Gute Satire ist nicht zu verachten: Wenn Autoren gekonnt humorvoll oder sarkastisch böse Probleme aufzeigen, Heucheleien aufdecken oder Missstände anprangern, ist das meist nicht nur amüsant zu lesen – es erfüllt auch einen wichtigen Zweck. Eine besonders große Angriffsfläche in dieser Hinsicht bietet die Kirche, vielleicht sogar Religion an sich. Und genau dieser Thematik widmet sich Mario Urban in seinem Erstlingswerk „Pulp Christian!“, dem – so heißt es im Untertitel – „Ultimativen Soap-Opera-Trash-TV-Porno-Horror-Buch“, das dem Leser einen „neuen Führer durch die Bibel“ verspricht.
Urban hat es sich zur Aufgabe gemacht, jene Stellen der Bibel herauszupicken, die in der Regel nicht von den Kanzeln gepredigt werden. Nach Themen sortiert und vom Autor kommentiert finden sie in „Pulp Christian!“ ihren neuen Kontext. Was durchaus Stoff für ein lustiges, gut zu lesendes Buch hätte, ist leider nicht mehr geworden als 384 Seiten pubertierenden Geredes. Vom „feinen Humor“, den der Buchrücken verspricht, ist nichts zu sehen. Urban zeigt zwar mit dem Finger auf Stellen, die durchaus Potenzial zu spöttischen Kommentaren haben – nur schafft er es nicht, aus der Reserve zu locken. Seine Äußerungen bleiben oberflächlich und platt, funktionieren nur, wenn man jeglichen Verstand über Bord wirft und damit auch den Versuch, die Verse der Bibel in ihren jeweiligen historischen Kontext einzuordnen. Freilich: Genau das ist es, was der Autor versucht. Zu provozieren, indem Erzählungen gewollt aus dem Zusammenhang gerissen und in einen neuen gesetzt werden. Nur leider gelingt es ihm nicht, das so zu tun, dass der Leser dabei unterhalten wird.
„Die Autoren der Bibel können es besser“ – richtig!
Um zu verstehen, wie „Pulp Christian!“ funktionieren soll, reicht es, einen kurzen Absatz zu zitieren. So kommentiert Urban etwa die Bibelstelle aus Exodus 21,15.17:
Wer Vater und Mutter schlägt, der soll des Todes sterben. […] Wer Vater und Mutter flucht, der soll des Todes sterben.
mit den Worten
Wenn sich alle Menschen an die Gesetze unseres HERRN halten und respektlose Kinder steinigen würden, hätten wir sicherlich nicht das Überbevölkerungsproblem, das wir heute haben. Wahrscheinlich hätten wir gar keine Probleme mehr (weil es niemanden von uns geben würde).
Lustig ist anders. Die Hälfte des Buches hat ohnehin Luther geschrieben, denn die zitierten Bibelstellen nehmen gefühlt gut 50 Prozent der Buchseiten ein. Noch dazu in der Luther-Übersetzung von 1912 – mutmaßlich, weil diese Übersetzung lizenzfrei verfügbar ist. Sind die Verhandlungen über die Lizenzierung einer neueren Version gescheiter? Oder hat man es gar nicht erst versucht?
„Alles, was heutzutage erfolgreich ist, haben die antiken Autoren der Bibel schon viel früher formuliert nur in besser!“, heißt es in der Buchbeschreibung. Und in der Tat: „Pulp Christian!“ wäre ein lesenswertes Buch, wäre es schlicht ein Kompositum biblischer Stellen, die den Leser vor den Kopf stoßen. Die zum Nachdenken anregen, zum einordnen in den historischen Kontext zwingen, um damit klar zu kommen. Die das eigene Gottesbild radikal in Frage stellen und herausfordern.
Was stört, sind die nervig-pubertären Kommentare des Autors, die das Buch zu einer Lesequal werden lassen.
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