(Bild: By Christopher Hogue Thompson (Personal Picture) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)
Bewohner der Insel Tanna mit Bildern von Prinz Philip, auf dessen Rückkehr sie warten. (Bild: By Christopher Hogue Thompson, GFDL, via Wikimedia Commons)
Prinz Philip, Ehemann der Queen, ist ein Gott – zumindest für die Bewohner der Insel Tanna des Inselstaates Vanuatu. Dort gibt es nämlich die sogenannte „Prinz-Philip-Bewegung“. Deren Anhänger glauben daran, dass der Herzog von Edinburgh einer von ihnen ist. Sie nehmen an, dass Philip ein Ahnengeist ist, der einstmals aus einem Vulkan auf der Insel aufstieg. Um die traditionelle Kultur zu bewahren, machte er sich auf den weiten Weg nach England, um die Queen zu heiraten. Einer Prophetie zufolge soll der Geist des Prinzen irgendwann wiederkehren, um Gesundheit und Wohlstand zu bringen. Der Häuptling eines Dorfes sagt: „Er ist ein alter Mann in England, aber auf Tanna wird er niemals sterben.“ Die Geburtstage des Queen-Gatten werden als große Feste gefeiert.

Doch warum verehren die Inselbewohner Prinz Philip? So ganz eindeutig ist diese Frage nicht zu klären. Sicher ist: Die Prinz-Philip-Bewegung ist ein sogenannter „Cargokult“ – eine Bezeichnung, die versucht, ganz unterschiedliche Phänomene zu beschreiben. „Cargo“ ist in diesem Kontext tatsächlich das englische Wort für „Frachtgut“. Cargokulte beschreiben folglich Kulte, die sich aufgrund der Begegnung zwischen Europäern und Inselbewohnern in Melanesien entwickelten. Erste Nachweise für solche Kulte gibt es offenbar Ende des 19. Jahrhunderts – so richtig Aufschwung erhielten die Bewegungen aber während und nach dem Zweiten Weltkrieg.

„John Frum America“

Typisch für Cargokulte ist, dass ein Prophet die Botschaft erhält, dass mächtige Fremde, das amerikanische Militär, oder – wie bei Prinz Philip – die Ahnen große Ladungen an Fracht versprochen hätten. Meist handelt es sich dabei um Güter, die während des Krieges verhältnismäßig leicht zugänglich waren: Fertigprodukte, Kleidung, Werkzeug, Waffen, … .“Die prophetische Botschaft verspricht typischerweise, dass diese Fracht ankommen wird, wenn die Leute harmonischere Sozialbeziehungen aufbauen, Streitigkeiten und trennende Praktiken wie Zauberei aufgeben.“ (Lamont Lindstrom, RGG 4, Art. Cargokulte). Die meisten dieser Kulte versiegen, wenn die versprochene Fracht lange genug ausbleibt. Doch einige Kulte – zum Beispiel der hier thematisierte – bestehen noch heute.

Der Prinz-Philip-Kult ist allem Anschein nach ein Ableger des sogenannten „John-Frum-Kults„, der ebenfalls auf der Insel Tanna existiert. Prinz Philip wird als dessen Bruder bezeichnet – vielleicht war ein Besuch Philips und der Queen im Jahre 1974 ein entscheidender Faktor für die Entwicklung dieses Kultes. John Frum ist in der Vorstellung der Gläubigen Gottes Sohn, der aus einem Vulkankrater stammt und in Amerika lebt(e). Vermutlich geht dieser Kult auf einen amerikanischen Soldaten zurück, der auf die Insel kam (einige nehmen an, dass der Name „John Frum“ aus einem Missverständnis entstanden sei: „Hi, I’m John from America“). Er soll die Bewohner ermutigt haben, ihre Bräuche und Traditionen beizubehalten und nicht christlichen Missionaren zu verfallen.

Komplett bescheuert?

So – genug Exkurs. Das Vice-Magazin schreibt in einem kurzen Absatz vor einem Interview zu diesem Thema: „Cargo-Kulte sind wie jeder andere Kult komplett bescheuert.“ Als ich diesen Satz gelesen habe, musste ich schlucken. Sind sie das wirklich? Die Menschen dort – wie viele oder wenige es nun sein mögen – hängen ihr Herz an Dingen auf, die aus unserer Sicht völlig lächerlich sind. Auch meine erste Reaktion, als ich die – enorm empfehlenswerte! – Doku „Meet the Natives“ (hier auf Youtube) gesehen habe, war ähnlich: Wie um alles in der Welt kann man sowas glauben? Man erwischt sich leicht dabei, über diese Menschen zu schmunzeln und sie für naiv zu halten.

Doch haben wir Grund dazu? Ich glaube nicht. Bevor wir uns über diese Kulte amüsieren oder sie als „komplett bescheuert“ bezeichnen, sollten wir vielleicht unsere Überheblichkeit ablegen. Zum einen sieht man, was unbedachte Globalisierung, Kolonialisierung und Missionierung anrichten kann – der Bumerang kommt also zurück. Ich weiß nicht, wie die sozialen Verhältnisse auf Vanuatu sind, wie zufrieden die Menschen dort sind. Aber Fakt ist, dass sie offenbar ein vergöttlichtes Bild vom glorreichen „weißen Mann“ und dessen „Zivilisation“ haben. Von der „Zivilisation“, die nach und nach das zerstört, wovon wir alle leben. Dass das als göttlich verehrt wird, finde ich eher erschreckend als amüsant – und dafür können die Bewohner auf Tanna nichts. Es bringt mich eher zum Nachdenken darüber, was wir in unserer Geschichte angerichtet haben. Und was wir auch heute noch mit unserer angeblichen „Zivilisation“ anrichten.

Zum anderen hält uns ein Cargokult wie die Prinz-Philip-Bewegung auch in anderer Hinsicht den Spiegel vor. Ich erwische mich so manches Mal bei mir selbst, dass ich mich bei bestimmten Sachen frage: den Blödsinn glaubst du wirklich? Eine Beschäftigung mit uns völlig fremden und merkwürdig erscheinenden Glaubenssätzen kann dazu führen, dass auch die eigene Weltanschauung hinterfragt wird. Worauf gründet sie sich? Woher kommt das? Wie ist es zu mir gelangt? Und schließlich: Warum habe ich angefangen, die Dinge so zu sehen, wie ich sie sehe? Beim Sinnieren über diese Fragen wird schnell deutlich, dass es keinerlei Grund zur Überheblichkeit gibt.

Zum Weiterlesen/ Schauen:

  • Ein sehenswertes Video über die Prinz-Philip-Bewegung (15 min, englisch):

 

https://www.youtube.com/watch?v=f_QIsohU7NY

Veröffentlicht von Fabian M.

Fabian Maysenhölder, Diplom-Theologe und Online-Journalist, ist Herausgeber des Blogs "Theopop". Während seiner Berliner Studienzeit wurde bei ihm in einem Seminar zu dem Thema „Kirche in den elektronischen Medien“ Interesse für diesen Forschungsbereich geweckt, der immer mehr an Bedeutung gewinnt – nicht nur für die kirchliche Öffentlichkeitsarbeit. In seiner Freizeit spielt er Badminton und engagiert sich ehrenamtlich in der Straffälligenhilfe.

4 Antworten auf &‌#8222;Mein Gott, Prinz Philip&‌#8220;

  1. Eine Geschichte, die mich schon etwas nachdenklich stimmt. Waren die vorher christlich missioniert oder sind Gottgleichheit und Wiederkunft so etwas wie Archetypen?

    1. Also christlich missioniert waren sie vorher nicht, da ja ein Cargo-Kult ja dann entsteht (bzw. enstehen kann), wenn eine Art Erstkontakt stattfindet. Allerdings kann dies ja ein Kontakt ja mit christlichen Missionaren sein, oder zumindest mit Christen, die bestimmte Motive mitbringen.

      Meine Vermutung ist, dass man nicht (mehr) klären kann, woher genau diese Motive in den Cargo-Kulten genau kommen, da man ja zum Beispiel bei der „John Frum-Bewegung“ nicht einmal sicher weiß, wer dieser John Frum war. Und auch bei Prinz Philip ist nicht ganz klar, warum ausgerechnet er zum „Ahnengeist“ auserkoren wurde.

      Aber spannende Frage: Vielleicht sind es Archetypen? Interessanter Gedanke!

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