„Was ich jetzt will, ist nur noch vor Gott hinzutreten und ihm zu sagen, dass er eine verdammt ungerechte Welt geschaffen hat. Und ich werde Rechtfertigung von ihm verlangen.“
(Eftalan Quest, Romanfigur)
Eigentlich sind „Lasst-uns-mit-Lichtgeschwindigkeit-durch-die-Galaxie-sausen-Romane“ gar nicht mein Fall. Ich mag keine Science-Fiction. Eher mehr als weniger versehentlich geriet ich an die Hörbuchausgabe von Quest, einem Roman von Andreas Eschbach. Und da ich es nun schon besaß, hörte ich mir es auch an. Ich war am Ende überrascht, eine tief religiöse Heldenfigur vorzufinden: Eftalan Quest, nach dem dieser Roman benannt ist. Doch kurz zur Handlung.
Kurz und knapp beschreibt Amazon den Plot so: „Das Reich Gheera steht vor dem Untergang. Die Verteidigungskräfte haben keine Chance gegen die übermächtigen Legionen des sagenhaften Sternenkaisers, dessen Machtgier keine Grenzen kennt. Der endgültige Fall ist nur noch eine Frage der Zeit. In dieser Situation begibt sich der Kommandant Eftalan Quest, ein ehrgeiziger Mann, der sein Schiff mit harter Hand führt, auf eine schier aussichtslose Expedition: Er will den sagenhaften Planeten des Ursprungs finden – die Welt, von der angeblich alles Leben im Universum stammt.“
Darum geht es in dem Roman: Eftalan Quest, selbst von Beginn des Buches an todkrank, sucht den Planeten des Ursprungs. Doch warum? Diese Frage wird immer wieder gestellt, doch erst gegen Ende beantwortet. Und der Moment der Beantwortung ist derjenige, an dem sich das tief religiöse Ansinnen des Romanhelden offenbart. Denn Quest erwartet, auf diesem Planeten keinem Geringeren zu begegnen als Gott selbst. Der Kommandant ist der festen Überzeugung, dass es auf dem Planeten des Ursprungs möglich sei, Gott von Angesicht zu Angesicht gegenüberzutreten. „Seit ich davon gehört habe, hat mich der Gedanke nicht mehr losgelassen, genau das zu tun“, sagt er, im Sterben liegend.
„Eine ist furchtbarer als die andere“
Was Quest treibt, ist die Aussicht, Antworten auf elementare Fragen des Lebens zu bekommen. Quest selbst hat in seiner imaginären Vergangenheit eine kriegerische Katastrophe überlebt, die Fragen aufkeimen lässt, die so alt sind wie die Menschheit selbst:
„Zuerst wollte ich ihn fragen, warum die zwei Milliarden von Tojokan sterben mussten und Gott ausgerechnet ich vor dem Tod bewahrt wurde. Ich wollte, dass Gott mich den Sinn dahinter verstehen lässt. Ich war bereit, mich ihm zu Füßen zu werfen. Um eine Antwort zu bitten, in der Hoffnung, dass dadurch der Schmerz in meiner Seele und in meiner Erinnerung geheilt würde.“
Zu Beginn der Reise ist Quest noch demütig gegenüber diesem Gott, den er sucht. Er sagt:
„Ich bin nur ein Geschöpf, aber ich bin eine Identität. Ich empfinde, und ich denke, und ich kann mich freuen und ich kann leiden. Wenn Gott allmächtig ist, bin ich ihm natürlich ausgeliefert. Aber es muss mir nicht gefallen, was er mit mir macht. Und was er da mit mir gemacht hat, gefällt mir ganz entschieden nicht. Ich wollte, dass er das erfährt. Da er allwissend sein soll, weiß er es wohl. Aber ich wollte es ihm sagen.“
Quest formuliert weitere Fragen, die er Gott stellen möchte, wenn er ihm auf dem Planeten des Ursprungs begegnet. Warum müssen geliebte Menschen, die so viel Gutes tun, ohne Vorwarnung sterben? Warum erlangen Menschen, die anderen schaden, häufig so viel Macht? Sein Resümee: „Es ist der Fragen kein Ende. Und eine ist furchtbarer als die andere.“
Die Sinnfrage fliegt durch die Galaxie – und mit ihr die Religion
Nicht nur der Romanheld Eftalan Quest hadert mit solchen Fragen. Und diese Fragen werden auch nicht nur in der Fiktion gestellt. Das Interessante daran: Eftalan Quest lebt in einer Welt, die man sich technisch fortgeschrittener kaum vorstellen kann. Es ist ihm möglich, innerhalb weniger Monate von einer Galaxie zur nächsten zu reisen. Und dennoch, so ist es zumindest in der Vorstellung des Autors Andreas Eschbach, quälen ihn noch die selben Fragen, mit denen die Menschen schon vor Jahrtausenden gerungen haben.
Immer wieder wird bis heute die alte Säkularisierungsthese vertreten, Religion verschwinde mit der Weiterentwicklung der Gesellschaft. Vor allem unter Religionskritikern ist es sehr beliebt, die Religionslosigkeit auf einer höheren intellektuellen Entwicklungsstufe zu verorten als den Glauben. Man braucht sich dazu zum Beispiel nur ein wenig im Internet umzuschauen, um entsprechende Prophezeiungen und Kommentare zu finden. Es wird Zeit, diese These endlich zu verdauen, anstatt sie ständig wiederzukäuen.
Beachtenswert ist zudem, dass Quest eines nicht in den Sinn kommt: An der Existenz Gottes zu zweifeln. Das ist der Ausweg, den viele wählen – verständlicherweise. In dieser Hinsicht ist Quest bewunderswert; die Existenz Gottes steht für ihn außer Frage. Es muss einen „Ursprung“ geben, der alles angestoßen hat und der alles lenkt. Das ist seine feste Überzeugung. Quest modifiziert sein Gottesbild, gibt aber nicht den Glauben an Gott auf:
„Es ist nicht mehr derselbe Grund, warum ich den Planeten des Ursprungs suche. In mir ist keine Demut mehr. Ich bin nicht mehr bereit zu einer ehrfürchtigen Pilgerfahrt. Ich will nicht einmal mehr Antworten. Und ich habe keine Hoffnung mehr, dass mein Schmerz je geheilt werden könnte. Was ich jetzt will, ist nur noch vor Gott hinzutreten und ihm zu sagen, dass er eine verdammt ungerechte Welt geschaffen hat. Und ich werde Rechtfertigung von ihm verlangen.“
Ob Eftalan Quest am Ende Gott begegnet, verrate ich natürlich nicht. Doch so viel sei gesagt: Um Quests Reise nachzuvollziehen, muss man nicht Milliarden von Kilometer zurücklegen und sich durch ferne Galaxien beamen. Man muss nicht einmal Eschbachs Roman lesen. Denn die Suche nach Gott beginnt mit dem Fragen.