkeit um.
„Ich werde deinen Namen groß machen“, versprach Gott schon dem Abraham: Unsterblichkeit durch unzählige Nachkommen. Der tiefe Wunsch des Menschen, dass am Ende etwas übrig bleibt von einem selbst, ist so verständlich wie natürlich. Und vielleicht ist der Drang nach Berühmtheit in einer „Kultur des Mülls“ Ausdruck dafür, wie sehr Menschen an dieser Sehnsucht verzweifeln. An der Angst, dass am Ende nichts bleibt. Insofern wäre ein sensibler Umgang mit der Trashkultur angezeigt.
Doch mehr als ein Ausdruck dieser Sehnsucht und dieser Angst kann die Trashkultur nicht sein. Antworten findet man dort nicht. Denn auch wer millionenfach auf Youtube angeklickt wird oder seinen Lebensabend auf einer Mittelmeer-Yacht verbringt, wird sich am Ende die Frage stellen: Was bleibt? Definiert sich Freiheit nur darüber, dass wir tun und lassen können, was wir wollen?
Das wirkliche Glück
Eine Freiheit, die sich nur um das Individuum selbst dreht, bleibt egoistisch. Freiheit im Lichte christlicher Nächstenliebe heißt immer vor allem eines: Verantwortung zu übernehmen für sich und seine Mitmenschen. Wer Freiheit und Verantwortung trennt, bekommt Egoismus. Und leider geschieht dies allerorten: Freiheit wird mit der Erfüllung individueller Bedürfnisse gleichgesetzt. Und dabei wird vergessen, dass wir durch diese Erfüllung keineswegs frei sind, sondern im Gegenteil zutiefst abhängig von diesen Bedürfnissen. Richtig verstandene Freiheit muss immer verantwortete Freiheit in Beziehung zu einem Gegenüber sein – sei der Nächste oder Gott. Nur so können wir erkennen, dass das, wonach es uns gerade verlangt, nicht das Maß aller Dinge ist.
Ist das Streben nach Ruhm tatsächlich der Sinn, der uns umtreiben sollte? Ruhm, individuelles Glück und Gesundheit sind selbst vergängliche Schlagworte, an denen Menschen deshalb letztlich nicht viel gewinnen, aber sehr wohl tief verzweifeln können. Leben hat auch dann Sinn, wenn man nicht berühmt ist. Leben hat auch dann Sinn, wenn man nicht mit Glück oder Gesundheit gesegnet ist.
Man sollte deshalb die Grundfrage umkehren, die sich in der Trashkultur verkörpert: Es geht nicht um das, was bleibt – sondern um das, was kommt.
[Dieser Text erschien bereits am 13. September 2013 in der Zeitschrift Publik-Forum (17/2013), Postfach 2010, 61410 Oberursel.]
Vielleicht verbirgt sich hinter der Suche nach Ruhm oder wenigstens nach Aufsehen einfach der Wunsch, in einer immer anonymer und unübersichtlicher werdenden Gesellschaft überhaupt wahrgenommen zu werden.
Vielleicht würde es genügen, statt einer großen Zahl von Menschen bekannt zu sein, für eine viel kleinere Zahl von Menschen wichtig zu sein. Statt Aufsehen erregen zu müssen, ehrliche Aufmerksamkeit zu bekommen.
Was den Trash im Fernsehen betrifft, – davon bekomme ich gar nichts mit. Ich hab nämlich keinen Fernseher. Also brauche ich das auch gar nicht zu kommentieren. Aber meine Mitmenschen aufmerksam wahrnehmen, das kann ich. Und einigen zu signalisieren: „Du bist mir wichtig“, dass kann ich auch. Das kostet mich nicht mal was.
Vielleicht wäre das die Antwort auf das öffentliche, aber inhaltsleere Schaumschlagen. Nur mal so als Denkanstoß.
Ich vermute, dass da mehrere Faktoren eine Rolle spielen; sicher auch, dass man schlicht wahrgenommen werden möchte. (Was aber doch letztlich auch mit der Angst, dass am Ende nichts von einem bleibt, zusammenhängt, oder?)
Und: Guter Denkanstoß. Danke dafür!
Der gleiche Text ist in dem Band „fragen. wissen. glauben“ des Klett-Verlags für die Einführungsphase des Gymnasiums vorhanden, jedoch fehlt hier Folgendes:
„Wozu sind Christinnen und Christen heute herausgefordert? Welches sind die bedrängendsten „Zeichen der Zeit“, auf die sie mit ihrem Glauben und mit ihrem sozialen und politischen Engage-ment antworten sollten?“
Diese Sätze stehen lt. Klett nach der Erwähnung der „Geissens“-Soap.
Nach dem Satz am Ende, dass man auch ohne berühmt zu sein oder sogar ohne komplette Gesundheit glücklich sein kann und es trotzdem einen Sinn hat zu leben, steht beim Klett-Verlag: „Das zu akzeptieren mag nicht einfach sein, gehört aber zur christlichen Lebenskunst.“