Nein, ich habe nicht vergessen, dass es hier bei TheoPop bereits einen Beitrag über die religiösen Züge des sozialen Netzwerks „facebook“ gibt. Aber der Werbespot, den das Unternehmen vor Kurzem veröffentlicht hat, hat eine genauere Betrachtung verdient. Denn er folgt nicht nur einer wirren Logik, sondern ist vor allem eines: anmaßend.

Es fängt alles ganz harmlos an. Der Werbespot beginnt damit, facebook mit „Stühlen“ zu vergleichen. Stühle sind wie facebook: Sie geben Raum, um zur Ruhe zu kommen und sich auszutauschen. Jeder kann auf einen Stuhl sitzen, unabhängig davon, woher er kommt und wer er ist.  „Stühle sind für Menschen. Und deshalb sind Stühle wie facebook“, verkündet die sanfte weibliche Stimme aus dem Off schließlich. Interessant ist dabei schon eine Verkehrung, die ein Kommentator im TheoBlog anmerkt. Denn eigentlich müsste es heißen: „facebook ist wie ein Stuhl.“

Zunächst geht es dem Spot darum, das Gemeinschaftsgefühl aufzuzeigen, das facebook vermittelt. Niemand ist allein. wir alle sind vernetzt. Der Stuhl ist hierbei nur der Ausgangsvergleich; das Werbevideo geht noch ein paar Schritte weiter. Brücken, gemeinsames Tanzen, ein Basketballspiel – und schließlich: „Eine große Nation ist etwas, das die Menschen gründen, damit sie einen Ort haben, an dem sie dazugehören.“

facebook – der Platz, an dem wir dazugehören. Hier wird genau das angesprochen, was der Sektencheck auch schon ergeben hat. Nur diesmal wird es von facebook selbst explizit gesagt: Hier ist die Gemeinschaft, in der man dazugehört. Hier bist du zuhause. Hier wird gelacht, hier werden Geschichten erzählt. Kurz: Hier spielt sich das Leben ab. Und wer nicht Teil dieser Gemeinschaft ist, verpasst all dies.

facebook. Unser Gott!

Doch dann wird der Werbespot geradezu absurd. An dieser Stelle sei wörtlich zitiert, was die Sprecherin zu den schönen Bildern des Universums sagt, die nun folgen:

„The Universe. It is vast and dark. And makes us wonder, if we are alone. So may be the reason we make all of these things, is to remind ourselves that we are not.“

(„Das Universum. Es ist unermesslich groß und dunkel. Und es lässt uns die Frage stellen, ob wir alleine sind. Vielleicht ist das der Grund, warum wir alle diese Dinge tun: Damit wir uns daran erinnern, dass wir es nicht sind.“)

Dröseln wir die Argumentationskette doch einmal auf:

  1. Das Universum ist dunkel und riesig, unsere Erde und wir sind verschwindend klein.
  2. Deshalb fragen wir uns, ob wir alleine  sind in diesen unendlichen Weiten. Gibt es noch mehr Leben da draußen? Und vor allem: gibt es einen Gott?
  3. Wir schaffen Dinge, die uns verbinden, die uns das Gefühl von Gemeinschaft geben (allen voran: facebook).
  4. Diese Dinge erschaffen wir deshalb, weil sie uns daran erinnern, dass wir nicht alleine sind.
facebook mit Heiligenschein
Das wäre ein passenderer Abschluss für den Werbespot. (Bild: fm/TheoPop)

Das Ganze hat einen Haken: Wie sollen Dinge, die wir erschaffen, um irdische Gemeinschaft zu zelebrieren, uns daran erinnern, dass es im Universum noch mehr gibt? Eine irdische Gemeinschaft (zumindest eine solche, die in dem Werbespot gemeint ist) kann mich höchstens daran erinnern, dass ich nicht alleine auf dieser Welt bin. Aber nicht daran, dass wir nicht alleine im Universum sind.

Doch vielleicht ist es genau dieses Gefühl, das das Video provozieren will, wenn der helle, weiße Schriftzug „facebook“ am Ende aus dem dunklen Schwarz der Unendlichkeit auftaucht. Da fehlt nur noch der Heiligenschein. In der Logik des Spots wird ausgesagt: Wir sind nicht alleine im Universum – es gibt ja facebook! facebook ist dasjenige, das außerhalb steht. Unser Gott, der uns Geborgenheit gibt. Amen.

Veröffentlicht von Fabian M.

Fabian Maysenhölder, Diplom-Theologe und Online-Journalist, ist Herausgeber des Blogs "Theopop". Während seiner Berliner Studienzeit wurde bei ihm in einem Seminar zu dem Thema „Kirche in den elektronischen Medien“ Interesse für diesen Forschungsbereich geweckt, der immer mehr an Bedeutung gewinnt – nicht nur für die kirchliche Öffentlichkeitsarbeit. In seiner Freizeit spielt er Badminton und engagiert sich ehrenamtlich in der Straffälligenhilfe.

7 Antworten auf &‌#8222;facebook. Und wie heißt dein Gott?&‌#8220;

  1. Vielen Dank für die interessanten Gedanken.
    Eine sprachliche Frage: Könnte es beim Universum nicht eher „vast“ (riesig, überwältigend, enorm…) heißen statt „fast“?

  2. Tatsächlich – vielen Dank für den Hinweis. „vast“ macht in dem Kontext deutlich mehr Sinn (auch wenn es im Video, so finde ich, kaum von einem „fast“ zu unterscheiden ist – gibt’s vielleicht „natives“, die da weiterhelfen können?). Ich hab es im Text jetzt sowohl im englischen Originalzitat wie auch in der Übersetzung angepasst. Hört sich auch besser an.

    Gut, dass es aufmerksame LeserInnen gibt…

    (Kleine Anmerkung: Auch die Version mit „fast/schnell“ wäre zumindest sachlich nicht ganz abwegig, da sich das Universum ja auch bewegt – ziiiiemlich schnell sogar :-))

  3. Auch dieses Video existiert leider nicht mehr, ein Update wäre wünschenswert 🙂

  4. So, das Video sollte wieder gehen. Danke für den Hinweis – und auch für den Link zur deutschen Version, die es inzwischen gibt!

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