Baba yetu – unsere Zivilisation gib‘ uns heute

„Civilization“ gehört wohl zu den bekanntesten und erfolgreichsten PC-Spielen, die es gibt. Auch ich habe es seinerzeit ganz gerne mal gespielt und mich daran versucht, mein Volk zur Weltherrschaft zu führen. Hat nicht immer geklappt. Aber egal, darum geht es nicht.

Es geht vielmehr darum: Die vierte Version des Spiels, Civilization IV, hat einen sehr interessanten Titelsong – danke an dieser Stelle an das Blog „Dreifachglauben“, durch das ich darauf aufmerksam geworden bin. Ja – das Lied ist, wie das Spiel, bereits einige Jahre alt. Dennoch möchte ich auch an dieser Stelle ein paar Worte dazu verlieren. Zunächst: Hört es euch an, es lohnt sich!

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Beachtenswert ist vor allem der Text und die Text-Bild Kombination. Das Lied heißt „Baba yetu“ – Swahili für „Vater unser“. Der Songtext basiert auf dem allseits bekannten Vaterunser – jedoch nicht komplett. So fehlt etwa die Doxologie „Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit“ vollständig, stattdessen endet das Lied mit den Worten „Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.“ (Wer sich selbst ein Bild machen möchte: Hier eine Variante des Vaterunsers auf Swahili, hier der Text des Liedes auf Swahili inkl. Deutscher Übersetzung.)

Ich habe mir mal die Mühe gemacht, mir das Video genauer anzuschauen – vor allem mit Blick darauf, welcher Text bei welchen Bildern unterlegt ist. Der Kurzabriss der Menschheitsgeschichte beginnt, als käme Gott höchstpersönlich mit einer Kamera in der Hand auf die Erde, um zu schauen, was seine Menschlein denn dort gerade so treiben. Dort wird er fündig: Sie leisten Großes! Die Pyramiden werden gebaut, das „Vater unser“ setzt ein. Während wir im Zeitraffer sehen, wie Pyramiden, Tempel und die Chinesische Mauer entstehen oder Kaiser gekrönt werden, ertönt:

Vater unser, der du bist im Himmel. Amen!
Vater unser, geheiligt werde dein Name.

Unser tägliches Brot gib uns heute,
Vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen!

Bis zu Minute 1:02 dauert der Schnelldurchlauf der großen Bauwerke und Errungenschaften. Das letzte Wort läutet eine Wende ein: Das „Erlöse uns von dem Bösen“ findet seine Entsprechung in den Bildern, denn plötzlich sehen wir die nicht mehr so glanzvollen Epochen von Krieg und Zerstörung. Doch während wir diese Szenen sehen, beginnt das „Vaterunser“ wieder von vorne: „Vater unser, der du bist im Himmel. Amen! Vater unser, geheiligt werde dein Name.“ Der Ruf nach Gott – er ist in diesem Musikvideo allgegenwärtig, in guten und in schlechten Zeiten.

Dein Reich komme – und  es kommt: Amerika

Dann, plötzlich: Aus der tosenden See heraus sehen wir die Schiffe von Christoph Kolumbus und seiner Flotte. Der Text endet, ein Instrumentalteil setzt ein. Die Entdeckung Amerikas, Seefahrer, die mit der Flagge von Kastilien-Leon das amerikanische Festland betreten und den Ureinwohnern begegnen. Kriegerisch wird es dann erst zu der Zeit wieder, als Amerika um seine Unabhängigkeit kämpft (1:44 min), hier nun unterlegt mit dem Text:

Dein Reich komme. Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden. Amen.

Eine ganz interessante Implikation, diese Worte zu hören (auch wenn man sie im Lied nicht versteht), während die erste Flagge der USA gehisst wird. Dann folgt wieder ein Instrumentalteil, der endet, als die Freiheitsstatue eröffnet wird. Nun gibt es Parallelen zum Anfang: Der Liedtext beginnt von vorne, und wieder sehen wir die großen Errungenschaften der Menschheit, während „Vater unser, der du bist im Himmel. Amen! Vater unser, geheiligt werde dein Name.“ gesungen wird. Nur, dass die Bauwerke diesmal (teilweise) einige Jahrtausende jünger sind.

Astronaut grüßt Höhlenmensch

Besonders spannend wird es ab Minute 2:47. Denn hier richtet sich der Blick wieder weg von der Erde, ins All – und damit auch in die Zukunft. In eine Epoche, die gerade erst langsam angebrochen ist. Mit dem Blick ins All beginnt wieder der zweite Abschnitt des Gebets: „Unser tägliches Brot ….“. Auch hier endet der Gesang mit „Erlöse uns von dem Bösen“ – anders als zu Beginn, als es als ein Auftakt in die kriegerischen Zeiten visualisiert wird, geht es diesmal fast unter.

Wozu auch laut werden? Das Böse scheint nun, in der Zukunft, verschwunden zu sein. Wir sehen eine utopische Menschheit, eine Raumstation, einen friedliche dahinblickenden Raumfahrer. Von Krieg, Mord und Totschlag ist nichts mehr zu spüren – hat Gott die Gebete erhört? Es wirkt fast so, in dieser zerbrechlichen, lebensfeindlichen Umgebung fernab vom der Erde. Was im übrigen aus ihr geworden ist, erfahren wir nicht.

Der Raumfahrer hebt friedlich schwebend eine Hand zum Gruß. Die Sängerinnen singen aus dem ersten Teil des Gebets: „Baba yetu yetu uliye. M jina lako e litukuzwe.“ Vater unser, geheiligt werde dein Name. Mit dem Gruß des Astronauten löst sich das utopische Bild auf, wird in eine Höhlenmalerei überführt – ein Bogen wird geschlagen zum Ursprung der Menschheit, das Ende mit dem Anfang verbunden. Ein Mensch tritt aus einer Höhle, geht zu der Gruppe am Feuer und gestikuliert zum Aufbruch. Die Menschen erheben sich langsam, machen sich auf. Dazu wieder der Gesang: „Baba yetu yetu uliye. M jina lako e litukuzwe.“ Vater unser, geheiligt werde dein Name.

Ende und Aufbruch

Ich finde es eindrucksvoll zu sehen, wie „Baba yetu“ die Menschheitsgeschichte künstlerisch anhand eines der bekanntesten christlichen Texte aufarbeitet. Man könnte sich nun an – zahlreiche – Interpretationen wagen. Der Ruf zu Gott, das „Vater unser“, das sowohl die glorreichen Epochen der Menschheit begleitet, wie auch den Missbrauch dort erfahren hat, wo Menschen sich in Mord- und Totschlag übertreffen. Auch der amerikanische Unabhängigkeitskrieg, die Staatsgründung, unterlegt mit den Worten „Dein Reich komme, dein Wille geschehe“ lässt unschwer erkennen, dass Komponist Christopher Tin ein US-Amerikaner ist.

Und schließlich  der Blick in die Zukunft, die hier als eine friedliche, erfolgreiche dargestellt wird. Und auch hier wieder dabei: der Ruf nach Gott. Er durchzieht das ganze Video, und ist auch im neuen Zyklus mit dabei: Am Ende, wenn die Menschen aus ihrer Höhle aufbrechen, um sich auf den Weg zu machen. Gott ist in diesem System nicht wegzudenken – auch wenn das demjenigen, der das Video anschaut und kein Swahili versteht, nicht unmittelbar erkenntlich ist. Interessant, dass der Komponist ein solch religiös aufgeladenen Text gewählt hat, um diesen Durchlauf der Menschheitsgeschichte zu vertonen. Fast, als wollte er sagen: Gott und Menschen – das ist nicht zu trennen.

Veröffentlicht von Fabian M.

Fabian Maysenhölder, Diplom-Theologe und Online-Journalist, ist Herausgeber des Blogs "Theopop". Während seiner Berliner Studienzeit wurde bei ihm in einem Seminar zu dem Thema „Kirche in den elektronischen Medien“ Interesse für diesen Forschungsbereich geweckt, der immer mehr an Bedeutung gewinnt – nicht nur für die kirchliche Öffentlichkeitsarbeit. In seiner Freizeit spielt er Badminton und engagiert sich ehrenamtlich in der Straffälligenhilfe.

2 Antworten auf &‌#8222;Baba yetu – unsere Zivilisation gib‘ uns heute&‌#8220;

  1. Schönes Lied. Das originale Vater Unser hatte nicht den letzten Satz. Henry der VIII aus England (Blödl) hat den letzten Datz hinzugefügt.
    PS Das Video passt überhaupt nicht zum Gebet. Krieg und Mord hat nichts mit Gott zu tun. So ein Depp!

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