i,Slam – so nennt sich ein spezieller Poetry-Slam, bei dem nur Muslime auf der Bühne stehen. Die Veranstalter touren durch Deutschland, im Juni 2013 fand in Berlin das Finale der ersten Runde statt. TheoPop sprach mit einem der beiden Gründer über die Motivation zur Gründung, über Integration und interreligiösen Dialog. Ein Gespräch am Schnittpunkt zwischen Religion und Popkultur.

TheoPop: Wie entstand die Idee zu einem muslimischen Poetry-Slam?

Younes Al-AmayraYoussef Adlah, mit dem ich i,Slam zusammen gegründet habe, hat vorher schon bei Poetry-Slams mitgemacht. Ich habe ihn mal mitbegleitet, als er angetreten ist und einen sehr gesellschaftskritischen und satirischen Text vorgetragen hat. Er war sich damals nicht ganz sicher, ob das Publikum ihn deswegen mögen würde – aber er hat den zweiten Platz gemacht! Er war kritisch, aber dennoch kam seine Message an, er hat das Publikum unterhalten können. Und das fanden wir sehr interessant. Wir dachten uns: Okay, es geht offensichtlich um die Art und Weise, wie man die Kritik verpackt. Darum, wie man mit einem Publikum spricht. Und dann habe ich mit ihm einmal ein Interview für „Muslime.tv“ geführt und ihn gefragt, ob er sich so etwas eigentlich auch für Muslime vorstellen könnte, oder ob Muslime dieses Format eher nicht nutzen sollten. Und aufgrund dieser Frage haben wir dann ernsthaft darüber nachgedacht, dass es doch eigentlich ganz cool wäre, Poetry-Slams auch für die Muslime zugänglich zu machen.

Sind sie das nicht bereits? Poetry Slams sind doch offen für jedermann.

Muslime ans Mikro holen: der i,Slam will jungen Muslimen Selbstvertrauen geben, um ihrer Stimme so in der Gesellschaft Gehör zu verschaffen.(Bild: NFSA Australia / flickr.com)
Muslime ans Mikro holen: der i,Slam will jungen Muslimen Selbstvertrauen geben, um ihrer Stimme so in der Gesellschaft Gehör zu verschaffen.(Bild: NFSA Australia / flickr.com)

Doch natürlich. Es gibt Muslime, die bei den konventionellen Poetry-Slams mitmachen. Aber sie treten nicht in erster Linie mit ihrer muslimischen Identität auf. Das muss ja auch nicht immer sein – aber es fehlte eine Plattform, wo sie genau das tun können. Deswegen wollten wir eine solche Bühne schaffen und jugendliche Muslime animieren und motivieren, auf diese Bühne zu gehen. Wir wollten ihnen die Chance geben, sich selbst zu beschreiben – weg von Fremdzuschreibungen. Weg davon, dass andere immer über sie urteilen und meinen, etwas über sie zu wissen. Ihre Stimme und ihre Sicht der Dinge soll gehört werden. Beim Poetry-Slam stehst du vor einem Publikum, und das Publikum ist „gezwungen“, dir zuzuhören. Du kannst sagen, was du möchtest, und das ist gut.

Was versprecht ihr euch von i,Slam?

Es gibt ein paar Ziele, die wir uns vorab gesteckt haben. Es geht natürlich, wie gesagt, in erster Linie darum, der muslimischen Jugend eine Stimme zu geben. Viele haben lange vor ihrem Auftritt schon Gedichte geschrieben, aber die sind dann irgendwo in der Schublade verstaubt. Und das ist schade. Die sollen auf die Bühne treten und ihre Gedanken mit der Welt teilen!

Warum aber auf einem eigenen Poetry-Slam – wäre es nicht sinnvoller, sich bei den konventiollen Slams einzubringen?

Diese Kritik wurde uns schon häufiger vorgebracht. Aber sie geht an der Sache vorbei, denn uns geht es in keiner Weise um eine Separation. Uns ging es von Anfang an darum, eine muslimische Slammer-Community schaffen und deren Selbstbewusstsein zu stärken. Wenn die Slammer genug Erfahrung auf der i,Slam-Bühne gesammelt haben, wünschen wir uns, dass sie mit diesem Selbstbewusstsein auf die konventionellen Poetry-Slams gehen, wo Konfessionen keine so große Rolle spielen. Denn dort sitzt das Publikum, das wir eigentlich erreichen wollen: Das nicht-muslimische Publikum.

Gibt es inhaltliche Vorgaben für die Slammer – muss es beim i,Slam zum Beispiel um den Islam gehen?

Nein. Es geht uns nicht um religiöse Themen, wer bei uns auftritt, ist thematisch völlig frei. Häufig geht es inhaltlich um Diskriminierung, einige sprechen über eher banale Sachen wie zum Beispiel die neu gekauften Schuhe, wieder andere sprechen über den Propheten. Von sehr ernsten bis hin zu lustigen, humorvollen Texten gibt es da eigentlich alles. Wir schauen die Texte zwar vorher durch, zensieren aber nichts inhaltlich. Wir achten dabei nur auf die Wortwahl: Wir wollen keine Beleidigungen und keine Fäkalsprache. Der i,Slam soll ein sauberer Slam sein.

Ihr habt einen theologischen Berater im Team. Was ist denn genau seine Aufgabe? 

Seine Aufgabe ist es, als Experte da zu sein, wenn wir uns nicht sicher sind – auch oder gerade, wenn es um theologische Dinge geht. Blasphemie zum Beispiel ist auf unserer Bühne tabu. Das einzuordnen, ist aber nicht immer ganz leicht. Dann gab es einmal Kritik von muslimischer Seite, weil wir bei uns im Publikum keine Geschlechtertrennung haben. Da ist es gut, wenn wir einen Experten haben, der eine gewisse Autorität hat und sich dieser Frage stellen kann. Es gibt manchmal auch aus unserer Sicht ganz komische Fragen, zum Beispiel, ob man als Muslim überhaupt Poesie schreiben darf. Solche Fragen haben wir uns noch nie gestellt. Aber es gibt sie, und sie müssen ernst genommen und beantwortet werden.

Nun gibt es im Islam ja sehr viele verschiedene Strömungen. „Den Islam“ gibt es ja nicht. Wie äußert sich das denn bei den Veranstaltungen? Gibt es da Konfliktpotenzial? 

Nein, gar nicht. Wir vereinigen ganz unterschiedliche Strömungen. Wir haben ganz verschiedene Denkweisen auf der Bühne, von sehr konservativ eingestellten Leuten bis hin zu sehr liberalen. Wir schauen nicht auf den Grad der Religiosität eines Künstlers. Das interessiert uns nicht, genau so wenig wie seine Ausrichtung. Nur wenn jemand anfängt, auf der Bühne Dinge zu sagen wie zum Beispiel: „Demokratie gibt es nicht, das können wir nicht mit dem Islam vereinbaren“, dann sagen wir: Danke, tschüss. Denn das können wir mit unseren Werten nicht verantworten. Aber so etwas kam noch nicht vor.

Kann denn der i,Slam aus eurer Sicht zum interreligiösen Dialog beitragen?

Ja, und da gibt es sogar konkrete Ansätze von uns. Wir haben letztes Jahr zum ersten Mal einen interreligiösen Slam veranstaltet. Da haben sich auf der Bühne ein Rabbiner, ein Pastor ein Imam und ein Vertreter der Bahais eine Dichterschlacht geliefert. Das wiederholen wir jetzt am 16.8 in Berlin in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung. Das ist der Versuch einer anderen Form des Dialogs, auf eine unterhaltende Art und Weise. Man könnte auch sagen: Über den Austausch von Kunst.

Die erste Runde des i,Slam ist nun vorbei, das Finale hat in Berlin stattgefunden. Nun noch der interreligiöse Slam – und wie geht es dann weiter?

Eine zweite Runde ist geplant. Wir wollen diesmal zwei Mal ins europäische Ausland und auch nach Österreich und in die Schweiz.

Vielen Dank für das Gespräch – und viel Erfolg für die zweite Runde!

Veröffentlicht von Fabian M.

Fabian Maysenhölder, Diplom-Theologe und Online-Journalist, ist Herausgeber des Blogs "Theopop". Während seiner Berliner Studienzeit wurde bei ihm in einem Seminar zu dem Thema „Kirche in den elektronischen Medien“ Interesse für diesen Forschungsbereich geweckt, der immer mehr an Bedeutung gewinnt – nicht nur für die kirchliche Öffentlichkeitsarbeit. In seiner Freizeit spielt er Badminton und engagiert sich ehrenamtlich in der Straffälligenhilfe.

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