„Die Simpsons“ ist eine der erfolgreichsten Cartoonserien der Welt. Und immer wieder spielt dort ein Thema eine große Rolle: die Religion. Grund genug, sich damit einmal genauer zu befassen. Wie wird Religion bei den Simpsons dargestellt? Diese Fragestellung soll die Grundlage für eine – nach oben offene – Artikelserie sein, die mit diesem Beitrag ihren Anfang nimmt. Das Thema ist viel zu umfangreich, um es in einem Beitrag abzuhaken; es beschäftigen sich nämlich nicht nur fast unzählige Folgen mit Religion, sondern bei den „Simpsons“ werden auch neben der christlichen viele andere Glaubensgemeinschaften behandelt.

Die Simpsons - eine der erfolgreichsten Cartoonserien der Welt
Die Simpsons – eine der erfolgreichsten Cartoonserien der Welt (Bild: desiii/flickr.com)

Den Start soll an dieser Stelle die Folge „Das achte Gebot“ machen (Staffel 2, Folge 13. Im Original: „Homer vs. Lisa and the 8th Commandment“).  Die Folge kann hier als Hörspiel bei Youtube angehört werden. Die TV-Version scheint online nicht frei verfügbar zu sein.

Diese Folge sei eine „ausgezeichnet gestaltete, 22-minütige Predigt“, schreibt der US-Journalist Mark Pinsky. Man müsste vielleicht ergänzen, dass es sich um eine ziemlich offensive Moralpredigt handelt, die verdeutlichen soll, wie lax wir heutzutage mit dem Gebot „Du sollst nicht stehlen“ umgehen (Hoppla, war das nicht das siebte Gebot?). Und an dieser Stelle sei angemerkt, dass die Erstausstrahlung der Folge im Jahr 1991 erfolgte. Im darauf folgenden Internetzeitalter weist die Folge auf ein Problem hin, das heute sogar noch aktueller als damals ist.

Doch eines nach dem anderen. Um was geht es in dieser Folge? Homer bekommt durch einen etwas fragwürdigen TV-Techniker die Möglichkeit, sich gegen ein Bestechungsgeld von 50 Dollar ins Kabelfernsehen einzuklinken. Illegal, versteht sich. 68 Kanäle, ohne monatliche Grundgebühr! Die Simpsons sind begeistert. Und fortan läuft der Fernseher. Und er läuft. Und läuft. Und läuft. Doch dann kommt der Sonntag, an dem brave Christenmenschen wie die Simpsons natürlich in die Kirche gehen. Bart und Lisa landen in der Sonntagsschule – heute mit dem Thema „Die Hölle“. Und die Sonntagsschullehrerin versteht es, den Kindern ihr Anliegen zu verdeutlichen:

 „Die Hölle ist ein schrecklicher Ort. Maden sind euer Betttuch, Würmer eure Decke an einem stinkenden, brennenden Schwefelsee. Ihr werdet Tag und Nacht gefoltert, immer und ewig. deutlich gesagt: wenn ihr die Hölle tatsächlich sehen müsstet, dann würdet ihr vor Angst sterben.“

Während Bart sich köstlich darüber amüsiert und nachfragt, ob es an diesem grausamen Ort auch Piraten gibt („Natürlich, Tausende!“), sorgen sich andere tatsächlich um ihr Seelenheil und wollen wissen: „Wie aber kann man diesem Ort der Verdammnis entgehen?“ Die Antwort der Lehrerin: „Indem ihr immer die Zehn Gebote befolgt. Zehn einfache Regeln, mit denen es sich leicht leben lässt.“ Damit werden bereits zwei Aussagen über das Verständnis des Christentums in dieser Folge getroffen. Zum einen wird etwas über die  Glaubensmotivation ausgesagt: die Angst vor ewigen Höllenqualen. Zum anderen wird dann sofort die Moralkeule hervorgeholt: Wer dieser ewigen Qual entgehen möchte, muss sich an die Zehn Gebote halten. Wir halten also fest: Halte die Zehn Gebote, um nicht in der Ewigkeit immer und immer wieder von Maden gefressen zu werden!

Wer im Glashaus sitzt…

Bart hat – im wahrsten Sinne des Wortes – einen Höllenspaß. Lisa Simpson setzt diese Aussage aber schwer zu. Und sie erkennt, dass das, was ihr Vater tut, Diebstahl ist. Da sie furchtbare Angst vor der Hölle hat, stellt sie Homer zur Rede:

Lisa: „In der Sonntagsschule lernen wir, stehlen ist eine Sünde.“
Homer: „Sag bloß.“
Lisa: „Aber alle Welt tut es! Du klaust Kabelfernsehen, während wir uns unterhalten.“
Homer: „Hey, sieh die Sache doch mal anders. als du heute morgen gefrühstückt hast, musstest du dafür bezahlen?“
Lisa: „Nein.“
Homer: „Und musst du bezahlen für die Klamotten, die du anhast?“
Lisa: „Nein, muss ich nicht.“
Homer: „Also, wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen, mein liebes Kind!“
Lisa: „Dad, dein Argument ist ziemlich ambivalent.“
Homer: „Danke, das sag‘ ich doch!“

Trotz dieser schlüssigen Argumentation seitens Homer ist Lisa nicht zufrieden. Ihr Gewissen (und vor allem ihre Angst) lassen ihr keine Ruhe. An wen könnte man sich dann noch wenden? Richtig. An den Geistlichen. Und so sucht sie Reverend Lovejoy auf, um ihn zu befragen:

Lisa: „Wenn ein Mann Brot nimmt, um seine hungernde Familie zu ernähren, ist das dann Diebstahl?“
Lovejoy: „Nein. Naja, vielleicht, wenn er auch noch etwas draufschmiert. Gelee zum Beispiel.“
Lisa: „Verstehe.“
Lovejoy: „Jetzt mal raus mit der Sprache, Lisa, warum bist du hier? Glaubst du dein Vater klaut Brot?“
Lisa:  „Vielleicht, ich pass nicht dauernd auf ihn auf. Aber ich weiß: Wir empfangen umsonst Kabelfernsehen!“
Lovejoy: „ja, ich fürchte das ist Diebstahl, Lisa. Und ich glaube, du musst etwas dagegen tun.“
Lisa: „Soll ich meinen Vater anzeigen?“
Lovejoy:“Nun ja, das wäre zwar oberflächlich betrachtet durchaus eine Lösung des Problems. Aber bedenke das fünfte Gebot:  Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren. Ja, ähm. Lisa, ich würde es gerne sehen, wenn du ein Beispiel dadurch gibst, dass du dich dieser kriminalisierten Technik verweigerst.“
Lisa: „Vielen Dank, Reverend Lovejoy!“

Und das tut Lisa dann auch. Sie bestreikt das Fernsehprogramm, stellt sich daheim vor die Glotze und verkündet ihrer Familie ihren Sinneswandel. Doch ohne Erfolg. Die einzige, die ihr ein bisschen Verständnis entgegenbringt, ist ihre Mutter Marge. Homer und Bart frönen weiterhin der ungezügelten Lust am Kabelfernsehen. Homer hat gar schon zu großen Boxkampf-Abend geladen, der exklusiv über Kabel übertragen wird.

Die Seele im falschen Moment gerettet

Lisa ist verzweifelt. Ihre Aufforderungen und ihr Missionsdrang scheint auf keine Resonanz zu stoßen. Dennoch: Auch als der große Abend kommt, gibt sie nicht auf, stellt sich vor die Flimmerkiste und verkündet den Gästen ihren Protest. Keine Reaktion.

Als die Vorberichterstattung zu dem Kampf beginnt, ändert sich die Lage jedoch – zumindest bei dem Oberhaupt der Simpsons. Einer der Boxer saß fünf Jahre im Gefängnis. Homer kommt ins Grübeln. Was, wenn er erwischt wird? Was, wenn er auch in den Knast muss? Sein Gewissen fängt schließlich an zu arbeiten. Homer beschließt, unter offenkundigen Qualen, sich den Kampf nicht anzusehen. Zudem trifft er die Entscheidung, nach der Abreise seiner Gäste das illegale TV-Kabel zu kappen. Lisa ist sichtlich erleichtert.

Lisa: „Dad, wir haben vielleicht deine Seele gerettet.“
Homer: „Ja, vielleicht. Aber im falschen Moment.“

 Motivation: Keine Maden in der Ewigkeit

Es ist erstaunlich, wie aktuell diese Folge von 1991 ist. Was bei dem Simpsons das Kabelfernsehen, ist heute – nun ja, suchen Sie es sich aus: Musik, Filme, Bücher. Und heute wie damals fehlt das Unrechtsbewusstsein. Interessant ist, wie bei den Simpsons dieses Bewusstsein in diesem Fall wieder hergestellt wird – durch die Religion. Doch wie dies geschieht, ist äußerst fragwürdig. Es wird aus der Motivation heraus gehandelt, die Seele vor ewigen Höllenqualen zu bewahren. Eine Motivation (und Angst), mit der auch heutzutage noch Christen ihren Glauben verbreiten. Glaube, sonst kommst du in die Hölle!

Fragwürdig ist auch, welche Position die Zehn Gebote hier einnehmen. Die eigentliche christliche Botschaft spielt keine Rolle in dieser Folge, allein der moralische Aspekt von Religion wird hier aufgegriffen. Religion, eine moralische Instanz? Glauben (in diesem Fall: an die Zehn Gebote), um den ewigen Maden und Würmern zu entgehen? Das wird hier kommuniziert. Auch wenn die Auswirkungen in diesem Fall am Ende gut sind und Homer sich „bekehrt“ – das Bild, das hier von Religion gezeichnet wird, ist ein negatives.

„Religion bei den Simpsons“

Teil 2 – „Der Gott mit fünf Fingern“

Veröffentlicht von Fabian M.

Fabian Maysenhölder, Diplom-Theologe und Online-Journalist, ist Herausgeber des Blogs "Theopop". Während seiner Berliner Studienzeit wurde bei ihm in einem Seminar zu dem Thema „Kirche in den elektronischen Medien“ Interesse für diesen Forschungsbereich geweckt, der immer mehr an Bedeutung gewinnt – nicht nur für die kirchliche Öffentlichkeitsarbeit. In seiner Freizeit spielt er Badminton und engagiert sich ehrenamtlich in der Straffälligenhilfe.