Vor Kurzem bin ich auf das Projekt „dein-kirchenaustritt.de“ gestoßen. „Kirchenaustritt leicht gemacht“ prangt da in großen Lettern auf der Startseite. Das Angebot will eine Lösung für all jene bieten, die aus der Kirche austreten wollen, aber vor dem Aufwand zurückschrecken: „Wir erleichtern Dir den Kirchenaustritt: Du erhältst auf Dich zugeschnittene Informationen zum Austritt“, heißt es auf der Webseite. Der Clou an der Sache: Die Austrittswilligen sollen ihre ersparte Kirchensteuer nicht einfach in die eigene Tasche stecken, sondern spenden – an Projekte, die der Gesellschaft nutzen. 

Stutzig wurde ich, als ich mir die Initiatoren genauer anschaute: Dominik Mauritz und Niels Reinhard. Während Mauritz konfessionslos ist, ist Reinhard noch Mitglied der römisch-katholischen Kirche. Nanu – ein Katholik, der einen Service anbietet, aus der Kirche auszutreten? Grund genug, ihm ein paar kurze Fragen zu stellen:

TheoPop: Wie sind Sie auf die Idee zu dem Projekt „dein-kirchenaustritt.de“ gekommen?
Niels Reinhard:
Ich bin selbst römisch-katholisch und sah bei meiner ersten Gehaltsabrechnung, dass die monatliche Kirchensteuer tatsächlich kein unbedeutender Betrag war. Gepaart mit regelmäßigen Berichten über die jährlich mehr als 450.000 Austritte pro Jahr habe ich mich immer mehr gefragt, ob diese Personen wohl anschließend in einem ähnlichen Umfang wie mit der Kirchensteuer vorher die soziale Infrastruktur unterstützen. Dominik und ich haben dann etwas mehr recherchiert und uns zur Gründung von dein-kirchenaustritt.de entschlossen.

Was ist Ihr Ziel?
Es ist leider die Realität in Deutschland, dass Hunderttausende Menschen jährlich aus der Kirche austreten. Wir wollen dazu beitragen, dass diese Austritte nicht dazu führen, dass die soziale Infrastruktur in Deutschland geschwächt wird. Wir wollen also niemanden zum Kirchenaustritt bewegen, sondern die Menschen ansprechen, die sich sowieso schon dazu entschieden haben, auszutreten.

Sie selbst sind noch Mitglied der römisch-katholischen Kirche. Was war für Sie als Christ Beweggrund, ein solches Projekt zu initiieren?
In meiner Heimatgemeinde habe ich selbst über die Jahre beobachten müssen, wie die Gottesdienste immer weniger besucht wurden. Kirchenaustritte sind leider die Realität. Da ich persönlich die Ausrichtung der Kirche also Organisation nicht beeinflussen kann, möchte ich trotzdem dazu beitragen, dass trotz der Kirchenaustritte Bedürftigen weiter geholfen wird. Hilfsorganisationen leisten hier einen wichtigen Beitrag – es ist uns ein besonderes Anliegen, diese zu unterstützen.

Stoßen Sie in eigenen Reihen auf Kritik?
Wir haben durchaus auch kritische Rückmeldungen bekommen. Kirche und Glaube sind ein emotionales Thema – und es ist gut, dass dies immer noch so ist. Vielleicht ist dies sogar ein positives Signal für die Kirchen. Da wir niemanden zum Kirchenaustritt motivieren, sondern lediglich die Auswirkungen der zahlreichen Kirchenaustritte schwächen wollen, kann ich die Kritik an unserem Modell jedoch nicht nachvollziehen.

Sind sie Kritiker des Kirchensteuer-Systems?
Ja. Ich fände es für die Institution Kirche als solche erfrischender, wenn die Beiträge nicht „im Hintergrund“ eingezogen würden, sondern wenn sich die Gläubigen aktiv dazu entscheiden, die vielen tollen Angebote zu unterstützen. Dies würde auch inner-kirchlich einen kontinuierlichen, notwendigen Rerformationsprozess anstoßen.

Ist dein-kirchenaustritt.de ein kommerzielles Projekt – und wenn ja, wie funktioniert die Monetarisierung?
Wir haben bisher mehr als 5000€ von jährlich wiederkehrenden Spenden für Hilfsorganisationen über unsere Plattform gewinnen können. Wir diskutieren aktuell verschiedene Modelle, wie wir das Angebot auf nachhaltige Beine stellen können. Da wir jedoch erst seit September online sind, gibt es noch keine konkrete Monetarisierung.

Vielen Dank für die Beantwortung meiner Fragen!

Ich bin etwas zurückhaltend, finde das Projekt aber tendenziell gut. Denn es lädt dazu ein, sich Gedanken zu machen: Was soll mit meinem Geld passieren? Skeptisch bin ich vor allem ob der Nachhaltigkeit: Ein Spenden-Dauerauftrag ist sehr unverbindlich und schnell gekündigt. 

Man kann sich vorstellen, dass die Kirchen ein solches Angebot freilich nicht so gerne sehen – denn jede Thematisierung und Öffentlichkeit führt vermeintlich zu neuen Austritten – insofern animiert es sicher den ein oder anderen, endlich klar Schiff zu machen (das muss ja nicht negativ sein). Fakt ist: Aus Sicht der Kirchen fehlt nun das Geld der Leute, die bisher zu faul waren, aus der Kirche auszutreten. Totschweigen funktioniert besser – noch zumindest.

Was haltet ihr von dem Projekt – ein sinnvoller und kreativer Umgang mit dem „Problem“ der steigenden Kirchenaustritte? Oder ist es eher kontraproduktiv?

Veröffentlicht von Fabian M.

Fabian Maysenhölder, Diplom-Theologe und Online-Journalist, ist Herausgeber des Blogs "Theopop". Während seiner Berliner Studienzeit wurde bei ihm in einem Seminar zu dem Thema „Kirche in den elektronischen Medien“ Interesse für diesen Forschungsbereich geweckt, der immer mehr an Bedeutung gewinnt – nicht nur für die kirchliche Öffentlichkeitsarbeit. In seiner Freizeit spielt er Badminton und engagiert sich ehrenamtlich in der Straffälligenhilfe.

6 Antworten auf &‌#8222;Der Katholik, der den Kirchenaustritt erleichtert&‌#8220;

  1. Ich finde es super. Das Kirchensteuersystem ist sowieso veraltet. Viele Gelder fließen in Dinge, die ich nicht unterstützen kann und will. Geld versackt für Zwecke, die ich nicht gut finde. Da spende ich doch lieber den gleichen Betrag an eine Organisation, die ohne großen Verwaltungsapparat Gutes tut.

    1. Sorry lieber schreiender Zahn,
      aber hier die Polemik von irgendwelchen antiklerikalen Kampf-Seiten zu verlinken, bringt doch überhaupt nichts. Wie dieser „skydaddy“ (soll wohl auch irgendwie polemisch gegen Gott sein…) dort „aus gut informierten kirchennahen Kreisen erfahren haben“ will usw. usw… und darauf baut dann die ganze weitere Hetze auf, die dann von anderen Gesinnungsgenossen begeistert weitergetragen wird, weil die ja sowieso schon wissen, wer gut und wer böse ist – letztlich ist das das Argumentationsniveau eines Herrn Trump und gewisser Parteien, die zurzeit im Osten Deutschlands sehr erfolgreich sind. Bevor du auf diesen Level herunterkommst, informiere dich doch bitte auch noch bei seriösen Quellen zu diesem Thema! Der größere Teil der Landeskirchen informiert auf seinen Internetseiten recht ausführlich über seine Finanzen und Haushaltspläne – setz dich damit auseinander, dann siehst du, dass diese 5%-Aussage der Kirchenaustritts-Seite von diesem „skydaddy“ ziemlich absurd ist.

      1. Skydaddy hier. Es ist gerade die Darstellung auf Seiten wie der im Artikel beschriebenen, die irreführend ist.

        Die Betreiber der Kirchenaustrittsseite schätzen, dass 100 Millionen Euro pro Jahr durch Kirchenaustritte „verloren gehen“. Davon sind gemäß den Subventionsberichten der Bundesregierung gut 30% Subventionierung durch die unbegrenzte steuerliche Absetzbarkeit der Kirchensteuer. Das heißt: Durch die Kirchenaustritte nimmt der Staat jedes Jahr 30 Mio. mehr ein, weil die Ausgetretenen jetzt mehr Einkommensteuer zahlen müssen, weil sie die Kirchensteuer nicht mehr absetzen können.

        Umgekehrt wird von den 100 Mio. Kirchensteuern rechnerisch vielleicht 10% für gemeinnützige Zwecke ausgegeben. Das wären 10 Mio.

        Fazit: Durch die Kirchenaustritte können die Kirchen jedes Jahr rechnerisch 10 Mio. weniger für gemeinnützige Zwecke ausgeben, dafür erhält der Staat jedes Jahr 30 Mio. mehr, mit denen der das schwindende kirchliche Engagement mehr als ausgleichen kann.

        Durch die Kirchenaustritte profitiert die Allgemeinheit auch schon, ohne dass man noch zusätzlich spendet.

  2. @ Skydaddy 11.11.: Schmarrn! Wie all deine Zahlen-Verdrehereien! Von den 100 Millionen Euro KIrchensteuern werden nicht „vielleicht 10%“ für gemeinnützige Zwecke ausgegeben, wie du schon wieder unterstellst, sondern mehr oder weniger 100 Millionen! Die ganze Kirche selbst ist nämlich eine gemeinnützige Organsiation, die an zigtausend Stellen in der Gesellschaft hilft, Trost spendet, Menschen stabilisiert und zur Selbsthilfe ermutigt – und dieser Staat weiß das auch und kooperiert darum gern mit Kirchen und religiösen Verbänden.
    Ja, bei den 100 Millionen wird sicher auch irgendwo ein Dienstwagen für einen Bischof dabei sein. Es werden aber auch tausende von Dienstfahrten von Pfarrern und Diakonen dabei sein, die nachts ins Krankenhaus fahren und leidenden und sterbenden Menschen Trost spenden, es sind Gehälter für Gefängsnis-Seelsorger dabei, sowie Gehälter für Pfarrsekretärinnen, die im Regelfall auch feste Ansprechpartner für Menschen mit Problemen sind, und es fließt sehr viel Geld in das Personal und die Ausstattung von sozialen Projekten, Brennpunkt-Arbeit, Kinder-, Jugend- und Alten-Arbeit usw. usw. All das ist die Arbeit einer „normalen“ Kirchengemeinde, die aus den sog. Kirchensteuern finanziert wird – da sind nicht deine 10% gemeinnützig, sondern de facto 100%… weil die Kirche dort mit den Menschen und für die Menschen arbeitet, wo sie gerade leben, nämlich in ihrem Dorf oder ihrem Viertel vor Ort!
    Aber von all dem willst du natürlich gar nichts wissen, und du wirst dir sicher weiter Mühe geben, kirchenferne Menschen mit deinen Zahlenspielen gegen die Kirche aufzuhetzen, da dir das ja offenbar ein inneres Bedürfnis ist. Wer sich aber aus seriöser Quelle über dieses Thema informieren möchte, der kann dies auf den Internet-Seiten fast jeder Landeskirche bzw. jedes Bistums tun.

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