Fasten ist „in“. Da besteht kein Zweifel – zum Fasten braucht es nicht einmal religiöse Motive. Glaubt man Umfragen, will jeder zehnte Deutsche in den kommenden sieben Wochen auf etwas verzichten: Alkohol, Zigaretten, Süßigkeiten, Sex. Auch Organisationen wie der BUND nutzen die Fastenzeit, um zum Verzicht aufzurufen – in diesem Jahr zum Verzicht auf Plastik. Mit Religion hat das dann gar nichts mehr zu tun. Vielmehr wird die Zeit des Fastens dazu genutzt, Menschen aufzurufen, etwas Gutes zu tun – in letzterem Fall für die Umwelt. Ähnlich auch die vom Bayerischen Rundfunk vorgestellten Fasten-Vorhaben dreier Personen im vergangenen Jahr. Die Reihe „Fasten für Fortgeschrittene“ stellt dort vor: Facebook-Fasten, Hartz-IV-Fasten (sieben Wochen mit 2,50 € am Tag – aus Solidarität), CO2-Fasten.
In einem kritischen Beitrag auf seinem Blog mit dem Titel „Vom Fasten fasten. Eine Kritik“ schreibt Christoph Hübener:
Manchmal kommt es mir vor, als könne man sich damit auf so einen kleinen Ablasshandel einlassen, dessen Größenordnung sich zudem noch selbst(gefällig) festlegen lässt: der eine isst sieben Wochen keinen Apfel mehr, der andere verzichtet (!!!) sieben Wochen auf irgend einen Internet-account. Super.
Wir suchen uns vorsichtig ein kleines bisschen Konsum aus, ohne das wir für vierzig Tage gefahrlos leben können. Wir nennen es lauthals und bunt *Verzicht* und führen damit den Begriff ad absurdum.
Ich vermute: Was wirklicher Verzicht ist, können wir kaum noch ermessen.
Und weiter unten:
Es nutzt mir nichts, wenn ich mich vierzig Tage von Dingen trenne, die mir gut schmecken oder die mir bereichernd Freude machen. Damit besänftige ich mich nicht mal. Und anderen nutzt das auch nicht.
Es geht um etwas anderes: darum, sich treu zu sein.
Auch wenn ich ihm grundsätzlich zustimme, dass das Fasten kein Selbstzweck sein kann, wir uns nicht hinter „Worten und Ritualen verstecken“ müssen und es letztlich auf das „Gesamtpaket“ ankommt – ich muss dem doch etwas entgegnen. Ich verstehe obige Kritik des Fastens als Diskussionsanstoß, den ich kurz in zwei Punkten aufnehmen möchte (und natürlich zum Weiterdenken & Diskutieren einlade):
1. Verzichten ist relativ. Natürlich sind jene Dinge, auf die Menschen in Mitteleuropa zur Fastenzeit verzichten (Fleisch, Alkohol, Süßigkeiten,… etc.) verglichen zu dem, auf das andere Menschen tagtäglich verzichten müssen, lächerlich. Aber was heißt „verzichten“ – und was ist „wahrer Verzicht“? Ich glaube, „Verzichten“ kann nicht allgemeingültig definiert werden. Was verzichten bedeutet, wird subjektiv festgelegt – ergo weiß auch nur jeder für sich selbst, was „Verzicht“ für ihn oder sie heißt. Die Vorstufe davon muss sein, dass man sich hinterfragt: Was ist mir so wichtig geworden, dass es mir wirklich schwer fällt, mich davon zu trennen? Das kann nicht „von außen“ entschieden werden. Und dafür brauche ich auch keine Religion und keine Rituale.
2. Fasten heißt nachdenken. Nämlich darüber, was mir im Leben wichtig ist. Es ist natürlich schade, wenn dies nur in der Fastenzeit geschieht (so verstehe ich auch obige Kritik). Ich glaube auch, dass zur eigenen Authentizität gehört, sich immer wieder dieser Frage zu stellen. Aber ist es nicht zunächst einmal gut, wenn dies überhaupt geschieht – dass dieser Fastengedanke weitere Kreise zieht? Dass er auch bei nicht-religiösen Menschen angenommen wird? Das zeigt doch, dass hier eine Sehnsucht getroffen wird, ein Wunsch danach, auch über sich selbst, sein Verhalten und sein Leben nachzudenken. Das gilt doch auch, wenn es dabei nur um scheinbare Banalitäten wie den Konsum von Süßigkeiten geht.
Und so würde ich sagen: Doch, es nutzt, sich vierzig Tage von Dingen zu trennen, die gut schmecken oder Freude machen. Weil es dazu herausfordert, sich zu fragen: Warum? Auch wenn das Fasten, das heutzutage so verbreitet ist, mit Blick auf den ursprünglichen Kontext eher ein „fast Fasten“ ist. Ich halte es für begrüßenswert, dass das Fasten „in“ ist. Denn so kann man mit anderen darüber reden. Egal, ob man tatsächlich auf etwas verzichtet – oder Fasten fastet.
Ich faste jedes Jahr Ramadan, ohne Moslem zu sein, einfach weil ich die Idee dahinter echt gut finde.
Und dieser Artikel ist echt motvierend, um nicht zu sagen animierend, da mit weiter zu machen 🙂 bzw für andere, darüber mal nachzudenken 😉