Eins der Probleme gelebter und praktizierter Theologie ist, finde ich, dass es eigentlich unlauter und unaufklärerisch ist, irgendwas über Ewigkeit zeigen oder sagen zu können. Anikonismus. Bilderverbot. An dieser Stelle ist das ein gewichtiges Argument. Wie es auf der anderen Seite aussieht: Keine Ahnung. Wir haben die Zusagen von Paulus, dass es einen verwandelten Leib geben wird (1Kor 15, 35-49, Phil 3,21 u.a.), Himmelskörper, geistlicher Leib sowas wie einen Sternenkörper. Ich stelle mir da immer Energiekugeln vor.
Offenbar war es schon für die ersten Gemeinden zentral wichtig, sich eine möglichst genaue Vorstellung, um nicht zu sagen, ein Bild zu machen von dem, was nach dem Tod kommt. Das ist die antike und moderne Preisfrage: Was kommt?
Als Theologe kann ich das nicht sagen. Darf ich auch nicht.
Das Problem ist, andere machen das die ganze Zeit. Es gibt ein allgemeines Grundwissen über Ewigkeit, das wir aus der Popkultur erben. Bei mir kommt es aus den 90er-Jahren. Diese Bilder spuken in meinem Kopf, wenn ich mir versuche zu verkneifen über Ewigkeit in Bildern zu denken, zu predigen, zu seelsorgen.
Eternal Florida – Dino-Ewigkeit
Licht am Ende von Tunneln, gerne in der neuropsychologisch-empirischen Deutung als Motiv mit Ursache im Phänomen von Nahtoderlebnissen erklärt. Ich muss dabei immer an die 90er Jahre Serie „Die Dinos“ denken. Als Großmutter Ethyl starb (Episode 218). Da gab es einen langen Tunnel und am Ende wartete ihr verstorbener Mann und dann gab es eine große Stadt voll mit Leuten in weißen Roben, All-you-can-Eat-Buffet. Um es kurz zu machen, der Himmel war Florida. Aber eigentlich biblische Motive: Die Stadt Gottes (Apk 21), die vielen Wohnungen (Joh 14,2), die weiße Kleidung. Irgendwie hoffnungsvoll, die Dinos. Jedenfalls in meiner Fernsehbiographie.
Hinter den Horizont mit Robin Williams
Ich hoffe sehr, er ist selbst da. Also in so einem Himmel, wie in dem hyper-kitschigen 90er-Ewigkeits-Film Hinter dem Horizont. Robin Williams spielt Chris, einen Arzt, der nach seinem Tod in einem Himmel erwacht, den er selbst kreiert. Seine Frau begeht Selbstmord und sowohl die Hölle als auch die Ewigkeit sind zusammengesetzt aus den Bildern und Erfahrungen, die die beiden im Leben gesammelt hatten. Die Hölle ist nicht Strafe von außen, sondern Resultat des Schmerzes aus dem eigenen Erleben. Die Hölle ist also ein Alptraum und der Himmel ein angenehmer Tagtraum. Ihre Substanz sind Erinnerungen aus dem Leben. Nur das richtige Ordnen und Erhalten von Erinnerungen rettet aus der Hölle – die dann wohl sowas wie Amnesie oder Demenz ist.
Coco – Die Stadt der Toten
In Disneys Coco (schockierend, wie stark ein einzelner Konzern mein Denken und Sehen geprägt hat!) sieht es genauso aus. In großzügiger Aneignung an die Día de los Muertos, selbst schon eine Aneignung von indigener und katholischer Ewigkeitstradition und Bildermacherei, ist es auch hier die Erinnerung, die der Kraftstoff für die Ewigkeit ist. Auch hier gibt es eine brummende Ewigkeitsstadt ohne Gott, aber voller geistlicher Körper. Wird jemandes nicht mehr erinnert, stirbt der Geistkörper einen zweiten, ewigen Tod – und ist dann weg. Also eigentlich nur eine Verschiebung und die echte Ewigkeit ist auch in Coco dieselbe wie die unsere. Keiner weiß, wie es dort aussieht. Im Prinzip ist Coco also eine Synekdoche christlich-indigener Ewigkeitsmythologie ohne richtige Antwort. Theologisch also in dieser Hinsicht adäquat. Im Einflussnehmen auf die Verstorbenen aus protestantischer Sicht eher nicht so. Aber ehrlich gesagt, stört mich das überhaupt nicht beim Anschauen des Films. Denn er konstruiert eine folklore-populärkulturelle Ewigkeitslehre, die extrem einflussreich war. Geistergegenwart im Diesseits – kein Problem. Unterschied zwischen Magie und Religion – nicht so deutlich. Ich führe aber auch diese Ewigkeitsbildwelt auf, 1. Weil ich so ohne langes Reden sofort mit Jugendlichen über Ewigkeit reden kann, 2. Weil ich mittlerweile nicht mehr anders kann als selber synkretistisch zu denken. Ich vermische ständig die Vorstellungen von Apk 21, von der Sci-Fi-Stadt Gottes mit eigener autonomer Energieversorgung. Ich vermische das auch ständig mit den Bildern von ewigen Städten in den Ideen von Le Corbussier und den Massen-Stadt-Architekten des frühen 20. Jahrhunderts und mit den Städten im Marvel Universum und anderswo bis zu Captain Marvel. In dieser Bildwelt hänge ich einfach geistig. Sie hängt natürlich in sich zusammen, in der Motivgeschichte geht sie zumindest teilweise auf die Bibel zurück.
Trotzdem Ewigkeits-Ikonoklasmus?
Im Endeffekt ist also nach wie vor das beste Ewigkeitsbild-Konglomerat die Offenbarung des Johannes und ihre Wirkungsgeschichte. Vermischt mit Ideen von Paulus, über Jahrhunderte und Myriaden visueller Effekte und architektonischer Grundsatzschriften hinweg weitergetragen und angereichert.
Es hilft, sich mit der eigenen kulturellen Prägung und ihren Implikationen offen auseinanderzusetzen und sie mal aufzuschreiben, was ich für mich hier mal gemacht habe. Aber vielleicht ist das wirklich die eine Angelegenheit, bei der ich lernen muss, mich aus der Popkultur heraus freizudenken, weil theologisch bleibt es dabei: Über die Ewigkeit können wir vernünftigerweise nur schweigen. Auch wenn dann die anderen die Lücke für uns füllen. Oder?