Kein Ereignis wurde in der Geschichte der Menschheit so oft vorher gesagt wie der Weltuntergang. Demzufolge lag, das kann unmittelbar daraus abgeleitet werden, keine Prophezeiung häufiger daneben. Schließlich gibt es uns Menschen immer noch: Wir trippeln fröhlich über den Planeten Erde, sorgen uns nicht ums Morgen und erst recht nicht ums Übermorgen, und vielleicht ist es auch das, was uns schließlich zum Verhängnis werden wird. Ganz sicher aber wird es weiterhin konkrete Vorhersagen geben, wann die Welt nun endlich untergeht. Und, so traurig dies ist, es wird weiterhin Menschen geben, die daran glauben. Angesichts des Faszinosums „Weltuntergang“ stellt sich jedoch die Frage: Warum werden so viele Leute in den Bann dieser Vorstellung gezogen? Was fasziniert an all diesen Szenarien, die nicht nur in Hollywood schon zur Genüge verfilmt und in Medien aller Art exzessiv kommerzialisiert wurden?

Die religiösen Aspekte sind offenbar. Weltuntergang-Gurus scharen Gläubige um sich, „Heilige Orte“ werden ausgerufen, die die Apokalypse anscheinend überstehen sollen. Doch das Phänomen ist nicht neu. Weltuntergangsprophetie ist vielleicht so alt wie die Menschheit selbst. Endzeit-Propheten gab es zu allen Zeiten. Karl der Große, Christopher Columbus, Martin Luther, Isaac Newton – alle waren sie der Vorstellung erlegen, berechneten oder weissagten das nahende Ende der Welt. Und nicht zuletzt ist das Christentum eine apokalyptische Religion wie keine andere. Das kommende Königreich Gottes, die Wiederkunft Jesu: Endzeit-Prophetie vom Feinsten! Freilich mit dem (entscheidenden) Unterschied, dass, zumindest in der Bibel, konkrete Zeitangaben fehlen.

"Das Ende der Welt" - ein lesenswerter Streifzug des Philosophen Christian Schüle durch die Welt der Apokalypse. Auf der Suche nach der Antwort, warum der Untergang der Welt so viele Menschen fasziniert, schreibt Schüle pointiert und fundiert über seine Gespräche mit Naturwissenschaftlern, Historikern, Theologen und Esoterikern. Manchmal etwas zu philosophisch, hie und da einen distanzierenden Konjunktiv vermissend. Dennoch: Ein der Thematik angemessenes und überaus lesenswertes Buch!
„Das Ende der Welt“ – ein Streifzug des Philosophen Christian Schüle durch die Welt der Apokalypse. Auf der Suche nach der Antwort, warum der Untergang der Welt so viele Menschen fasziniert, schreibt Schüle pointiert und fundiert über seine Gespräche mit Naturwissen-schaftlern, Historikern, Theologen und Esoterikern. Manchmal etwas zu viele Fachbegriffe in einem Satz, hie und da einen distanzierenden Konjunktiv vermissend. Dennoch: Ein der Thematik angemessenes und überaus lesenswertes, unterhaltsam geschriebenes Buch! ISBN: 978-3-629-02307-0 (Bild: Pattloch-Verlag)

Der Philosoph und Essayist Christian Schüle hat sich in seinem Buch „Das Ende der Welt“ mit der Frage nach der Faszination des Weltuntergangs intensiv auseinandergesetzt. Er spricht mit Naturwissenschaftlern, Esoterikern, Psychologen und Theologen, beschreibt im Buch seine Erkenntnisse und seine Gedanken. Er stellt einige interessante und nachdenkenswerte Thesen auf. Darunter zum Beispiel diejenige, dass die Deutschen aufgrund ihrer Geschichte besonders anfällig für apokalyptisches Denken seien. Zudem deutet er die Apokalypse, die zwar zutiefst religiös ist, auch als ein politisches Phänomen. Dies tut er im Besonderen am Beispiel der USA:

Bis heute fungiert die Apokalypse als geistiger wie geistlicher Schmierstoff bei all jenen, die sich nach Erlösung aus ihrer Unterdrückung, aus der Unterdrückung ihrer Religion, ihres Glaubens sehnen, die im Diesseits eine jenseitige Wende herbeisehnen – und das seit Jahrzehnten. Und sie ist tief in jenes Objekt eingestanzt, das als Leitwährung des Weltwirtschaftssystems die moralische Überlegenheit der amerikanischen Nation symbolisiert. Auf der Rückseite des großen Siegels auf dem Ein-Dollar-Schein, unterhalb des Auges der Vorsehung, heißt es: Novus ordo saeculorum, die »Neuordnung der Zeit«. Sie begann 1776, mit der Unabhängigkeitserklärung der USA.

Es sind tatsächlich interessante Gedanken, die Schüle anstößt. Ist die Apokalypse deshalb so reizvoll, da darauf Ängste und Hoffnungen projiziert werden können? Da dadurch das Gegenwärtige zur Vergangenheit wird und Neues entstehen kann?

Apokalypse = Erlösung?

Doch gerade im  populären Umgang mit der Apokalypse in Film und Fernsehen, man denke nur an Filme wie „2012“, steht ja vor allem eines im Vordergrund: die Angst. Natürlich, letztendlich gibt es auch bei „2012“ einen Neuanfang. Das Alte wurde vernichtet, doch die Menschheit bekommt eine weitere Chance. Die Frage bleibt jedoch: Was hinterlässt ein solcher Film in den Köpfen der Menschen angesichts der Tatsache, das nur ein winziger Bruchteil der Menschheit gerettet wird? Die Freude auf den Neuanfang? Wohl kaum.

Einen aus theologischer Sicht sehr interessanten Aspekt führt Schüle bei seinem apokalyptischen Streifzug auch an: In seinem Ursprung sei apokalyptisches Denken immer Erlösungsdenken. Das Ende kommt also als Befreiung. Was als Denkmuster noch vorhanden sein mag, wenn man Apokalypse als politisches Phänomen betrachtet, ist in der Populärkultur im Prinzip ganz verschwunden. Denn geht es hier nicht, wie im Übrigen auch bei den Massenmedien, darum, Ängste der Menschen aufzugreifen, damit Ungewissheiten zu schüren, die dann wiederum Ängste befeuern? Ein Kreislauf, der kaum zu durchbrechen ist? Ein in sich geschlossenes System, das Schüle harsch und ausführlich als „Boulevard“ kritisiert?

Wahrscheinlich muss man letzten Endes sagen: Die Frage nach der Begeisterung vom Untergang lässt sich nicht kurz und knapp beantworten. Viele Aspekte spielen dabei eine Rolle. Sicher ist jedoch: Auch nach dem 21.12 wird die Faszination bestehen bleiben. Es werden weitere Untergangspropheten auftreten, neue Daten berechnet und weitere Endzeiten vorhergesagt werden. Und wer bis dahin im Live-Blog verfolgen möchte, wie die Welt auch dieses Mal nicht untergeht, dem sein der Blog des Astronomen Florian Freistetter ans Herz gelegt.

Veröffentlicht von Fabian M.

Fabian Maysenhölder, Diplom-Theologe und Online-Journalist, ist Herausgeber des Blogs "Theopop". Während seiner Berliner Studienzeit wurde bei ihm in einem Seminar zu dem Thema „Kirche in den elektronischen Medien“ Interesse für diesen Forschungsbereich geweckt, der immer mehr an Bedeutung gewinnt – nicht nur für die kirchliche Öffentlichkeitsarbeit. In seiner Freizeit spielt er Badminton und engagiert sich ehrenamtlich in der Straffälligenhilfe.