Geocaching-Utensilien
Ein „Cache“ und sein Inhalt. (Bild: cachemania/flickr.com unter cc-by-sa)

Achtung, ein kleiner Test:

„Die Kords des Finals waren ein bisschen off, aber zum Glück war der Cache kein Nano sondern ein Micro, sodass wir diesen schönen Multi flott loggen konnten – auch dank des geringen Muggelaufkommens an der letzten Stage. Haben eine Coin mitgenommen und einen Travelbug hinterlassen. TFTC an den Owner!“

Na, verstanden? Falls nicht oder teilweise: Keine Sorge, alles ist gut. Der Rest des Artikels wird in verständlicher Sprache geschrieben. Versprochen.

Wenn Geocacher sich unterhalten, dann kann das für Außenstehende mitunter recht verstörend sein, denn nicht selten hört sich die Unterhaltung an wie obige Zeilen. Geocaching ist ein Hobby, dass sich seit mehr als 10 Jahren wachsender Beliebtheit erfreut. Die meisten werden – zumindest vage – davon schon gehört haben. Das Prinzip ist einfach und schnell erklärt: Jeder Geocacher besitzt ein mobiles GPS-Gerät (oder inzwischen einfach ein Smartphone), mit dem er beliebige Koordinaten über Satelliten ansteuern kann, ganz wie bei einem Navigationssystem im Auto. Andere Geocacher verstecken nun einen „Cache“ (= ein kleiner Behälter, etwa eine Filmdose) an einem beliebigen Ort. Dann veröffentlichen sie die Koordinaten des Versteckes im Internet – dort können die Mitspieler diese nun abrufen und mit ihrem Navigationsgerät zu dem Versteck marschieren, um den Behälter zu suchen. In diesem Behälter befindet sich ein Logbuch, in das sich der Finder eintragen muss. Auch auf der entsprechenden Webseite hinterlässt der Finder schließlich einen Kommentar, dass er den Cache gefunden hat. Das war’s im Prinzip schon, wenn man das Grundgerüst des Geocachens erklären möchte – freilich gibt es viele Modifikationen und Feinheiten, die das ganze noch komplexer machen. Aber an dieser Stelle soll das genügen.

Geocaches können wirklich überall versteckt sein und jede erdenkliche Größe haben. Von dem fingernagelgroßen Behältnis, dass mit einem Magnet an einem Zaun befestigt ist, bis hin zur Piratenschatzkiste, die mitten im Wald steht. Nichts ist unmöglich. Die einzige Bedingung: Ein Cache muss für ungeübte Augen fast unsichtbar sein. Nur wer ihn sucht, sollte ihn finden – denn das macht den Reiz daran aus: Nicht-Eingeweihte, von Geocachern liebevoll „Muggel“ genannt (in Anlehnung an die Nicht-Zauberer bei „Harry Potter“), sollen ahnungslos bleiben. Geocacher schaffen sich somit keine Spielwelt, wie es etwa bei PC- oder Brettspielen der Fall ist. Sie machen die Welt zu ihrem Spiel.

Veränderte Wahrnehmung der Welt

Der Religionswissenschaftler (und Geocacher) Fabian Perlini-Pfister beschreibt in einem Beitrag in dem Buch „Vom Avatar bis zur Zauberei. Religion im Spiel“ ganz interessant, wie man durch diese Verflechtung, in der es dann gewissermaßen kein „Austreten“ aus einer Spielwelt mehr gibt, die Welt anders wahrnimmt. Perlini-Pfister: „So beginnen Geocaching-Spieler, die mit der Zeit ein Gespür für Verstecke entwickelt haben, auch spontan und ohne Anhaltspunkte in dunklen Ecken ein Versteck zu vermuten. Allein das Bewusstsein der Möglichkeit, dass an einem Ort etwas versteckt sein könnte, verändert die Wahrnehmung der Umwelt.“

Man kann ihm hier nur zustimmen. An besonders interessanten oder ausgefallenen Orten spürt man nicht nur die Faszination, die von den Plätzen selbst ausgeht. Ganz unvermittelt schießt einem auch der Gedanke durch den Kopf, dass hier vielleicht ein Cache versteckt sein könnte – dank Smartphone ist es heutzutage auch ziemlich einfach möglich, herauszufinden, ob man damit richtig liegt. Und das ist häufig der Fall. In Geocache-Hochburgen (zum Beispiel Berlin-Zentrum) liegt circa alle 200 Meter ein versteckter Cache, und tausende Passanten ziehen täglich ahnungslos daran vorbei. Weltweit gibt es inzwischen knapp 1,9 Millionen solcher Verstecke.

Unterwegs mit dem GPS-Gerät
Ja, der Autor ist auch ein Geocacher. Hier unterwegs in Berlin mit dem GPS-Gerät (Bild: fm/TheoPop)

Merkwürdige Gemeinschaft

Von den „Muggels“ heben sich Spieler nicht nur durch ihre veränderte Wahrnehmung, sondern auch durch ihre – sehr eigenwillige – Sprache ab.  Ähnlich den Beobachtungen, die schon bei facebook-Sektencheck gemacht wurden, gilt auch beim Geocachen, dass durch die exklusive Sprache Gemeinschaft geschaffen wird. Und wie exklusiv die Sprache ist, zeigt das einleitende Beispiel am Anfang dieses Beitrages: Man könnte diesen kurzen Absatz nicht ohne Weiteres in eine für Jedermann verständliche Sprache zu übersetzen, ohne dieser Person zugleich eine ausführliche Einleitung in das Spielsystem des Geocachens mit all seinen Komplexen zu geben.

Die Gemeinschaft unter Geocachern ist dabei eine merkwürdige. Denn man kennt sich in der Regel untereinander nicht. Und suchen dann mehrere Spieler zur selben Zeit das selbe Versteck, kann es schon einmal zu gegenseitigen Behinderungen kommen – denn oberste Prämisse beim Spielen ist es, unentdeckt zu bleiben. Vermutet man nämlich in seinem unbekannten Mitspieler einen „Muggel“, macht dies die Suche unnötig schwer. Doch einmal erkannt, ist das verbindende Moment schnell gefunden.

Mission im Cache

Ganz direkt findet der Glaube bei Geocachen Einfluss: Caches sind beliebte Ablagebehälter für christliche Flyer und Traktate. Man kann diese Art der Mission gut finden oder nicht. Fakt ist: Viele Christen scheinen Geocaching als Missionsplattform entdeckt zu haben.

Auch für das Geocaching selbst wird aber mitunter fleißig missioniert. Einladungen, es doch einmal selbst auszuprobieren, sind keine Seltenheit. Und wer in seinem Freundeskreis begeisterte Geocacher hat – es würde mich wundern, wenn eine solche Einladung noch nicht ausgesprochen wurde. Es werden Geschichten erzählt, die man beim Cachen erlebt hat, und es werden Gründe aufgeführt, warum dieses Spiel für Mensch und Natur sinnvoll ist. Und wenn an einem Tisch zwei oder mehr Geocacher sitzen, kann es durchaus vorkommen, dass es dort kein anderes Gesprächsthema mehr gibt.

Interessant fand ich einen Thread in einem Online-Forum, in dem es um eine Geocaching-Veranstaltung, die manchen offenbar „zu religiös“ war. Ein Diskussionsbeitrag war folgender:

Um, this isn’t a religion?

We look for guidance from an unseen force in the sky… we get on our knees to search for the truth… usually throwing in a prayer ‚please be here’… We journal about our experiences… we gather to offer thanks to those who have sacrificed for us… There are books offering truth about it (at least for dummies)… and we try to convince others to join… and talking about it can really annoy our non believing friends…

Häufig wird Geocachen mit einer „modernen Schatzsuche“ verglichen. Und das trifft es auch ganz gut, denn für den Spieler ist jeder gefundene Behälter wie ein kleiner Schatz – wenn auch ohne (wertvollen) Inhalt. Aber für den ehrgeizigen Cacher zählt sowieso etwas anderes: Punkte. Für jeden gefundenen Geocache bekommt man auf der zentralen Internetplattform, auf der die Koordinaten veröffentlicht werden, einen Punkt. Man sammelt sich seine Schätze. Doch auch für diese gilt, wie für alles andere:

Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.

(Mt 6,20)

Veröffentlicht von Fabian M.

Fabian Maysenhölder, Diplom-Theologe und Online-Journalist, ist Herausgeber des Blogs "Theopop". Während seiner Berliner Studienzeit wurde bei ihm in einem Seminar zu dem Thema „Kirche in den elektronischen Medien“ Interesse für diesen Forschungsbereich geweckt, der immer mehr an Bedeutung gewinnt – nicht nur für die kirchliche Öffentlichkeitsarbeit. In seiner Freizeit spielt er Badminton und engagiert sich ehrenamtlich in der Straffälligenhilfe.

2 Antworten auf &‌#8222;Die Welt mit anderen Augen sehen&‌#8220;

  1. War für mich als „Muggel“ interessant zu lesen, aber der Schluss vermischt leider das Genre ziemlich: Entweder andächtiger oder analytischer Beitrag, aber so ist die Methode keine andere als die der Missionare unter den Geocachern: Man spornt die Schatzsuchenden an und weckt das Jagdfieber – und irritiert (vielleicht gar verärgert) am Ende, indem das Ziel Traktate für einen bereithält.

  2. Stimmt, da muss ich dir recht geben: Dass Genre vermischt sich am Ende ein wenig. Vielleicht hätte ich sorgfältiger formulieren sollen, denn eine Andacht sollte aus dem Text nicht werden. Mir ging es eigentlich nicht um das „Schätze im Himmel sammeln“, sondern um das „Wo dein Schatz ist, ist auch dein Herz“ – denn das zeigt, zumindest von der Formulierung her, ebenfalls eine Parallele zur (christlichen) Religion auf.

    Eventuell wäre es besser gewesen, das Bibelzitat zu „verkürzen“ und nur den letzten Satz zu zitieren und auch meinen Einleitungssatz zu dem Zitat zu modifizieren. Aber da bin ich wohl Luthers toller Bildsprache unterlegen und konnte einfach nicht anders. 🙂 Verärgerung beim Leser wäre schlecht – ich hoffe, das ist bei niemandem so angekommen. Irritation beim Lesen wäre hingegen sehr gut, denn zum Nachdenken anregen schadet nie. Herzlichen Dank für den Kommentar – da werde ich in Zukunft besser drauf achten!

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