F**k the Genre – Netflix, Narratologie und wer ist nochmal Tim Robinson?

Von Netflix kann man einiges halten. Es wird ständig teurer. Ich finde nie was zum Anschauen. Aber, was man Netflix wirklich mal zugutehalten muss – ob man will oder nicht – ist, dass die Leute neue Medienformate ausprobieren. Die finanzieren einfach erstmal ziemlich fast alles. Und komischerweise nehme ich daraus in letzter Zeit viele Anregungen zum Predigen mit. Darüber, dass Predigen mit TED-Talks und Infotainment immer auch das Gehirn kitzeln und unterhaltsamer werden kann, habe ich hier schon mal geschrieben. Und darüber, wie das Netflix Original Bandersnatch Predigen interaktiver machen könnte, habe ich in der Maiausgabe der Homiletischen Monatshefte nachgedacht.

Seid einigen Tagen (Release war der 23. April) fasziniert mich die eigentlich unscheinbare Netflix-Sketch-Show I Think You Should Leave with Tim Robinson. Zugegeben, das ist eigentlich nicht viel mehr als eine Ansammlung von Gastauftritten von Saturday-Night-Live-Veteran*innen. Aber der verquere, und vor allem kompositorisch wirksame Humor von Tim Robinson bietet doch ein kleines bisschen mehr, an dem ich hängen geblieben bin. Besonders in einem Sketch aus der zweiten Folge. Dort dekonstruiert Robinson Comedy-Genres, spielt mit Erwartungen und hält sich nicht an die Regeln.

Der Sketch beginnt als Werbespot für Laser Spine Specialists, für bezahlbare Wirbel- Eingriffe, die die Lebensqualität verbessern. Das ist erstmal eine Persiflage auf US-Standard-TV-Werbung. Nach Senior*innen, die jetzt endlich wieder im Garten arbeiten und ihre Enkel*innen hochheben können, erzählt Tim Robinson selbst (mit Stalker-Brille und Windbreaker) stolz in die Kamera, dass er jetzt endlich Kraft hat, mit dem neuen Mann seiner Ex zu kämpfen (erster Bruch). Und dann dreht die ganze Angelegenheit aber noch weiter ab. Und Tim erzählt in einem weiteren Kundenerfolgsbericht: „Durch Laser Spine Specialists habe ich die Kraft wieder, um mein Geld zurückzukriegen von Super Star Records.“ Bei dem zwielichtigen und lauten Agenten hatte er 10000 Dollar investiert für eine Musikkarriere. Und plötzlich biegt der Sketch nochmal total ab (zweiter Bruch) und dreht sich – jetzt musikdokumentarisch – um das hervorragend superschlechte Rap-Album Mountain River Rap und verbleibt dort viel länger und intensiver, als erwartet. Und zum Schluss ist dann immer noch das Logo von Laser Spine Specialists in der Ecke.

Robinson verbiegt und wechselt mittendrin das Genre, innerhalb von einem Stück. Ein Werbespot wird zu einer Pop-Musik-Doku und dann wieder zum Werbespot – und drumherum ist es immer noch ein Sketch und eine Persiflage.

Ohne viel Überraschung jetzt also die Frage: Was kann man davon fürs Predigen lernen, aneignen, anfragen?

Genre-Bending

Nicht sonderlich neu ist das Collagieren von Predigt-Text-Genres. Im entsprechend neutralem Ton vorgelesen kann der Wikipedia-Artikel zu Seligkeit zum Beispiel den diesjährig etwas ‚festen‘ Karfreitagstext aus 1 Petrus herausfordern und in Spannung setzen.

Neuer wäre aber, wenn man nochmal genau auf Predigt mit dem Fokuswort ‚Genre‘ schaut. Gattung ist dann irgendwie erstmal eine biologische Anleihemetapher, von Abstammung und Klasse und irgendwie ein bisschen erbdarwinistisch. Was Robinson macht, ist dann nicht Gender-Bending – sieht ähnlich aus und ist auch wichtigerweise verwandt (Judith Butler zieht die Verbindung zwischen fluiden Erzählungsgattungen und Geschlechterkategorien z.B. anhand von Drag-Performance) – sondern Genre-Bending oder von mir aus auch Gattungs-Bashing oder angewandter Dekonstruktivismus.

Also innerhalb einer Klassen-Rahmung religiöser rhetorischer Rede unauffällig oder weniger unauffällig, aber dafür umso eindrücklicher aus einem Wunderbericht eine True-Crime-Geschichte machen oder mit einer Toledoth-Liste einsetzen und am Ende eine Prophezeiung draus machen – das wäre die Idee.

Doch komischerweise, wenn ich Kolleg*innen zu sammeln frage, kommen gar nicht so viele Genres des Predigens zusammen: Lehrpredigt, Dramaturgische Predigt, Homilie, Mediative Predigt, Three-Points-and-a-Prayer und vielleicht noch ein halbes Dutzend mehr. Kein Vergleich mit den langen Theater- und Journalismus-Genrelisten, die sich online z.B. auf Wikipedia sofort finden lassen. Und die man natürlich gleich auch mal als Predigtgenre ausprobieren könnte. (Besonders reizvoll finde ich dabei „Zauberstück“.)

Niemand hat das für mich besser und radikaler ausgedrückt als Matias Faldbakken, der Houellebecq des kühlen Nordens, wenn seine Charaktere z.B. in Macht und Rebell als Maxime sagen: Fuck the Genre! Da geht dann konsumgeeignet gemachte Subkulturprosa so von Bord, dass ein aufsteigender Schreiberling Mein Kampf hineinkopiert und verwurstet – die extremstmögliche Form von Genre-Breaking. So geht genre-technische Kritik am Einverleiben von Subkulturliteratur mit härtesten Mitteln. Genre-Bending und -breaking bleibt ein Trend. Für UncleanArts.com ist das Genre nur eine Ansammlung von Clichés, Konventionen und Immer-schon-Dagewesenem – ein Korsett, das Schreibende lähmt.

Saurer Genre-Teig und rhetorisches Hijacking

Aber ich finde, das Transformatorische frohbotschaftlichen Redens von Gott, Geist, Sohn, Mahl, Bad, Gemeinschaft und Geschichte liegt vielleicht gar nicht mal darin, dass Genre zerstört werden müssen, sondern eben in der narrativen Umkehr von innen, im Genre-Wechsel genau wie beim Gleichnis vom Sauerteig. Jesuanisch ist dazu doch vielleicht am ehesten die Praxis von rhetorischem Hijacking und Genre-Transformation. Die Situationen im Leben aus den Evangelien fangen bei einer Sache an, z.B. die Jünger haben Hunger (Mk 2) – und die Geschichte geht plötzlich in eine ganz andere Richtung – und es geht um König David und Nachfolge. Oder ein parodistischer Triumphzug in die Hauptstadt kippt heftig in eine Leidensgeschichte – in eine Schreckensgeschichte und wieder in eine Hoffnungsgeschichte. Lauter Genre-Abbiegungen und -Brechungen. Auf einer höheren Ebene verschieben die Evangelien insgesamt das Genre von Herrscherbiographie zu Auferstehungsnarrativ.

Vielleicht hilft es, das wieder stärker auszuprobieren, mit dem Bibelrede anfing: Mit einem Genre anfangen, Konventionen übernehmen, Nachahmen, rhetorische Stärken ausnutzen – und es dann gerne kippen lassen, wild wuchern, sich transformieren lassen. Vielleicht mit einer Jesuspredigt, die als Werberede anfängt, mit aller Kunst, die dazu gehört und dann umschlägt und wechselt in ein Sprechen von und in wirklicher Seelsorge. Und so tiefer geht. Das Biegen innerhalb und zwischen Genres von Predigt, mit Kopieren, Imitieren und Transformieren von dem, was Menschen sonst so hören, könnte also nicht nur rhetorische Spielerei sein, sondern komischerweise sogar wieder bibeltreu.

Theoradar kann jetzt suchen!

Die Theoradar-Software hat wieder ein kleines Update in Form einer neuen Funktion bekommen. Bisher wurden dort zum einen Beiträge auf christlichen Blogs nach ihrem Impact in Social Media gelistet, zum anderen gibt es seit ungefähr einem halben Jahr mit datenbank.theoradar.de das größte deutschsprachige Verzeichnis christlicher Blogs und Podcasts.

Nun habe ich es endlich einmal geschafft, eine – vorerst recht rudimentäre – Suchfunktion aller Artikel zu programmieren. In der Theoradar-Datenbank sind über 36.000 (in Worten: Sechsundreißigtausend) Artikel christlicher Blogger*innen abgespeichert. Diese werden mit dem neuen Update durchsuchbar. 

Ein nützliches Tool für alle, die selbst über ein bestimmtes Thema bloggen und erstmal schauen möchten, was andere zu sagen haben/hatten. Oder für alle, die einfach wissen wollen, in welchen Facetten ein bestimmtes Thema diskutiert & verbloggt wird.

In jedem Falle eines: Ein weiterer Zugang zur unübersichtlichen Welt christlicher Blogs. Viel Spaß damit – und anregende Suchen!

Das sind die christlichen Top-Blogs 2018

Die Theoradar-Auswertung der reichweitenstärksten Blogs für das Jahr 2018 ist da: An der absoluten Spitze bleibt alles beim Alten, auch wenn es in den TopTen einige Bewegung gibt. Der Sieger heißt: Universitäre Theologie. Mit anspruchsvollen Inhalten kommen entsprechende Angebote in den Social Media auf viel Reichweite. Das zeigt auch der Erfolg des Theologie-Podcast-Projektes „Worthaus“.

Erneut ist das theologische Feuilleton feinschwarz.net das christliche Blog mit der größten Reichweite in den Social Media. Das ergibt die Theoradar-Auswertung von 186.070 Social-Media-Interaktionen für 23.943 Artikel, die im vergangenen Jahr auf 467 deutschsprachigen christlichen Blogs und Podcasts veröffentlicht wurden. Beiträge von feinschwarz.net wurden dabei insgesamt 30.078 Mal geteilt, geliked, kommentiert oder auf Twitter erwähnt. Diese Spitzenzahl erreicht feinschwarz.net vor allem aufgrund seiner hohen Publikationsfrequenz – insgesamt 317 Artikel sind auf der Plattform im vergangenen Jahr erschienen.

Auch Platz zwei der reichweitenstärksten christlichen Blogs wird im Vergleich zum Vorjahr verteidigt: Mit 8.883 Interaktionen in den Social Media verzeichnet das Satireblog Theoleaks zwar deutlich weniger Reichweite als im Vorjahr (16.815), bleibt jedoch vorne mit dabei. Platz drei geht mit 8.375 Interaktionen an das Blog des Passauer Bischofs Stefan Oster.

In den TopTen gibt es im Vergleich zu 2017 im vergangenen Jahr etwas Bewegung. Das konservativ-katholische Blog „The Cathwalk” verfehlt auf Platz vier mit 8.329 Interaktionen trotz deutlicher Reichweitensteigerung nur knapp das Treppchen (Vorjahr: 6.444 Interaktionen, Platz fünf). Das persönliche Blog „unendlichgeliebt”, das 2017 noch unter dem Namen „gekreuzsiegt” den dritten Platz belegte, landet 2018 auf Platz fünf (5.870 Interaktionen).

Die Anfang des Jahres 2018 gestartete Blog-Plattform „biblipedia.de„, die sich selbst als „bibeltreue Bloggerplattform“ bezeichnet und vor allem Artikel aus den einzelnen persönlichen Blogs der verschiedenen Autoren sammelt und zweitverwertet, landet in ihrem ersten Jahr mit 5.776 erfassten Interaktionen auf Rang sechs der Theoradar-Jahrescharts.

Platz sieben belegt das Blog „Natur des Glaubens” (5429 Interaktionen, 55 Artikel), „JoBos Blog”, das Blog des katholischen Publizisten Josef Bordat,  kommt auf Platz acht (3834 Interaktionen, 348 Artikel). Platz neun belegt mit 3686 Interaktionen (90 Artikel) das Blog „diesseits” der Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich.

Mit dem Online-Magazin „Die Eule” schafft es ein weiterer Newcomer in die TopTen: „Die Eule” ging im Juni 2017 an den Start. 2018 war somit das erste vollständig erfasste Jahr – es bescherte dem Blog-Magazin 3552 Interaktionen bei 145 Artikel und damit Platz zehn.

Manche dieser Zahlen relativieren sich vor allem mit Blick auf die hohen Publikationsquoten einzelner Blogs. So wurden z. B. 476 biblipedia.de-Artikel von Theoradar erfasst – das sind umgerechnet 12 Interaktionen pro Artikel. Damit landet das Blog in dieser Hinsicht im Vergleich zu anderen christlichen Blogs auf Rang 100. Ähnliches gilt für Jobos Blog, der mit 348 publizierten Artikeln in diesem Vergleich auf  Platz 109 landet (11 Interaktionen pro Artikel). Mehr dazu unter dem Abschnitt „Impact pro Beitrag-Analyse”.

Meistdiskutierte Beiträge

Bei den meistdiskutierten Beiträgen ist in diesem Jahr – anders als noch 2017 – feinschwarz.net stark vertreten: Fünf der zehn reichweitenstärksten Artikeln stammen von dem Feuilleton-Blog. Spitzenreiter ist ein Kommentar zur Kreuzpflicht in Bayern: „Holt das Kreuz von allen Türmen“ vom 26. April 2018 mit 1371 Interaktionen in den Social Media. Auf Platz zwei steht ebenfalls ein feinschwarz-Artikel: „Ein starkes Narrativ: Wim Wenders porträtiert Papst Franziskus“ (1311 Interaktionen). Platz drei sichert sich Theoleaks mit: „Showsensation: The Voice Worship kommt!” (1196 Interaktionen).

Insgesamt zeigt die Auswertung, dass es im Vergleich zu 2017 schwerer geworden ist, in die TopTen der monatlichen Chartlisten bei Theoradar zu kommen. Waren dafür im Jahr 2017 noch durchschnittlich mindestens 202 Interaktionen notwendig, sind es 2018 mindestens 225 Interaktionen.

Impact-pro-Beitrag- Analyse zeigt Überraschungen

Eine besonders aussagekräftige Topliste sind die Impact-pro-Artikel-Charts. Sie verrechnen die Anzahl der von Theoradar erfassten Artikel eines Blogs mit den Gesamt-Interaktionen aller Artikel dieses Blogs. Diese Charts zeigen somit auf, wie viele Interaktionen ein Beitrag des jeweiligen Blogs im Schnitt im vergangenen Jahr erreicht hat. Hier werden also Blogs oder Podcasts sichtbar, die auch unabhängig von einer hohen Publikationsfrequenz das Potenzial haben, eine große Reichweite in Social Media zu generieren.

Mit dem „Worthaus”-Podcast liegt ein universitär-theologisches Format hier mit Abstand vorne: Bei nur fünf publizierten Beiträgen erreicht das Format 2964 Interaktionen – und damit pro Folge im Schnitt 593. Auf Platz zwei landet das Blog des Pastors Steffen Paar, der mit nur zwei Beiträgen 369 Interaktionen (ca. 185 pro Beitrag) erreicht. Ebenfalls zwei Beiträge hat der römisch-katholische Theologe Markus Tymister auf seinem Blog „Populo congregato” veröffentlicht und damit 321 Interaktionen (ca. 161 pro Beitrag) erreicht. Er belegt Platz drei.

In den Impact-pro-Beitrag-Charts landen die Gesamtreichweiten-Sieger feinschwarz.net auf Platz 11 (95/Beitrag), Theoleaks auf Platz 4 (156/Beitrag), Bischof Stefan Oster auf Platz 18 (66/Beitrag), The Cathwalk auf Platz 33 (40/Beitrag), unendlichgeliebt auf Platz 16 (75/Beitrag), biblipedia.de auf Platz 100 (12/Beitrag), Natur des Glaubens auf Platz 9 (99/Beitrag), Jobos Blog auf Platz 109 (11/Beitrag), diesseits auf Platz 31 (41/Beitrag) und die Eule auf Platz 46 (25/Beitrag).

…es gibt sehr aktive Blogger da draußen

In der Auswertung fällt im Vergleich zu 2017 vor allem die Chartliste der „Publizierten Beiträge” auf, die schlicht zeigt, wie viele Beiträge ein Blog im vergangenen Jahr veröffentlicht hat. Das liegt daran, dass 2017 von Theoradar nur Beiträge erfasst wurden, die bereits fünf oder mehr Interaktionen in den Social Media aufwiesen. Mit dem 1. Januar 2018 hat Theoradar tatsächlich alle erschienen Artikel registriert. Das fördert Interessantes zutage: Es gibt einige Blogs, die mehrere Artikel pro Tag veröffentlichen – die Resonanz in den Social Media darauf aber sehr gering ist.

binder-online.de” hat zum Beispiel 1.478 Artikel im Jahr 2018 publiziert, die von Theoradar erfasst wurden – im Schnitt also vier pro Tag. Wer sich das genauer anschaut, stellt jedoch schnell fest, dass es sich dabei zum allergrößten Teil nicht um eigens verfasste Beiträge, sondern vor allem um über RSS-Feeds eingespeiste Artikel handelt – der aktive Eindruck täuscht also. Etwas anders verhält es sich mit dem katholischen Blog „Beiboot Petri„, das im vergangenen Jahr 1.256 Artikel veröffentlicht hat. Auch hier werden zu einem Großteil viele Artikel zitiert und verlinkt, die in anderen Medien erschienen sind. Diese werden jeweils noch mit einem kurzen einleitenden Kommentar versehen – setzen also tatsächlich eine Aktivität des Autorenteams voraus. (Es handelt sich um ein Multi-Autoren-Blog.)

Alle Analysen beruhen auf der Datenbank der christlichen Blog-Topliste Theoradar, die derzeit 449 christliche Blogs und 18 christliche Podcasts ständig beobachtet und alle dort publizierte Beiträge auf ihre Resonanz in den Social Media hin untersucht (Facebook, Twitter, Google+). Aus diesen Daten werden Toplisten generiert, die einen Überblick darüber geben, welche Themen und Beiträge gerade besonders intensiv diskutiert werden.

Die Toplisten im Detail

Die 25 reichweitenstärksten christlichen Blogs 2018

(In Klammern die Anzahl aller erfassten Social-Media-Aktionen im Jahr 2018)

  1. feinschwarz.net [30078]
  2. TheoLeaks [8883]
  3. Bischof Stefan Oster SDB [8375]
  4. The Cathwalk [8329]
  5. unendlichgeliebt [5870]
  6. biblipedia.de [5776]
  7. Natur des Glaubens [5429]
  8. JoBos Blog [3834]
  9. diesseits [3686]
  10. Die Eule [3552]
  11. Worthaus [2964]
  12. y-nachten [2953]
  13. Andachten für jeden Tag [2940]
  14. kreuz und queer [2936]
  15. fasten seat belts [2875]
  16. Dei Verbum [2812]
  17. Hanniel [2612]
  18. Theosalon [2594]
  19. Aufatmen in Gottes Gegenwart [2507]
  20. Kuschelkirche [2176]
  21. theolounge [2156]
  22. Tu Domine [2127]
  23. Der Leiterblog [2075]
  24. Digitale Lebenswelten [2011]
  25. Präsesblog [1826]

Top 25 Blogs nach der Impact/Artikel-Analyse

Für diese Topliste wurde die Anzahl der gesamten erfassten Interaktionen eines Blogs durch die Anzahl der publizierten Artikel geteilt. Daraus ergibt sich der Wert für die Interaktionen, die ein Artikel eines Blogs im Durchschnitt im Jahr 2018 hervorgerufen hat (dieser Wert steht jeweils in Klammer).

  1. Worthaus [593]
  2. Steffen Paar [185]
  3. Populo congregato [161]
  4. TheoLeaks [156]
  5. ApfelMuse [142]
  6. Auf’n Kaffee mit Rolf Krüger [133]
  7. Theosalon [118]
  8. kephas.de [110]
  9. Natur des Glaubens [99]
  10. Lectio brevior [99]
  11. feinschwarz.net [95]
  12. Pastorsandy [91]
  13. Tobias Faix [86]
  14. Aufatmen in Gottes Gegenwart [81]
  15. Malte Detje [79]
  16. unendlichgeliebt [75]
  17. kreuz und queer [67]
  18. Bischof Stefan Oster SDB [66]
  19. Pastoracara [62]
  20. Hossa Talk [59]
  21. Frau Auge [54]
  22. Kirchengeschichten [53]
  23. Dei Verbum [52]
  24. St.-Johannes-Bruderschaft [48]
  25. TheoPop [47]

… 31. diesseits [41] …

… 33. The Cathwalk [40] …

… 46. Die Eule [25] …

… 100. biblipedia.de [12]…

… 109. JoBos Blog [11] …

Top 10 Blogartikel 2018

  1. „Holt das Kreuz von allen Türmen“ – ein Kurzkommentar zur ‚Kreuzpflicht‘ in Bayern [Impact:1371] (feinschwarz.net,26.04.2018)
  1. Ein starkes Narrativ: Wim Wenders porträtiert Papst Franziskus [Impact:1311] (feinschwarz.net,14.05.2018)
  1. Showsensation: The Voice Worship kommt! [Impact:1196] (TheoLeaks,28.05.2018)
  1. „Überdenken Sie diese Entscheidung: Pater Wucherpfennig muss Rektor bleiben!“ [Impact:1095] (feinschwarz.net,08.10.2018)
  1. „Ihr macht uns die Kirche kaputt!“ [Impact:1088] (feinschwarz.net,16.10.2018)
  1. Der antisemitische Verschwörungsglauben von Kollegah [Impact:925] (Natur des Glaubens,14.04.2018)
  1. Die CSU ist einfach die bessere Kirche [Impact:871] (Kuschelkirche,01.08.2018)
  1. Prinz Harrys & Meghans Hochzeit und die “Predigt der Liebe” (dt. Übersetzung) [Impact:846] (unendlichgeliebt,20.05.2018)
  1. Nihil obstat [Impact:811] (Theosalon,08.10.2018)
  1. AfD ausladen! Münsteraner Erklärung für eine mutige Kirche [Impact:772] (feinschwarz.net,25.03.2018)

Top 10 Blogs nach Artikelfrequenz

Ranking der Top-Blogs 2018 nach Anzahl der publizierten Artikel (Anzahl in Klammer)

  1. binder-online.de [1478]
  2. Beiboot Petri [1256]
  3. theolounge [1195]
  4. Claus_in_der_Kirche [1150]
  5. Nur ein Kreuzknappe [923] (inzwischen offline)
  6. fasten seat belts [640]
  7. Gemeinsam für Gott [494]
  8. biblipedia.de [476]
  9. Tradition und Glauben [465]
  10. Mein Web [434]

The Gospel according to John…Oliver – Homiletische Impulse vom säkularen Newsprediger

John Oliver gehört zum guten Ton, zumindest bei vielen informierten, jungen, liberalen Theolog*innen. Zumindest auch bei den nach links lehnenden Progressiven. Oder man könnte auch sagen: John Oliver predigt zur willigen Gemeinde. Preaching to the choir: John Oliver, das ist ein, wenn nicht „das“ typische Blasen-Phänomen der Linksliberal-Gebildeten. Das genaue Gegenteil von Fox News. Und dennoch – oder gerade deswegen – können Predigende von ihm lernen. Oliver vermittelt schwierige und langwierige und komplizierte Dinge wie Neo-Autoritarismus – und ist dabei kurzweilig und unterhaltsam – und unglaublicherweise: hochmoralisch. Dazwischen tut er, finde ich zumindest, etwas, das ich nicht anders bezeichnen kann als… predigen. Er adressiert Menschen, ihre Vernunft und ihre Gefühle für Mitleid, direkt in die Kamera. Er lässt rhetorische Kanonaden los und steigert Geschwindigkeit und Wortkomplexität bis zum Gänsehautmoment fast (oder quasi-) religiöser Ergriffenheit. Und er tritt dabei offen und mit eigenen Show-Abschluss- Stunts, seinen Markenzeichen, ganz materiell für Arme und Ausgegrenzte ein – auch ganz handfest mit Spendenprogrammen und Interventionen gegenüber ungerechten Rechtsnormen.

Der kirchenferne Kirchengründer

Dabei ist der gebürtige Bristoler John Oliver offenbar aus der Kirche ausgetreten (also so weit das nach englischen Standards denn geht). Nach solider Sozialisation in der Church of England, so erzählt er NPR, verlässt Oliver sie wegen ihrer „garbage answers“ angesichts des Todes von ihm Nahestehenden im Alter von zwölf. Aus dieser Distanz zu organisierter Religion heraus, gründet er 2015 seine eigene Kirche, Our Lady of Perpetual Exemption – Unsere Heilige Mutter der perpetuierten Steuersonderrechte –  um Televangelisten-Abzocker bloßzustellen. Und er parodiert ihre Rhetorik und Ästhetik (Pastel-Pullunder mit Krawatte!) sehr elegant. Die Spendeneinnahmen aus diesem Stunt gehen an Ärzte ohne Grenzen.

Und dennoch hat John Oliver die Rolle eines säkularen Predigers für mehrere Generationen angenommen, wie kaum ein anderer, vielleicht noch zusammen mit seinem katholischen Kollegen Stephen Colbert, der manchmal eindeutiger religiös spricht, vor allem in seiner Verzweiflung an Trump, aber mit ähnlichen Redeformaten an die Seelen seiner Zuschauer appelliert.

Infotainment und Homiletik

Eine typische rhetorische Strategie von Oliver ist das Anreichern von komplizierten und extrem gut recherchierten Themen wie Wahlbezirksmanipulation mit schrägen Analogien, absurden Vergleichen und schlicht sehr guten Witzen. Eine ähnliche Art und Weise der Präsentation von lebensrelevanten Wissensbeständen bieten TED-Talks (Technik, Entertainment, Design). Im Wittenberger Zentrum für ev. Gottesdienst- und Predigtkultur ist das ein fester Bestandteil im Fortbildungs-Angebot. Auch beim Predigen nach dem TED-Talk-Paradigma werden komplexe Themen und Sachverhalte durch Emotionen, Abwechslung und vor allem durch gute Witze segmentiert und vermittelt. Wer das ausprobieren will, sei hier herzlich eingeladen ein auf Englisch verfügbares 7-Schritte-TED-Homiletik-Fortbildungsprogramm zu absolvieren. Schließlich haben viele der erfolgreich wachsenden Freikirchen auch in der Hauptstadt ähnliche Formate für ihre Predigten, die gerne 40-50 Minuten andauern und Scharen von Start-Up-Jünger*innen und Global Natives begeistern.

Die homiletische Herausforderung

Der rhetorische Erfolg von John Oliver wie vom TED-Talk bedeuten vielleicht eine Neuorientierung der geläufigen „Predigen-unter-zehn-Minuten“-Routine. Es ist auch nicht mehr Drei-Spiegelstriche-und-ein-Gedicht, oder dramaturgische Move-Konstruktion, sondern wirklich homilietisch-rhetorische Tiefenbohrung, die aber – segmentiert in Erkenntnisschritte und mit Humor und Erfahrung angereichert – tatsächlich Abnehmer*innen findet.

Der Tiefe vertrauen, Seichtigkeiten dosieren

Eine Sache ist dabei problematisch, wenn ich Oliver oder Colbert oder TED-Talks anschaue. Die Schwere von wirklich schweren, persönlichen, tödlichen Sachverhalten halten diese Formate nicht aus. Beispielsweise zeigt Oliver gern Videos von Menschen, die an den Folgen von Armut versterben und wischt ihr Schicksal mit einem Witz und einem lustigen Bild sofort wieder hinweg. Besonders in der Berichterstattung über Jamal Khashoggi lösen Witze über die mitgebrachten Knochensägen der Attentäter bei mir eine komisch-tiefsitzende Form von Pietätsverletzung aus. „Die Wahrheit ist, wenn du tief genug gräbst, wird alles irgendwann interessant. Also musst du nur zu dem Punkt durchdringen, wo eine Geschichte faszinierend wird“, sagt Oliver. Das ist die Chance. Vielleicht liegt ein Trick auch darin, Tiefen und Schweren von Geschichten auszuhalten und zumindest beim Sterben von Personen Entertainment und Humor als rhetorisches Mittel feiner zu dosieren.

#unteilbar – Gold bekennen

Vorne ist das gewohnte Meer von geschwungemem Rot. Hier und da Antifa-Schwarzweißrot oder sind das doch die T-Shirts von der Antirassistischen Kirche? Ein bisschen grün. Viel pappfarben. Do-it-yourself-Plakate. Und dann plötzlich glitzert es in den Augen. Große goldene Rettungsdecken beglittern die große Unteilbar-Demonstration (im Glitzernden Block), angesteckt an Fahnenstangen, umgehängt, als Haarschleife oder Armband. Auf den Bannern sind Farben-gegen-rechts dominant: Glitterlettern mehr als Konfetti. Werfen die Regenbögen auf das Pflaster oder bilde ich mir das ein? Oder ist das hier der neue Regenbogen?

Überall jedenfalls tauchen diese Golddecken auf. Juwelen in der Masse. „Stay Gold“ lassen die Rapper von Run the Jewels ihren Neffen sagen. Im HipHop gehört das Glittern klar dazu. Erst recht in der weißen Meta-Reflexions-Spielart. Da ist auch die Botschaft klar. Goldene Rolex. Goldener Panzer. Goldene Kette – die sind schwer und machen schwer und wichtig. Gelbgold macht eindeutig: Das war teuer. Ich kann das. Du nicht. Und jetzt ist das Gold plötzlich auf der Straße. Anstelle von Fahnen. Anstelle von politischen Farben.

Postfarbe wird Post-Farbe? Oder ist es der neue Regenbogen?

Ist Gold jetzt Post-Farbe? Ist es Post-Partei? Die „Glänzende Demo“ klingt oder klang jedenfalls so. Vielleicht kommt von ihr der glitzernde Block auf der Großdemonstration. Polychrome Farbe steht für sie für Vielfalt. Alternative zur Alternative titelt die Berliner Zeitung. Wie kommen die eigentlich auf das Gold, die UdK-Leute, die Diakonie in Stadtmitte und die vom Künstler*innenverband, die sich das neu in einer Glitzerbewegung formieren?

Goldige Geschichte

In Westeuropa ist Gold als Kunststück aus der Verzweiflung entstanden, Gott nicht darstellen zu können, und auch, sich nicht ganz sicher zu sein, ob man Gott darstellen darf. Vielleicht deswegen diese Farbe, die das Gehirn aushebelt und die Augen verglitzernd überwältigt. Ein Stand-In für Himmelglanz, zu viel auf einmal. Nicht eine Farbe, nicht eine Lichtquelle. Poly als Programm. Die Neuronen feuern und die Synapsen glänzen und glittern und zappen mit, weil das Licht sich nicht festlegt, wenn es vom Gold kommt. Der erste theologische Effekttrick der Kunst- und Kirchengeschichte.

Ist Gold die neue Friedenstaube?

Und jetzt versammeln sich unter dem goldenen Banner neue Versammlungen. Die Gottessucher und Gottesdarsteller haben das unerreichbare und teure und kontrollierbare aus der Hand gegeben. Ein Euro pro Rettungsdecke und Goldsymbolträgerglanzschicht zum Funkelbannerschwingen. No strings attached. Nur ist das wirklich: Post-Farbe, Post-Partei, Post-Bekenntnis oder fließt hier was Altes auf neuen Plastikträgermedien  in neuer Verfügbarkeit auf die Straße? Zugleich billig und teuer, ironisch aber auch utopisch. Und was passiert mit Glam-Riot und schönem Widerstand, wenn das Glitzern des Abwesenden mit entschlossenem Schwarz kollidiert?

Stay Gold, sagt der Rapperneffe. Gold stays, sagt der/die Theolog*in.

Nicht mehr schweigen!

„Gott liebt dich, so wie du bist“ – das ist eine christliche Botschaft, die wohl alle Christen in irgendeiner Form unterschreiben würden. Leider gibt es auch heute noch christliche Kreise, in denen das zwar auch behauptet wird – in denen aber letztlich etwas ganz anderes gilt. Wenn dort das „so wie du bist“ nämlich homo-, bi- oder transsexuell ist, dann ist’s ganz schnell vorbei mit der christlichen Nächstenliebe. Denn, so wird dann behauptet, Homosexualität sei Sünde vor Gott, und deshalb seien Homosexuelle, die ihre Sexualität leben, Menschen, die in dauerhafter Sünde vor Gott lebten.

Ich halte das – vorsichtig formuliert – für eine der fatalsten Ausprägungen unseres heutigen christlichen Glaubens. Denn diese Ansicht verkennt, dass die Sexualität  – welcher Prägung auch immer – untrennbar und unveränderbar zur Identität eines Menschen gehört. Die gerne in solchen Kontexten heraufbeschworene Trennung von „Sünde“ und „Sünder“ funktioniert deshalb in diesem Fall nicht. Menschen kommen, wenn man Homosexualität per se zur Sünde erklärt,  in eine „Sünden-Dauerschleife“ – und das einfach nur, weil sie so sind wie sie sind. Ganz abgesehen davon, dass man sich an dieser Stelle auch mal über das Wort „Sünde“ austauschen sollte.

 

 

Ich will hier in dieser Hinsicht in diesem Beitrag nun kein großes Fass in diese Richtung aufmachen. Die Argumente wurden schon an anderen Stellen und sehr oft ausgetauscht, die Fronten halte ich für verhärtet. (Auch hier auf dem Blog habe ich das schon öfter thematisiert: Hier etwa und hier. Und ja, ich kenne die Bibelstellen (alle), brauche ich in den Kommentaren nicht zu lesen. Sie halten meiner Ansicht nach alle einer genauen Prüfung auf’s Thema hin nicht stand.)

Ich möchte in diesem Rahmen nur auf ein Buch hinweisen, das derzeit Geld in einer Crowdfunding-Aktion sammelt. Es ist nicht irgendein Buch, sondern ein wie ich finde enorm wichtiges: „Nicht mehr schweigen –  25 homosexuelle und transidente Menschen aus dem christlich-konservativen Umfeld erzählen davon, wie es ist, nicht sein zu dürfen.“

Bereits nach wenigen Tagen wurde das Fundingziel geknackt und sogar weit überschritten – ganz offensichtlich stößt das Projekt auf eine enorme Resonanz. Das freut mich sehr! Denn es zeigt: Das Thema ist vielen Menschen wichtig. 

Ich werbe ausdrücklich auch hier dafür, dieses Projekt zu unterstützen. Es ist wichtig, dass die Diskussionen immer wieder in den Fokus gerückt und angestoßen werden – und dass sich vor allem Betroffene zu Wort melden, wie nun in diesem Buch. Es ist wichtig, dass diejenigen, die immer noch an ihrem meiner Ansicht nach äußerst schiefem Verständnis von Sünde und Homosexualität festhalten, lesen und hören, was sie damit anrichten.

Es kann doch nicht sein, dass (von Gott geliebte und geschaffene) Menschen in unserer Kirche und in unserem Glauben nicht sie selbst sein können. Der Gedanke daran macht mich sehr, sehr traurig.

Deshalb: Nicht mehr schweigen!

Fünf Thesen: So prägt Bloggen die Theologie

Am vergangenen Freitag hatte ich das Vergnügen, im Vorfeld des Barcamp Kirche Online beim Treffen theologischer Blogger*innen einen kleinen Vortrag über das Projekt Theoradar halten zu dürfen. Im anschließenden Austausch haben wir uns unter anderem über die Frage unterhalten, wie denn eigentlich Theologie auf Blogs läuft. Wie verändert und wie prägt das Bloggen Theologie?

Ich habe dazu ein fünf kurze Thesen in den Raum gestellt – und damit sie da nicht für alle Zeiten bleiben, möchte ich sie hier an dieser Stelle auch noch veröffentlichen. Sie sollen Gedanken anregen, Feedback einzuholen, darüber zu diskutieren (siehe These 3 :-)). 

Die Thesen beziehen sich auf bestimmte Spezifika, die sich meines Erachtens bei dieser Fragestellung beobachten lassen – und sich teilweise schon aufgrund der besonderen Eigenschaften des Mediums Blog als solches ergeben. Das bedeutet nicht, dass Theologie außerhalb von Blogs nie so zu finden wäre (natürlich ist sie das); genausowenig, dass Theologie auf Blogs immer und ausschließlich so zu finden ist. Es ist ein Versuch, bestimmte Beobachtungen und Gedanken pointiert zusammenzufassen. 

These 1: Theologie auf Blogs ist aktuelle Theologie

Die Ebene der Aktualität gilt bei Blogs vor allem auf zwei Ebenen, die sich bedingen – und beide sind eigentlich recht banal. Die eine Ebene ist die des persönlichen Interesses der Autor*innen. Was der eigenen Person in ihrem eigenen Leben gerade relevant erscheint oder in irgendeiner Weise interessant, darüber wird geschrieben. Gebloggte Theologie ist also zunächst in einem persönlichen Sinne aktuell. Die zweite Ebene ist folgende: Der Impuls, theologische Fragestellungen in einem Blogbeitrag zu bearbeiten, kommt häufig von außen. Von Themen, Problemen oder Diskursen, die gerade gesamtgesellschaftlich oder binnenkirchlich stattfinden. Es findet also auf dieser Ebene in besonderer Weise eine Verknüpfung von Theologie und Aktualität statt, die bei universitären Diskursen häufig so und in diesem Tempo nicht gegeben ist (und nicht sein kann). Gebloggte Theologie ist also auch in einem gesellschaftlichen Sinne aktuell.

Beide Ebenen entsprechen dem Genre Blog an sich – handelt es sich doch dem Ursprung nach um ein veröffentlichtes Tagebuch, in dem sich die Autor*innen mit dem beschäftigen, was sie gerade bewegt.

These 2: Theologie auf Blogs ist fokussierte Theologie

Wer Theologie auf Blogs treibt, will keinen Rundumschlag machen. Es ergibt sich vielleicht auch ein wenig aus ihrer Aktualität, dass es vielmehr darum geht, sich fokussiert zu äußern. Eine komplette Dogmatik findet man auf Blogs nicht. Hier und da vielleicht mal etwas ausgiebigere Abhandlungen zu einem Thema. Aber es bleibt: Ein Thema, häufig auch nur ein Teilaspekt eines Themas.

Ich glaube, dass dieser Aspekt sogar in gewisser Weise technisch bedingt ist. Natürlich gibt es auf Blogs keine Zeichenbegrenzung wie in den Sozialen Netzwerken. Theoretisch wäre es also möglich, anstatt einer zwölfbändigen Dogmatik einfach einen Blogbeitrag zu schreiben.  Doch allein die einigermaßen absurde Vorstellung, dass jemand solch einen Beitrag in dieser Form lesen würde, zeigt: Es gibt irgendwie doch Grenzen. Vielleicht nicht durch die Technik selbst, aber durch das Rezeptions- und Publikationsverhalten, das das Medium Blog mit sich bringt.

These 3: Theologie auf Blogs ist fragmentierte Theologie

Unfertig – das ist ein Stichwort, das mit Blogs in mehrfacher Hinsicht verbunden ist. Zum einen auf das Blog als ganzes bezogen. Weil es keine statische Webseite ist, ist ein aktives Blog stets nur eine Momentaufnahme einer Webseite, die sich (weiter-)entwickelt. Blogs sind an sich also bereits „unfertige Medien“. Zum anderen gilt das Schlagwort „unfertig“ aber auch für die einzelnen Beiträge. Wer bloggt, schreibt seine Gedanken zu einem Thema auf. Die sind mal mehr, mal weniger fundiert, durchdacht oder ausformuliert. Es gibt sie zwar auch, die Blogbeiträge mit vielen Fußnoten, doch bilden sie eher die Ausnahme. Auch das ist eine Folge des Mediums Blog an sich (siehe These 1): Weil man sich eben nicht in einem dezidiert wissenschaftlichen Kontext bewegt, muss auch nicht alles bis ins letzte durchdacht sein. Gedanken werden einfach einmal geäußert, um zu sehen, welche Resonanz sie erzeugen. Fragen werden offen gelegt und gestellt, vielleicht gerade, weil man noch keine Antwort darauf hat. 

Theologie auf Blogs ist also  in besonderer Weise Theologie in Bruchstücken – fragmentierte Theologie.

These 4: Theologie auf Blogs ist dynamische Theologie

Blogs sind soziale Medien. Es gibt ganz verschiedene Arten sozialer Medien, die jeweils ganz unterschiedliche Dinge bezwecken. Eines ist an dieser Stelle dabei festzuhalten: Blogs dienen weniger der Vernetzung (wie z. B. Facebook, Instagram, Twitter – die sozialen Netzwerke), sondern sie sind in erster Linie Publikationsmedien. Das vorrangige Ziel ist nicht, ein Netzwerk aufzubauen (auch wenn das sicherlich in manchen Fällen über die Blog-Community entsteht), sondern, die eigenen Gedanken zu veröffentlichen und ggf. mit denen, die sie rezipieren, in Austausch darüber zu treten. 

Theologie auf Blogs passiert also im Austausch  und in der Diskussion mit anderen – entweder in den Kommentaren auf dem Blog selbst oder in den Sozialen Netzwerken, in die ein Artikel hinein gestreut wird. Wer bloggt, macht sich angreifbar. Er/Sie muss für seine/ihre Position unter Umständen schneller und unmittelbarer einstehen und auf Kritik oder Anfragen reagieren, als wenn diese in einem Buch oder (Zeitschriften-)Artikel erscheint. Zugleich werden theologische Gedanken zwar initial auf Blogs geäußert, dort verbleiben sie aber nicht. Sie werden potenziell weitergetragen, modifiziert, angepasst und in anderen Kontexten rezipiert und reproduziert – und zwar deutlich schneller als „Offline-Theologie“.

Theologie auf Blogs ist deshalb in zweierlei Hinsicht betont dynamische Theologie im Wortsinne: Den Kräften ausgeliefert. Zum einen den Kräften die unmittelbar auf die Urheber*innen zurückwirken, im positiven wie negativen Sinne. Zum zweiten den unkontrollierbaren Kräften, die die Theologie weitertragen, modifizieren und adaptieren -den Rezipient*innen und Produzent*innen (die sich im Social Web nicht mehr voneinander unterscheiden lassen, weil jeder beides zugleich ist).

These 5: Theologie auf Blogs ist häufig implizite Theologie

Es gibt zahlreiche Blogger*innen, die sich explizit mit theologischen Fragen beschäftigen – und ihr „treiben“ auf den Blogs auch als Theologie bezeichnen würden. Oft jedoch schreiben (christliche, religiöse) Autor*innen einfach über ihren Glauben. Über ihre Gedanken zu bestimmten Themen. Über ihre Fragen. Den Begriff „Theologie“ braucht es da gar nicht, und vielen mag er vielleicht sogar fremd sein.

Dennoch findet sich auch in solchen Beiträgen Theologie. Was genau darunter zu verstehen ist, hängt wohl auch vom eigenen Verständnis von „Theologie“ ab (dazu blogge ich vielleicht auch mal noch etwas, um diesen Punkt zu verdeutlichen). Ich würde aber behaupten: Wer aus christlicher Sicht über ein Thema bloggt, setzt sich aktiv mit seinen Gedanken darüber auseinander, weil sie in Worte gefasst werden müssen. Die jeweils eigene Theologie der bloggenden Person steht dabei aber immer im Hintergrund – sie wird durch das Bloggen also implizit veröffentlicht.

Jetzt ist es raus: Das ist die Theoradar-Datenbank!

Es wurde schon häufiger angedeutet, nun aber ist es wahr geworden: Die Theoradar-Datenbank ist öffentlich unter datenbank.theoradar.de zugänglich. (Für alle die sich fragen: Was ist denn Theoradar? Hier lang.

Inzwischen sind über 450 christliche Blogs & Podcasts in der Theoradar-Datenbank zu finden. Sie werden beobachtet, neue Beiträge von dem Crawler erfasst, gespeichert und ausgewertet. datenbank.theoradar.de ist damit das größte existierende Verzeichnis deutschsprachiger christlicher Blogs.

In der Standard-Einstellung (d.h., wenn man die Datenbank einfach im Browser aufruft) werden die Einträge nach Aktualität gelistet: Der Blog, der den jüngsten Artikel veröffentlicht hat, steht ganz oben. In dieser Form ist das Verzeichnis dann im Prinzip ein RSS-Reader der christlichen Blogosphäre. Ihr könnt aber auch die anderen angezeigten Parameter problemlos zum sortieren nutzen.

Die Datenbank ist nach Blogs und aktuellsten Artikeln der Blogs (bisher nur Titel) durchsuchbar. Die Durchsuchbarkeit soll künftig auf Keywords & alle Artikel erweitert werden.

In diesem Sinne: Viel Spaß mit dem neuen Feature. Und falls ihr Ideen & Anregungen für Verbesserungen/Veränderungen habt, gerne her damit!

Die „Elfenexpertin“ von der A2

Die Landesstraßenbaubehörde Hannover hat zwei esoterische Quacksalberinnen auf eine Fahrt zu den Elfen und Geisterwesen entlang der chronisch von schweren Unfällen betroffenen A2 mitgenommen, während der die Damen besonders betroffene Streckenabschnitte „energetisch versiegelten“.

Diese Meldung, nebst lustigen Zitaten der Esoterikerinnen, wurde von zahlreichen Medien aufgenommen: Von sowas hört man ja nicht alle Tage! Natürlich dient solche Berichterstattung dazu, bei den Leser_innen Spott über die Beteiligten auszulösen, oder zumindest ein Kopfschütteln („Was es nicht alles gibt?!“) zu provozieren. Doch fällt auf: Die Damen werden mit ihrem Anliegen bestürzend ernst genommen. Nicht nur die Landesstraßenbaubehörde konnte dem Anliegen etwas abgewinnen, sondern Journalist_innen arbeiteten das Geschehen von einem nur vermeintlich neutralen Standpunkt aus auf.

Bahn frei für die „spirituellen Streetworkerinnen“

Was als skurrile Meldung durch den Blätterwald rauschte, hat einen ernsten Hintergrund, wie der Experte für Sektenfragen Hugo Stamm (@HugoStamm) im Sektenblog auf watson.ch erklärt:

„Wir wissen inzwischen, dass es unzählige spirituelle Sucher gibt, die in ihrer sektenhaften Verblendung den Realitätsbezug verloren haben. Wenn aber Sicherheitsbehörden, die mit wissenschaftlichen Untersuchungen und baulichen Maßnahmen Unfälle verhindern sollten, auf Elfenexpertinnen bauen, geht die Vernunft den Bach runter. Dann benebelt magisches Denken den Verstand, und die neue Zivilisationskrankheit Aberglaube prägt das kollektive Bewusstsein.“

Den inzwischen vielfach beschriebenen Zusammenhang von Esoterik, Verschwörungsglaube und Selbstradikalisierung hatte der Chef der Landesstraßenbaubehörde, Friedhelm Fischer, leider nicht reflektiert, als er den beiden „spirituellen Streetworkerinnen“ den Weg frei machte (aus der Hannoverschen Allgemeinen):

„Wir sind eine offene Behörde, die allen Bürgern gerecht werden möchte und viele Aktivitäten unterstützt“, erklärt er diplomatisch. Er selbst sei ja eher ein wissenschaftlich-skeptischer Typ, sagt der Behördenchef: „Ich könnte so etwas nicht, aber wenn die Frauen glauben, mit ihren Kräften etwas bewirken zu können, unterstützen wir das.“

Außer einer erheblichen Werbewirkung für die geschäftstüchtigen Scharlataninnen – auch dank der sensationellen Berichterstattung – dürfte die kleine Ausfahrt vor Ort leider nichts bewirkt haben. Auf der Strecke ist es (natürlich!) schon wieder zu einem schweren Unfall gekommen.

Falsch verstandene Toleranz gegenüber jedwedem Bullshit aber hat durchaus Wirkung: Sie verschiebt die Grenzen des nutzbaren Debattenraums so weit nach außen, dass noch jeder Mist als diskussionswürdig und berichtenswert erscheint. Eine abergläubische Gesellschaft kann kein Vertrauen mehr fassen und sich nicht auf sinnvolle Maßnahmen verständigen, die aus dem Boden der Vernunft sprießen.

„Bullshit!“

Die „Elfenexpertin im Einsatz“ ist auch darum ein hervorragendes Beispiel für den Bullshit, der zurzeit so allgegenwärtig ventiliert wird, weil der Fall auf eine bestimmte Eigenschaft des Bullshit aufmerksam macht. Harry G. Frankfurt schreibt in seinem Essay „On Bullshit“:

„It is just this lack of connection to a concern with truth – this indifference to how things really are – that I regard as of the essence of bullshit.“ (Frankfurt, On Bullshit, p. 33)

Den beiden Esoterikerinnen darf man unterstellen, dass sie an den von ihnen verbreiteten Blödsinn glauben. Dass Beamt_innen und Journalist_innen darauf anspringen und eben nicht klar „Bullshit!“ rufen, sondern ihn durch eine dem Anschein nach unparteiische Berichterstattung aufwerten, woran liegt das? Laut Frankfurt daran, dass die Wahrheit ihnen scheinbar gar nicht mehr von Belang ist.

Das aber ist ein falsches und gefährliches Verständnis von Neutralität. Staatliches Handeln und journalistische Berichterstattung müssen sich an beweisbaren Tatsachen und nachprüfbaren Fakten orientieren. Nicht nur Behördenchef Fischer entzieht sich der Frage nach der Wahrheit, indem er sie in Richtung der Authentizität der „Elfenexpertin“ auflöst. Entscheidend ist demnach nicht, was wahr ist, sondern wozu sie als Person stehen kann. Frankfurt meint darum, dass Authentizität an sich Bullshit sei. Das ist überlegenswert: Wenn sich jeder in der Öffentlichkeit unwidersprochen auf seine eigene persönliche Wahrheit berufen und auf das eigene Empfinden zurückziehen kann, verlassen wir den Raum des gemeinsamen Gesprächs.

Vergnügliches Einvernehmen

Solche Neutralität ist gerade nicht neutral, weil Journalist_innen und auch Leser_innen sich dadurch doch mit dem Bullshit gemein machen. Zumindest tritt wohl eine unheimliche Gewöhnung ein. Ein Effekt, der natürlich besonders prominent an den Äußerungen des gegenwärtigen Präsidenten der USA beobachtet werden kann.

Aus der „Dialektik der Aufklärung“ von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno stammt die Warnung: „Vernügtsein heißt Einverstandensein“. Der Fall der „Elfenexpertin“ von der A2 mag Anlass zu Spott und Häme geben, und manch wackeliger Geist hat nun von zwei Damen gehört, an die er sich mit seinen Geister- und Gnomenproblemen wenden kann. Zum Schmunzeln aber ist das schon lange nicht mehr.

Theopop – Gastautor Philipp Greifenstein ist Gründer und Redakteur des Magazins für Kirche, Politik und Kultur DIE EULE. Twitter: @rockToamna

Einladung zum Bloggertreffen (und ein paar Worte über Theoradar)

Im September gibt es die Gelegenheit, sich persönlich zu treffen: Die Akademie der evangelischen Kirche im Rheinland veranstaltet ein Treffen für theologische Blogger*innen.  Es findet am 28. September von 14 Uhr – 18.30 Uhr in der Melanchthon-Akademie Köln (Kartäuserwall 24B, 50678 Köln) statt – die Teilnahme ist kostenlos. Im Anschluss beginnt das diesjährige „Barcamp Kirche online“ der rheinischen, westfälischen und lippischen Kirche (28. – 30.9.2018). Alle Infos zum Treffen und zum Barcamp findet ihr hier.

Ich werde dabei sein! (Aus Termingründen leider nur beim Bloggertreffen.) Und nicht nur das, ich wurde eingeladen, dort ein paar Worte über das Projekt Theoradar zu verlieren. Zum einen wird es darum gehen, wie Theoradar überhaupt entstanden ist und wie es funktioniert – es wird also einen Blick hinter die Kulissen geben. Zum Anderen aber kommen wir auch über die Frage ins Gespräch, welche Themen in der christlichen Blogosphäre diskutiert werden und wie die aktuelle Bloggerlandschaft gerade aussieht. Ich wäre sehr gespannt, dort die Erfahrungen und Einschätzungen anderer Bloggerkolleg*innen zu hören. Ich jedenfalls freue mich sehr auf diesen Termin und hoffe, dort möglichst viele Gesichter zu sehen, die hinter den theologischen Blogs stehen, die ich so lese.

Theoradar wird überarbeitet

Weil es so schön passt, verliere ich an dieser Stelle ein paar Worte über Theoradar. Theoradar ist im September 2016 angetreten, um die christliche Blogosphäre zu beobachten und anhand von Social-Media-Reaktionen auf Blogartikel Themen sichtbar zu machen, die gerade diskutiert werden. Seit fast 2 Jahren (beim Bloggertreffen werden es über 2 Jahre sein!) läuft Theoradar auch stabil. 

Seit Anfang Juni gab es ein paar Probleme, die im direkten Zusammenhang mit Facebook stehen. Die Programmier-Schnittstelle, die Theoradar nutzt, wurde von Facebook limitiert. Das hat dazu geführt, dass die Zahlen nicht mehr ausgelesen werden konnten. Wir müssen das System nun anpassen, um es wieder lauffähig zu machen (kleiner Teaser: das Problem ist gelöst). Theoradar ist deshalb derzeit für ein paar Tage im Wartungsmodus, wird aber voraussichtlich im Laufe der nächsten Woche wieder online gehen. Wir nutzen die Gelegenheit, gleich eine Serverumstellung vorzunehmen und Theoradar einen Facelift zu verpassen. Keine Sorge: Daten gehen keine verloren, der Crawler erfasst und prüft auch in dieser „Auszeit“ alle Artikel, die veröffentlicht werden – lediglich sind die Toplisten nicht einsehbar.

Das Theoradar nunmehr bereits so lange stabil läuft und seine Arbeit tut, freut mich außerordentlich. Inzwischen werden 450 christliche Blogs von Theoradar beobachtet – und es werden ständig mehr. Ich habe das gerade einmal in der Datenbank nachgeschaut: Seit dem Start von Theoradar wurden 20.256 Artikel erfasst und mehr als 368.000 Social-Media-Interaktionen registriert. Und mit jedem Durchlauf des Crawlers werden es mehr. Hoffen wir, dass das noch lange so bleibt!